Hagen. Der Kultladen an der Wehringhauser Straße in Hagen schließt Ende März. Von Erotikfilm-Stammkunden und Familien-DVDs.

Seit 32 Jahren arbeitet sie in der Filmbranche, jedoch nicht als Schauspielerin am Set, sondern in einer Videothek, in der sie Filme an Kunden ausleiht oder verkauft. Sabine­ Radke schaut durch das Ladenlokal mit den rappelvollen Regalen und Körben: „Ende des Monats ist Schluss, wir schließen unsere Videothek, es hat keinen Zweck mehr“, sagt die 54-Jährige traurig.

Das „Odeon Video Center“ an der Wehringhauser Straße 25a in Hagen ist (mit Ausnahme des Video-Treffs in Hohenlimburg) die letzte Videothek, die es in unserer Stadt noch gibt.

Der Laden ist zweigeteilt – im rechten Gebäudetrakt findet man den Erwachsenenbereich mit Familienfilmen, ins linke Ladenlokal haben nur Erwachsene Zutritt, dort geht’s um Erotikfilme. „Der Erotikfilmbereich läuft wesentlich besser als der Familienfilmbereich“, sagt Tochter Mara Radke, „doch auch das reicht nicht, um die Videothek weiter betreiben zu können“.

Ein echter Familienbetrieb

Odeon ist ein echter Familienbetrieb – Mutter Sabine (54) schmeißt den Laden, Ehemann Stephan (52) und Tochter Mara (20) helfen mit. „Wir sind mittlerweile in Hagen beinahe Einzelkämpfer, und auch in vielen Nachbarstädten haben Videothekenbetreiber­ längst aufgegeben“, sagt Sabine Radke.

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Seit 1997 befindet sich die Videothek an der Wehringhauser Straße, 2014 hat Sabine Radke das Geschäft vom Vorgänger übernommen, „wir saßen jahrelang im Grothe­-Center, doch dann kam Corona­“, sagt die Geschäftsfrau verbittert.

Auch der Umzug hat nichts gebracht

Im vergangenen Mai ist die Familie dann mit ihrem Betrieb umgezogen – nur ein paar Meter weiter, direkt­ an die Wehringhauser Straße, „hier ist die Miete geringer, und wir werden von der Straße aus besser­ gesehen“, sagt Sabine Radke.

Was der Umzug gebracht hat? „Nichts, auch nach dem Lockdown blieben die Kunden fern.“

Die Kundschaft sei eben größtenteils älter­ und häufig auch nicht mehr so mobil. Außerdem habe es die Porno-Branche während der Pandemie besonders schwer gehabt, „in der Coronazeit durften ja keine Pornos gedreht werden, es fehlt den Kunden also an Nachschub, es gibt kaum neue Erotikfilme“, weiß Tochter Mara Radke zu berichten.

Viele Stammkunden und Sammler

Sabine Radke wird ihre Kunden vermissen, „viele kenne ich seit etlichen Jahren. Wie ein paar Sammler, die seit langem spezielle Filme bei mir bestellen“. Was die Chefin damit meint? „Manche Filme sind schwierig zu beschaffen. Zum Beispiel jene, in denen besondere amerikanische Pornodarstellerinnen mitspielen“, sagt Sabine Radke. So habe sie unter anderem Erotikfilme, in denen die US-amerikanische Pornodarstellerinnen Dani Daniels und Bonnie Rotten zu sehen waren, für Sammler bestellt, „es gibt auch Sammler, die sich Erotik-DVDs stolz in die Vitrine stellen“, sagt die 54-Jährige.

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Eine Frage muss gestattet sein: Warum schauen die größtenteils männlichen Kunden nicht einfach Pornos im Internet, sondern machen sich heutzutage noch auf den Weg in eine Videothek?

Sabine Radke muss für eine Antwort nicht lange überlegen: „Ganz einfach, weil viele ältere Kunden keinen Computer besitzen oder Angst davor haben, unbeabsichtigt ein Abo abschließen, das sie nachher nicht mehr loswerden.“ Außerdem liefen etliche Pornos im Netz nur 20 oder 30 Minuten und würden durch häufige Werbung ständig unterbrochen, „viele unserer Kunden möchten aber einen richtigen Spielfilm sehen“.

Räumungsverkauf läuft

Die Videothek „Odeon“ schließt am 31. März. Der Räumungsverkauf hat bereits begonnen.

Im „Odeon“ gibt es neben DVDs auch Blu-Ray-Discs und jede Menge Spiele.

In Hohenlimburg in der Sudetenstraße 1 befindet sich eine Videothek („Video Treff“), die geöffnet hat.

Und wie sieht es im Bereich der Familienfilme aus? „Für beliebte Filme von Disney oder Warner Brothers müssen wir als Verleiher stattliche Lizenzgebühren zahlen. Daher muss ein Kunde, der solch einen bekannten, aktuellen Film kaufen will, schon mal 30 Euro auf den Tisch legen“, räumt Sabine Radke ein.

Geändertes Freizeitverhalten

Das größte Problem sieht die Geschäftsfrau­ aber im veränderten Freizeitverhalten vieler Menschen: „Früher gingen doch fast alle freitagnachmittags in eine Videothek, um sich fürs Wochenende mit Filmen­ einzudecken. Videoabende mit Freunden waren vor 20, 30 Jahren­ doch total angesagt. Montags­ wurden die ausgeliehenen Filme dann zurückgebracht. Die Tradition gibt es heute aber leider nicht mehr.“