Hagen. Die Inzidenz vollzog 2021 in Hagen eine Achterbahnfahrt. Unser Redakteur blickt zurück auf ein Corona-Jahr, das die Stadt in Atem hielt.

Wenn man sich fragt, wodurch das zurückliegende Jahr in Hagen in besonderer Weise geprägt worden ist, dann kommt man unweigerlich auf die Corona-Pandemie zu sprechen. Schon zum zweiten Mal hintereinander hat das unsichtbare Virus unserem Leben seinen Stempel aufgedrückt.

Corona hat uns zu Inzidenz-Experten gemacht. Ehrlich gesagt, vor Corona ist mir der Begriff kaum einmal untergekommen, ich habe ihn auch nie in einem Artikel gebraucht. Er bedeutete für mich so viel wie Ereignis oder Geschehnis, und es wäre mir nie in den Sinn gekommen, den Terminus Inzidenz als Synonym für einen dieser beiden Ausdrücke zu benutzen.

Inzwischen aber hat die I-Vokabel eine geradezu überragende Bedeutung gewonnen: als epidemiologischer Fachbegriff für die Anzahl der Corona-Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen bezogen auf 100.000 Einwohner. Ein bisschen kompliziert, gewiss, so kompliziert eben wie alles, was mit Corona zu tun hat.

Im Januar beginnen die Impfungen

Die Inzidenz vollzog 2021 eine Achterbahnfahrt, das Hagener Corona-Jahr begann mitten in der zweiten Welle, die zu einem harten Lockdown führte. 99,1 lautete die erste Inzidenz des Jahres, sie führte bald hinauf zu einem Wert von 219,9 am 29. Januar, danach ging die Zahl der Infizierten endlich kontinuierlich zurück.

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Der Januar war aber auch die Zeit, in der die Hagener den Mut fassten, mit der Pandemie fertig werden zu können. In den Krankenhäusern starteten die Impfungen, in den Altenheimen wurde den Bewohnern und Mitarbeitern, die sich impfen lassen wollten, bereits die zweite Dosis gespritzt. Dennoch mahnte Anjali Scholten, Leiterin des Hagener Gesundheitsamtes, zur Vorsicht: „Wir müssen weiterhin eine Durststrecke überwinden. Die Wintermonate sind eine infektbehaftete Zeit.“

Das Impfzentrum öffnet seine Pforten

Im Februar öffnete das Impfzentrum in der Stadthalle seine Pforten, und eine landesweit beachtete Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf. Denn die Einrichtung operierte ausgesprochen effektiv und impfte – gemessen an der Einwohnerzahl Hagens – so viele Menschen wie kein anderes Impfzentrum im Land. Zunächst erhielten nur die über 80-Jährigen einen Termin, nach und nach folgten die anderen Altersgruppen.

Die Schüler der 8. Klasse von Lehrerin Katia Thonfeld am Theodor-Heuss-Gymnasium Hagen sprechen sich im Oktober für das Tragen von medizinischen Masken im Unterricht aus.
Die Schüler der 8. Klasse von Lehrerin Katia Thonfeld am Theodor-Heuss-Gymnasium Hagen sprechen sich im Oktober für das Tragen von medizinischen Masken im Unterricht aus. © WP | Michael Kleinrensing

Im Frühjahr und Sommer wurden täglich mehr als 1500 Menschen geimpft – wäre mehr Impfstoff verfügbar gewesen, hätte das Team um den ärztlichen Leiter Dr. Rolf Kinzius und den organisatorischen Leiter Lars Stein noch mehr geschafft: „Es ist ein stressiger Job, aber wir machen den alle mit Herzblut“, beschrieb Stein den Zusammenhalt der 70 Mitarbeiter, die in jeder der zwei täglichen Schichten zusammenwirkten.

Die Alpha-Variante gewinnt die Oberhand

Doch noch so viel Engagement hatte allerdings nicht verhindern können, dass die mutierte Alpha-Variante des Virus die Oberhand gewann und die dritte Welle auslöste, noch ehe die zweite so richtig vorüber war. Erst im Mai entspannte sich die Situation zusehends. Am 24. Februar war die Inzidenz in Hagen auf 88,0 gesunken, um sich bis zum 16. April auf 290,4 hochzuschaukeln.

