Hagen. Nach der Flut mussten drei schwerbehinderte Menschen in Hagen ins Pflegeheim ziehen. Dort leben sie immer noch. Ihre gesamte Rente geht drauf.
Die Jahrhundertflut im vergangenen Juli hat das Leben von drei schwerbehinderten Menschen aus Hagen aus den Fugen geraten lassen. Reimunde Meyer (70), Michael Krippels (79) und Stefan Stieglitz (57) mussten ihre Wohnungen räumen und, obwohl sie noch recht gut allein zurechtkommen, in ein Pflegeheim ziehen. Dort leben sie bis heute.
„Wir wollen endlich wieder nach Hause“, sagen die drei vom Leben gezeichneten Hagener. Zwar haben sie nichts auszusetzen an ihrer Unterkunft im Allo-Pflegeheim in Altenhagen, doch es sei natürlich etwas anderes, wieder in den eigenen vier Wänden zu wohnen, so Michael Krippels: „Zumal meine gesamte Rente für das Heim draufgeht.“
Frau verstarb kurz nach dem Einzug
Das Leben hat es nicht immer gut gemeint mit dem Rentner. Nachdem er an Kinderlähmung erkrankte, blieb seine linke Seite gelähmt. Trotzdem hat er sein Leben lang gearbeitet, zuletzt 24 Jahre als Pförtner im Krankenhaus Boele. 2018 bezog er mit seiner Frau eine barrierefreie Bleibe in der Körnerstraße, wo der ADAC Westfalen ein Haus mit insgesamt 38 öffentlich geförderten Wohnungen errichtete. „Meine Wohnung liegt im dritten Stock, wegen der Aufzüge ist das aber kein Problem“, so Krippels.
Kurz nach dem Einzug verstarb seine Frau. Und im letzten Sommer überschwemmte das Hochwasser das Gebäude, die Volme trat über die Ufer und überflutete den Keller sowie Teile des Erdgeschosses. Krippels und die anderen Mieter wurden in einer Nacht- und Nebelaktion von der Feuerwehr aus dem Haus gerettet: „Ich konnte so gerade meine Medikamente mitnehmen, sonst nichts.“
Nach einer Zwischenstation in der Krollmann-Arena am Ischeland wurden mehrere Bewohner ins Alloheim gebracht, denn in das Haus in der Körnerstraße, in dem die gesamte Elektrik zerstört war, durfte niemand zurückkehren.
Sanierung des Hauses zieht sich hin
Die Monate vergingen, nie hätte sich Michael Krippels träumen lassen, dass sich die Sanierung des Hauses so lange hinziehen würde. Statt 524 Euro Miete für seine 62 Quadratmeter große Wohnung muss er nun seine gesamte Rente in Höhe von 1700 Euro an das Pflegeheim abgeben. Er geht nicht mehr einkaufen, kocht nicht mehr selbst, lebt nicht mehr selbstbestimmt. „Immerhin wird mir ein Taschengeld von 120 Euro im Monat zugeteilt.“
Vom Vermieter, dem ADAC Westfalen, würden sie hingehalten, schimpfen die drei Schwerbehinderten aus dem Alloheim: „Wir haben so oft angerufen, und nie geht jemand ans Telefon.“ Nur einmal habe er eine Mitarbeiterin erreicht und seine Situation geschildert, berichtet Michael Krippels, woraufhin ihm die Dame schnippisch geantwortet habe, er könne sich doch eine andere Wohnung suchen. Er fühlt sich im Stich gelassen: „Sehen Sie mich an mit meinem Rollstuhl. . .“
Das sagt der ADAC Westfalen
Der ADAC verweist darauf, die Mieter nach der Flut bei der Suche nach geeigneten Unterkünften unterstützt zu haben: „In welchen Wohnungen oder Unterkünften sie die zu überbrückende Zeit verbringen, lag in ihrem eigenen Ermessen“, so Tobias Scheffel, Leiter PR und Kommunikation.
Die Sanierung des Hauses in der Körnerstraße 58a sei weit vorangeschritten, die Wohnungen vom 1. bis 4. Obergeschoss sogar seit Januar schon wieder nutzbar. Das Problem: Der noch nicht behobene Ausfall der Fahrstühle, ohne die ein Rollstuhlfahrer die Obergeschosse natürlich nicht erreichen kann. Zwar werde mit Nachdruck an der Fertigstellung der Fahrstühle gearbeitet, so Scheffels: „Hier ist der ADAC allerdings auf die Freigabe der verantwortlichen Sachverständigen der Versicherung und auf die erforderlichen Dienstleister angewiesen.“
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Wichtige Ersatzteile seien nicht verfügbar, vor allem elektronische Komponenten und damit Steuerelemente der Fahrstühle. Es gehe hier um Ersatzteile im sechsstelligen Euro-Bereich, betont der ADAC-Sprecher: „Wir rechen mit einer Instandsetzung der Fahrstühle im April.“ Im Mai sollten dann auch die Wohnungen wieder barrierefrei erreichbar sein.
Mieter haben Sonderkündigungsrecht
Der ADAC habe den Mietern nach der Flut durchaus Nothilfe-Angebote gemacht, darunter die kostenlose Entrümpelung der Keller, kostenlose Beratung durch einen Anwalt, Wohnungsangebote in benachbarten Häusern und ein Sonderkündigungsrecht rückwirkend zum 15. Juli, dem Tag der Flut: „Die Mieter haben aber keinen Anspruch auf Kostenübernahme einer Ersatzwohnung, da es sich bei dem Hochwasser um ein Naturereignis handelte.“
Wie es aussieht, können Reimunde Meyer, Michael Krippels und Stefan Stieglitz also in einigen Wochen in ihre Wohnungen zurückkehren. Das viele Geld, das sie inzwischen für das Pflegeheim ausgeben mussten, sehen sie jedoch nie wieder...