Breckerfeld/EN-Kreis. Vor dem Landgericht Hagen muss sich ein 20-Jähriger verantworten. Er soll in einer Werkstatt in Breckerfeld einen Gevelsberger getötet haben.
Es ist ein Prozess, über den die Hansestadt Breckerfeld spricht. Es geht um den gewaltsamen Tod eines Gevelsbergers. Doch der Angeklagte (20), den Wachtmeister mit 27-minütiger Verspätung in den Gerichtssaal führen, wirkt wie von einem anderen Stern. Er soll den Inhaber einer Auto-Reparaturwerkstatt in Breckerfeld umgebracht haben.
Ohne erkennbare Reaktion
Angesichts des harten Vorwurfs, keine äußerlich erkennbare Reaktion. Mal starrt er auf die Tischplatte vor sich, mal stiert er, offenbar abwesend, Löcher in die Luft. In den nächsten dreieinhalb Stunden muss ihn sein Verteidiger Martin Düerkop immer wieder anstupsen – damit er nicht einschläft.
9.58 Uhr, Saal 201, Landgericht Hagen. Es tagt die große Jugendstrafkammer. Der 20-Jährige, im rostbraunen Nicki-Pulli und mit schneeweißer Corona-Maske, wird, begleitet von mehreren Justizwachtmeistern, hereingeführt. Er trippelt, denn er trägt Fußfesseln. Um die Knöchel seiner Füße hängt eine kurze Kette, sodass seine Beine kaum auseinander können. An seinen Handgelenken blitzen Schellen aus Metall: Auch die Arme werden zusammengehalten. Der Angeklagte wird gefilmt, fotografiert und angestarrt.
Viele Journalisten im Hagener Gerichtssaal
Es hat was von einer Manege. Nur wenige privat interessierte Zuschauer sitzen im Saal, dafür umso mehr Journalisten. Staatsanwältin Miriam Strunk verliest ihre knappe Anklageschrift. Darin wirft sie dem Angeklagten aus Hemer vor, am 6. Juli gegen 23.35 Uhr den Besitzer (57) einer Autowerkstatt an der Egenstraße umgebracht zu haben. Durch 23 Stich- und Schnittverletzungen mit einem Küchenmesser. Der Angeklagte hätte „als Heranwachsender einen Menschen getötet, ohne Mörder zu sein“. Also Totschlag.
Verteidiger Düerkop erklärt, wie bereits im Vorfeld angekündigt, der Angeklagte wolle, wie gehabt, zunächst nichts zu den Vorwürfen sagen. Er befindet sich seit seiner Festnahme am 5. August in der Justizvollzugsanstalt Herford. In den 131 Tagen in U-haft wurde aus seinem flusigen Bärtchen ein Vollbart.
Angeklagter zeigt Verhaltensauffälligkeiten
Der 20-Jährige hat sich seitdem nicht nur optisch verändert: Der Vollzugsdienst hatte in der letzten Zeit „zunehmend Verhaltensauffälligkeiten“ bei ihm bemerkt. In Gesprächen wirke er sehr bedrohlich, führe er laute Selbstgespräche, schreie, laufe unruhig in der Zelle herum, springe auf die Heizung und sei insgesamt unberechenbar.
Deshalb seien dringend Hand- und Fußfesseln und ein Bauchgurt anzuraten. Um einen störungsfreien Ablauf der Verhandlung zu gewährleisten, hatte Richterin Heike Hartmann-Garschagen daraufhin im Vorfeld die Fesselung angeordnet. Ihr sei klar, dass es sich dabei um den stärksten Eingriff in die Bewegungsfreiheit eines Betroffenen handele und um einen Grundrechtseingriff von erheblichem Gewicht. Aber die Sicherheit der Verfahrensbeteiligten könnte anders nicht erreicht werden, befand die Richterin. Der Prozess wird fortgesetzt.