Die Maskenpflicht, die der Hagener Krisenstab für alle öffentlichen Bereiche rund um den Hauptbahnhof, auf dem Bahnhofsvorplatz, in der Innenstadt, in den Stadtteilzentren von Boele, Haspe, Hohenlimburg und Elsey sowie in einem Umkreis von 50 Metern rund um Schulen und Kindergärten bereits im Oktober 2020 beschlossen hatte, wurde immer wieder verlängert und erst im Juni aufgehoben.

Im Sommer scheint die Pandemie vorüber

Erst im Mai ebbte die dritte Welle endgültig ab, die Infektionszahlen sanken und sanken, und es folgte ein Sommer, der uns fast vergessen ließ, dass es ein Virus gab, das unsere Gesundheit und unser Zusammenleben bedrohte und das möglicherweise noch so manche Mutante im Köcher hatte. Indes lag die Inzidenz am 7. Juli bei 4,2.

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Das Virus schien besiegt, die Pandemie vorüber. Die Menschen in Hagen waren Corona-müde, zumal die Jahrhundertflut Mitte Juli alle Aufmerksamkeit beanspruchte. Die bereits zugelassene, wenngleich noch nicht durch die Ständige Impfkommission empfohlene Impfung für 12- bis 17-jährige Jugendliche traf kaum auf Resonanz.

Pessimistische Prognosen bewahrheiten sich

Allerdings wies der bekannte Hagener Kinderarzt Dr. Gerhard Koch schon damals, als die Inzidenz im einstelligen Bereich verharrte, darauf hin, dass die Impfung von Kindern und Jugendlichen von großer Bedeutung sein könnte, um die angestrebte „Herdenimmunität“ zu erreichen.

Im Februar ist Hagen bereit für die Impfung gegen Covid-19: Im Impfraum des Impfzentrums besprechen Koordinatorin und Ärztin Michaela Kinzius, Anjali Scholten (Leiterin des Gesundheitsamtes) und Gerhard Koch, stellvertretender medizinischer Leiter des Impfzentrums, letzte Einzelheiten.
Im Februar ist Hagen bereit für die Impfung gegen Covid-19: Im Impfraum des Impfzentrums besprechen Koordinatorin und Ärztin Michaela Kinzius, Anjali Scholten (Leiterin des Gesundheitsamtes) und Gerhard Koch, stellvertretender medizinischer Leiter des Impfzentrums, letzte Einzelheiten. © WP | Michael Kleinrensing

Wissenschaftler gingen inzwischen davon aus, dass wegen der ansteckenderen Delta-Variante 85 Prozent der Bevölkerung genesen oder geimpft sein müssten, um die Infektionskette nachhaltig zu unterbrechen. Dieses Ziel sei nur zu erreichen, wenn auch junge Leute geimpft würden, so Koch.

Schließlich bewahrheiteten sich die pessimistischen Prognosen der Epidemiologen, die stets davor gewarnt hatten, die Pandemie sei noch nicht vorbei. Die Infektionszahlen stiegen unaufhörlich, die Delta-Variante verlieh Corona noch einmal einen neuen Schrecken.

Neuer Höchststand am 8. Dezember

Das Impfzentrum, das bereits geschlossen worden war, öffnete wieder, viele Hagener haben inzwischen die dritte, die Auffrischungsimpfung erhalten. Am 8. Dezember erreichte die Inzidenz in Hagen mit 472,7 einen neuen Höchststand, und die Stadt meldete, dass ein Sechstel aller Corona-Toten in Hagen geimpft gewesen sei.

Wo die Reise hinführt, bleibt abzuwarten. Mit Omikron ist schon die nächste Variante des Virus aufgetaucht. Wie es scheint, könnte auch 2022 ein Jahr werden, dem das unsichtbare Virus seinen Stempel aufdrückt und in dem der Begriff der Inzidenz seine schwerwiegende Bedeutung behalten wird.