Hagen. Neben einer Grundschule in Hagen wurden elf Obstbäume gepflanzt. Die Aktion geriet zur Lehrstunde in Sachen Obstanbau und Insektenschwund.

Es sind die alten Sorten, die das Herz eines Apfelliebhabers schneller schlagen lassen. Dülmener Herbstrosenapfel. Rheinischer Krummstiel. Kaiser Wilhelm. Diese drei Sorten und noch ein paar andere wachsen nun auf der großen Wiese unterhalb der Grundschule in Hagen-Helfe. „Sie sind viel verträglicher als die Äpfel aus dem Supermarkt, vor allem für Allergiker“, sagt Sascha Steinweger, Apfelexperte der Biologischen Station Hagen.

Es war der Architekt Wilhelm Ebbinghaus (73), der den Bezirksbürgermeister des Hagener Nordens, Heinz-Dieter Kohaupt, auf die Idee brachte, die fast baumlose Grünfläche in eine Streuobstwiese umzuwandeln. „Hier haben früher auch Obstbäume gestanden“, erinnerte sich Ebbinghaus an seine Kindheit und verwies auf die benachbarte Grundschule, deren Schüler ja vielleicht demnächst in der Sachkundestunde Anschauungsunterricht an den Obstbäumen erhalten könnten. . .

Alle Kinder haben Biologie studiert

Nun versteht Ebbinghaus selbst eine ganze Menge von Obstbäumen und hat sein Wissen gern mit seinen drei Kindern geteilt, die schließlich allesamt Biologie studiert haben. Ein Sohn befindet sich derzeit sogar in Argentinien, um den Birnengitterrost, übrigens ein auch in Hagen gefürchteter Pilz, zu bekämpfen.

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Auf der Wiese in Helfe wurde aber zunächst nur ein Birnbaum – von der Sorte Gute Luise – gepflanzt, was Ebbinghaus sogleich zu der Frage veranlasste, wie dieser Baum jemals Früchte tragen solle. Denn Birnbäume sind nicht selbstbefruchtend. Ohne einen zweiten Baum geht es nicht.

Und so geriet die unbedeutende Pflanzaktion zur Lehrstunde in Sachen Obstanbau. Unbedeutend? Schon der Schriftsteller Adalbert Stifter hat hervorgehoben, dass das Wehen der Luft oder das Rieseln von Wasser bedeutender sei als ein feuerspeiender Vulkan oder ein Blitzschlag. „Wir tun hier etwas gegen das drastische Insektensterben in Deutschland“, sagte Heinz-Dieter Kohaupt, als er den Spaten in die winternasse Erde senkte: „Wenn man etwas erreichen will, muss man im Kleinen anfangen.“

Biologische Station kümmert sich um alte Sorten

Um den Erhalt alter Obstsorten macht sich die Biologische Station in Hagen seit Jahrzehnten verdient. Diesmal sei es allerdings nicht einfach gewesen, noch Bäumchen zu ergattern, fast alle Baumschulen seien ausverkauft gewesen, berichtete Steinweger: „Das hängt wahrscheinlich mit Corona zusammen. Die Leute hatten Zeit, sich um ihre Gärten zu kümmern und haben Obstbäume gekauft.“

Auch in der Biostation sei man mit entsprechenden Anfragen regelrecht überrannt worden: „Es hat sich herumgesprochen, dass die alten Sorten verträglicher sind.“

Immer süßer, immer greller

Einer Schätzung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zufolge gibt es weltweit allein rund 20.000 Apfelsorten. Im Supermarkt findet man in der Regel höchstens vier oder fünf. „Und deren Farben werden immer krasser, ihr Geschmack immer süßer“, hat Steinweger mit einer gewissen Abscheu festgestellt.

Und die Polyphenole – das sind bestimmte Pflanzenstoffe, die einen Apfel zum Beispiel schneller braun werden lassen – werden aus dem Supermarktobst herausgezüchtet. Zu Lasten der Allergiker.

Keine Löcher der Wühlmaus zu finden

Steinweger war überrascht, auf der Wiese in Helfe keine Wühlmauslöcher vorzufinden. In Berchum, wo er wohnt, falle man regelrecht hinein, so viele gebe es dort: „Wahrscheinlich hat die Population den Piek erreicht, mehr können es einfach nicht werden.“ So wie wir Menschen gern in einen Apfel beißen, knabbern die kleinen Nager mit Vorliebe die Wurzeln an, was nach zwei, drei Jahren das Todesurteil für einen Baum bedeuten kann.

Der einsame Birnbaum auf der Wiese soll übrigens Gesellschaft erhalten. Das hat Steinweger Wilhelm Ebbinghaus versprochen. Dann können die Schulkinder in einigen Jahren auch Birnen ernten.

Diese Sorten wurden in Helfe gepflanzt

Auf der Wiese in Helfe wurden folgende elf Obstsorten gepflanzt: Hauszwetsche, Mirabelle, Grüne Luise (Birne), Große Schwarze Knorpelkirsche, Dülmener Herbstrosenapfel, Rheinischer Krummstiel (Apfel), Kaiser Wilhelm (Apfel), Winterzitronenapfel, Rote Sternrenette (Apfel), Roter Eiserapfel.

Die Bezirksvertretung Nord hat die Streuobstwiese mit 670 Euro finanziert.