Hagen. Unternehmer aus Hagen-Delstern organisieren einen Hilfskonvoi in Richtung Ukraine. Hier können alle Hagener sich mit Spenden einbringen.

Die Handys von Maximilian Reinhardt und Annison Brown Dressman stehen in diesen Tagen selten still. Doch die Anrufer interessieren sich derzeit weniger für die lukrativen Fahrzeugangebote der beiden Autohändler aus Delstern. Vielmehr wollen sie sich für einen der aktuell größten Hilfskonvois, die zurzeit aus Hagen in Richtung Ukraine aufbrechen, engagieren: „Wir kümmern uns um den kompletten organisatorischen Rahmen und stellen mit unseren Partnern die Fahrzeuge und das Spritgeld. Aber was wir jetzt vor allem brauchen, sind Spenden. Dafür räumen wir gerne unsere gesamte Fahrzeughalle leer.“ Sonntagabend, 13. September, um 21 Uhr soll es losgehen – ab jetzt sind die Hagener gefordert, reichlich gefragte Waren an der Delsterner Straße 92 (täglich zwischen 8 und 19 Uhr) vorbeizubringen.

Natürlich hat das anhaltende Bilder-Trommelfeuer gepaart mit anrührenden Schicksalsschilderungen auf sämtlichen Medien-Kanälen auch die beiden Hagener Unternehmer angefasst und zugleich mobilisiert: „Uns ist bei dem Hochwasser im vergangenen Sommer viel geholfen worden, daher war für uns sofort klar, dass wir jetzt was zurückgeben müssen“, haben Reinhardt und sein Partner Dressman ihre breiten Netzwerke genutzt und eine Unterstützer-Allianz (siehe Info-Box) formiert, die jetzt mit geballter Power Hilfsgüter aus Hagen ins etwa 1300 Kilometer entfernte Przemyśl nach Polen bringt.

Kontakt zu Helfern vor Ort

Die 65.000-Einwohner-Stadt im Karpatenvorland direkt an der ukrainischen Grenze gilt zurzeit als Drehkreuz für die europaweite Welle der Hilfsbereiten, die tagtäglich in Richtung Osten schwappt. Dort gilt es jene Hunderttausende aufzufangen, die ihr nacktes Überleben vor Putins Truppen zu retten versuchen.

Ein Kleinbus an der Delsterner Straße 92 signalisiert unübersehbar, wo die Hagener bis Samstagmittag täglich zwischen 8 und 19 Uhr ihre gespendeten Waren vorbeibringen können.
Ein Kleinbus an der Delsterner Straße 92 signalisiert unübersehbar, wo die Hagener bis Samstagmittag täglich zwischen 8 und 19 Uhr ihre gespendeten Waren vorbeibringen können. © WP | Michael Kleinrensing

Mit Hilfe eines polnischen Mitarbeiters haben die Hagener nicht bloß Kontakt zur Caritas, sondern auch einem örtlichen Lions-Club geknüpft, um herauszufinden, welche Hilfsgüter tatsächlich benötigt werden. Entstanden ist eine lange Liste, auf der neben haltbaren Lebensmitteln wie Nudeln, Reis, Nüssen, Konserven und Getränken in PET-Flaschen ebenso Hygiene- und Medizinprodukte wie Frauen-Hygiene-Artikel, Erste-Hilfe-Koffer, Schmerzmittel, Verbandsmaterial, Windeln, Milchfläschchen, Schnuller und Babynahrung auftauchen. Zudem werden Decken, Thermoskannen, Rucksäcke und Koffer, Corona-Masken, Taschenlampen, Handy-Ladekabel und Powerbanks benötigt.„Unsere für die Aktion extra freigestellten Mitarbeiter kümmern sich um das Sortieren der Spenden und besetzen auch die Hotline (02331/5999288 oder 02331/5999289), wo alle Unterstützer bitte ihre Angebote anmelden“, versuchen Reinhardt und Dressman die erwartete Spendenflut möglichst intelligent zu strukturieren. Sie liefern die Logistik – die benötigten Waren müssen jetzt die Hagener bis spätestens Samstagmittag vorbeibringen.

