Hagen. Die Polizei Hagen erfasst 535 Cannabis-Verstöße Die Drogenhilfe der Stadt ist für eine kontrollierte Abgabe und eine Entkriminalisierung.
Was in Berlin diskutiert wird, hat Auswirkungen auf Hagen: 535 Verstöße, die in Zusammenhang mit Cannabis stehen, hat die Polizei in 2020 erfasst. Wenn die neue Bundesregierung ihre Pläne umsetzt und die Droge künftig kontrolliert (und damit auch auf legalem Wege) abgegeben wird, hat das auch für die Drogenfahnder der Hagener Polizei Konsequenzen.
Eine etwas andere Sicht auf das, was unter dem Schlagworten „Legalisierung“ oder „Freigabe“ diskutiert wird, hat man indes bei der Drogenberatung der Stadt Hagen. Hier ist die Rede von einer differenzierten Betrachtung und einer notwendigen „Entkriminalisierung“.
Die Szene
Von bisher drei größeren Einsätzen gegen örtliche Dealer im Jahr 2021 spricht Polizeisprecher Sebastian Hirschberg. Allerdings macht er auch deutlich: „Die Sicherstellungen lagen jeweils unterhalb eines Kilogramms. Organisierte Täterstrukturen waren nicht erkennbar. Viele Kleindealer nutzen den Verkauf von Drogen zur Finanzierung ihrer eigenen Sucht oder ihres Lebensunterhalts.“
Gleichzeitig macht Hirschberg darauf aufmerksam, dass eines der Behördenziele die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität am Hauptbahnhof sei. „Dazu zeigen wir Präsenz in Uniform und schreiten auch durch Zivilfahnder konsequent mit einer Null-Toleranz-Strategie ein.“ Eine klassische Drogenszene für Cannabisprodukte existiert auch aus Sicht der kommunalen Drogenhilfe nicht. „Die Droge ist über das Internet oder Ameisenverkehr in die Niederlande komplett verfügbar“, so Bernhard Titze, Leiter der Kommunalen Drogenhilfe der Stadt Hagen, „die Weitergabe der Substanzen erfolgt häufig im Freundes- und Bekanntenkreis.“ Die Droge werde quer durch alle Gesellschaftsschichten konsumiert.
Die Zahlen
Die Verstöße in den letzten Jahren variieren minimal. 2017 waren es 561, 2018 waren es 433, 2019 wieder 470 und zuletzt 535. „Es handelt sich um ein Kontrolldelikt“, erklärt Hirschberg. „Delikte werden also fast nur bekannt, wenn die Polizei überprüft und fahndet.“ Hohe Zahlen sprächen also für einen hohen Kontrolldruck durch die Polizei.
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Der Einstieg
Cannabis selbst sieht die Polizei nach wie vor als Einstiegsdroge. Erstkonsumenten seien teilweise erst zwischen 14 und 15 Jahren alt. Das Gros derjenigen, die Cannabis konsumierten, sei zwischen 17 und 30 Jahren alt. Teilweise werde Cannabis parallel mit anderen Drogen konsumiert. Für Bernhard Titze, ist Cannabis bislang höchstens der Einstieg in den illegalen Bereich – „aber auch nur, weil sie als illegal definiert“ werde. „Klassische Einstiegsdrogen – wenn man überhaupt davon reden will – sind aus unserer Sicht Alkohol und Nikotin.“
Die Schulen
Nach Angaben der Polizei werden nur sehr wenig Verfahren wegen des Besitzes und Handeltreibens an Schulen geführt. „Natürlich ist anzunehmen, dass auch an Schulen in geringem Maße von einzelnen Personen Handel getrieben wird“, so Hirschberg, „aber durch die Schulen wird jeder aufgefallene Schüler über unsere Jucops angezeigt. Von daher ist festzustellen, dass Dealen und Konsum von Cannabis während der Schulzeiten kaum eine Rolle spielen.“
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Schulhöfe selbst würden häufig als Treffpunkte von Jugendlichen und Heranwachsenden genutzt. „Hier werden hin und wieder bei Kontrollen auch entsprechend geringe Mengen, der sogenannte Eigenbedarf, an Cannabis gefunden“, so Hirschberg. Der Blick der Experten der Drogenhilfe sieht indes anders aus: „Der Konsum an Schulen insbesondere im Bereich der Sekundarstufe II und an Berufsschulen wird erheblich unterschätzt“, sagt Bernhard Titze. „Schule und Lehrer sind nicht ausreichend sensibilisiert und geschult.“ Im Bereich der Kommunalen Drogenhilfe stehe hierfür eine Präventionsfachkraft bereit.
Die Einschätzung
Die Polizei Hagen hält sich zunächst an (noch) geltendes Recht und will die Pläne der neuen Bundesregierung nicht näher kommentieren. Die Kommunale Drogenhilfe spricht sich für eine Versachlichung der Diskussion aus. Eine Entkriminalisierung sei wichtig: „Wir diskutieren ja nicht über eine generelle Freigabe. Modelle, bei denen beispielsweise Cannabis an Minderjährige verteilt wird, gibt es nirgendwo. Es wird vermutlich zunächst Modellregionen geben, in denen eine Abgabe unter staatlicher Aufsicht stattfindet. Jeder, der kaufen möchte, wird sich ausweisen müssen.“ Nur durch eine kontrollierte Abgabe lasse sich letztlich ein Schwarzmarkt in den Griff bekommen, auf dem keineswegs klar sei, welche Qualität das Angebotene Cannabis habe. Gleichwohl bleibe Cannabis ein Droge, die Menschen abhängig machen könne. „Und um diese Menschen müssen wir uns weiter intensiv kümmern“, so Titze weiter.