Hohenlimburg. Preiserhöhung: Anja Brand muss künftig knapp 600 Euro für Strom und Gas zahlen. Ihr Energieversorger spricht von einer nie dagewesenen Marktlage

Für Anja Brand und ihren Mann begann das neue Jahr mit einem Brief ihres Energieversorgers, der zum Schock wurde: Die Preise für Strom und Gas steigen so sehr, dass das Ehepaar aus Hohenlimburg bald fast 600 Euro im Monat für Strom und Gas bezahlen müsste. Es ist ein Brief, den so oder ähnlich viele Strom- und Gaskunden verschiedener Anbieter erhalten haben. Manche Versorger verkündeten gar die Insolvenz und Lieferstopps. Die Verbraucherzentrale warnte bereits Ende November, dass die drastische Entwicklung der Energiepreise insbesondere Haushalte mit niedrigem Einkommen bedrohen und zu Energieschulden führen könne.

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Verbrauchspreis steigt um das Vierfache

Anja Brand schüttelt den Kopf, als sie den Brief ihres Versorgers EAG in der Hand hält. Der erhöht zwar nicht die Grundpreise des Vertrages, aber die Verbrauchspreise. Bei Strom von 24 Cent auf rund 66 Cent pro Kilowattstunde. Und bei Gas von 5,7 Cent auf 27 Cent, also um mehr als das Vierfache. Dass die Preise generell steigen, daran habe sie sich mittlerweile gewöhnt, sagt Brand nüchtern. „Ich sehe auch ein, dass wir einen hohen Stromverbrauch haben und die Kosten zahlen wir auch, aber irgendwo ist eine Grenze“, meint die Bürokraft, die mit ihrem Mann auf 60 Quadratmetern lebt.

Zwei-Jahres-Vertrag abgeschlossen

„Wer soll sich das bald noch leisten können? Und was soll eine Familie mit zwei Kindern bei so einer deutlichen Erhöhung machen?“ Vor gut einem Jahr hat das Ehepaar den Vertrag mit der EAG über 24 Monate abgeschlossen. Ein Vertrag mit Preisgarantie, davon waren sie ausgegangen. Bisher seien sie auch sehr zufrieden mit der EAG als Anbieter gewesen, Probleme habe es nicht gegeben. Doch nun stellt sie der Versorger vor die Wahl: Kündigen oder ab Februar mehr zahlen.

„Wir befinden uns leider in einer Marktsituation, die es so noch nie gegeben hat“, sagt Erik Hofmann, Geschäftsführer des Energieversorgers EAG.

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Preissteigerung auf den Märkten

„Es gibt horrende Preissteigerungen an den Märkten und als kleiner Mittelständler sind wir von dem, was an den Gas- und Strommärkten los ist, extrem stark betroffen und müssen reagieren.“ EAG gehört zu den kleinen Anbietern auf dem Markt und hat nach eigenen Angaben unter 7.000 Kunden bundesweit. „Wir kündigen grundsätzlich keine Verträge innerhalb der Laufzeiten, sondern beschreiben unseren Kunden die schwierige Lage, in der wir uns als Versorger und die Energiebranche insgesamt sich zurzeit befinden“, so Hofmann. „Wir ersuchen den Vertrag im beidseitigen Einvernehmen mit den verständnisvollen Kunden anzupassen oder wir bieten die Möglichkeit, den Vertrag sofort zu beenden, wenn die Kunden eine für sich vernünftige Alternative finden.“

Keine Entspannung der Preise in Sicht

Die Preise auf den Gas- und Strommärkten seien „ein absoluter Wahnsinn“. Dass sich die Preise kurzfristig erholen, damit rechnet er nicht. „Es bleibt nur zu hoffen, dass es bei Fragen wie etwa zum Thema Gaspipeline Nord-Stream 2 bald eine politische Einigung gibt, damit sich der Markt langfristig auch wieder beruhigen kann.“

Wegen der Preiserhöhung ging der Blick von Ehepaar Brand auf den heimischen Grundversorger Mark-E. „Aber auch dort haben sich die Preise erhöht. Als Neukunden zahlen wir mehr als die Bestandskunden“, so Anja Brand.

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Mark-E schafft neue Grundtarife

Viele Kunden in Hagen, deren Energieanbieter Insolvenz anmelden mussten oder Verträge gekündigt haben, landen beim hiesigen Grundversorger Mark-E. „Wir reden hier aktuell von einer Kundenzahl im vierstelligen Bereich“, beziffert Andreas Köster, Sprecher Mark-E , den ungeplanten Zuwachs. „Das bedeutet für uns als Grundversorger, dass wir entsprechend mehr Kosten haben, die wir schnell einsetzen müssen.“

Grundversorgung gesichert

Die Neukunden fallen in den Grundtarif. Angesichts des überhitzten Energiemarktes hat die Mark-E im Dezember einen neuen Grundtarif mit erhöhten Preisen für Gas eingeführt. Kurz vor Weihnachten folgte ein neuer Grundtarif für Strom, auch hier wurden Preise für Neukunden angepasst.

Mehrkosten an Neukunden weitergegeben

Der Grundversorger fängt die von Insolvenzen und Kündigungen anderer Anbieter Betroffenen also auf, aber zu höheren Tarifen als Bestandskunden. Ein ungerechtes System? „Wenn Neukunden in den bestehenden Grundversorgungstarif kämen, dann müssten wir diesen wegen der Mehrkosten erhöhen, um nicht in wirtschaftliche Probleme zu geraten“, so Köster. Dies würde dann auch Kunden betreffen, die seit Jahren in dem Tarif sind. „Warum sollten diese vielen Bestandskunden bestraft werden?“

Wechsel aus Grundtarif jederzeit möglich

Rein formell gehe es zunächst darum, die Neukunden aufzufangen, damit sie weiter versorgt werden. „Jeder Neukunde kann sich sofort um einen anderen Anbieter kümmern, wenn er oder sie ein besseres Angebot findet.“