Weitere Fahrer willkommen

Viele Hagener Betriebe unterstützen die Aktion

Für den Hilfskonvoi, der am Sonntagabend sich auf den Weg in den äußersten Südosten Polens macht, wissen die federführenden Organisatoren Maximilian Reinhardt und Annison Brown Dressman aus der gleichnamigen Automobile-GmbH viele starke Partner aus der Hagener Unternehmerschaft an ihrer Seite.

Dazu zählen die Steuerberatungsgesellschaft HSP Steuer, das Transport-Unternehmen Neuhaus, das Elektroinstallations- und Großhandelsunternehmen Schaberg, Autowerk Hagen, Gebäudereinigung Häckel, der Garten- und Landschaftsbaubetrieb Bullerjahn & Kunze, die Abwassertechnik Hagemann GmbH, der Schrotthandel und Containerdienst Niedergriese, Wilhelm Könemann GmbH, Tischlerei Blum, Großhandel Klein (Wand & Boden) sowie das Autohaus Nattland und der Lions-Club Hagen-Mark.

Am Rathaus II, Berliner Platz 22, gibt es zudem einen Infopoint, der die kriegsbedingt geflüchteten Menschen aus der Ukraine bei ihrer Ankunft in Hagen in Empfang nimmt. Hier werden Daten erfasst und Fragen zur Unterbringung und Leistungsgewährung geklärt. Das Team des Infopoints steht montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr vor Ort zur Verfügung. Bei Bedarf werden die Öffnungszeiten ausgeweitet. Eine telefonische Erreichbarkeit ist am Wochenende rund um die Uhr unter 02331/207-5020 gewährleistet.

Sachspenden werden in Hagen zurzeit nicht benötigt. Besser eignen sich vor Ort Geldspenden, die die Bürgerinnen und Bürger den Hilfsorganisationen ohne Zweckbindung zukommen lassen können. Auf diesem Weg können die Mittel zielgerichtet dort eingesetzt werden, wo akuter Bedarf besteht. Auf der Seite des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) gibt es eine Auflistung von zertifizierten Instituten, die das „Deutsche Spendensiegel“ erhalten haben.

Die beteiligten Unternehmen stellen für den Transport die Fahrzeug-Flotte. Dabei reicht das Spektrum vom 40-Tonnen-Sattelschlepper über einen 7,5-Tonner mit Anhänger bis hin zu VW-Bussen und einigen 3er-BMWs, die gerade für die lange Tour noch einmal frisch bereift werden. „Natürlich können sich unserem Konvoi auch noch weitere Privatleute mit ihren Fahrzeugen anschließen“, sind Reinhardt weitere Unterstützer – auch zusätzliche Fahrer – willkommen. Und sein Partner Dressman ergänzt, dass die Automobil-Händler, neben den Schrauberqualitäten ihres Teams, für den Fall der Fälle sogar einen Abschleppwagen mitschicken würden, damit alle Beteiligten wieder sicher nach Hagen heimkehren.

Dies allerdings keinesfalls mit leeren Fahrzeugen, sondern sie wollen den Flüchtlingen in der ukrainisch-polnischen Grenzregion gleich anbieten, sie mit nach Deutschland mitzunehmen. „Wir werden voraussichtlich freien Platz für 100 Menschen bieten können“, haben Reinhardt und Dressman die Tour in einem „äußerst kooperativen Austausch“ bereits bei der Stadt angemeldet. Im Rathaus will man sich dann um die Erstbetreuung der Hilfesuchenden kümmern.

Dynamische Lage

Während der Konvoi sich in den Abendstunden des kommenden Sonntags auf den Weg macht und am Montag in den Mittagsstunden die Zielregion erreichen möchte, wird Maximilian Reinhardt vorausfahren, um die Situation direkt vor Ort zu checken: „Manche Lagerhallen dort sind zurzeit randvoll, daher will ich frühzeitig die Lage peilen, um unsere Fahrzeuge an die richtige Stelle zu lotsen – es ist dort eben alles sehr dynamisch. Dort treffen ja schließlich auch Hilfslieferungen aus Paris und Lissabon ein.“ Aber vor allem immer wieder ukrainische Flüchtlinge – ein unablässiger Strom, der bis zum Wochenende angesichts der zunehmenden Härte des Krieges kaum abebben dürfte.