Hagen. Die Folgen der Jahrhundertflut in Hagen sind noch längst nicht aufgearbeitet. Jetzt wird die Hilfe zentral gebündelt.

Für die Opfer des Jahrhunderthochwassers in Hagen soll mit der Einrichtung einer zentralen Flutopferhilfe vieles einfacher werden.

Die freien Wohlfahrtsverbände und die Stadt haben am Dienstag eine gemeinsame Anlaufstelle eingerichtet, die Betroffenen beim Ausfüllen von Formularen über die Bereitstellung von Geld und technischer Unterstützung bis hin zu psychosozialer Hilfe in jeder erdenklichen Weise beistehen soll. „Wir haben unsere Kompetenzen gebündelt und arbeiten alle mit dem gleichen Ziel: den Opfern so gut es geht zu helfen“, so Bernadette Rupa, Geschäftsführerin des Caritasverbandes in Hagen und Sprecherin der der Hagener Wohlfahrtsverbände.

Die Stadt Hagen wird ihre bisherige Beratungsstelle für Flutopfer am Haus Busch in Helfe aufgeben und ihre Mitarbeiter an den neuen Anlaufpunkt, der sich an der Ecke Körner-/Grabenstraße befindet, entsenden. „Es macht ja Sinn, unterschiedliche Hilfen zu koordinieren sowie den Betroffenen eine gemeinsame Anlaufstelle zu bieten“, sagt Stadt-Sprecherin Clara Treude. Weitere zentrale Beratungsstellen entstehen Mitte November in Hohenlimburg (Bahnstraße) und in Altena.

Mindestens bis Ende 2022 geöffnet

Vielen Betroffenen sei in den Wochen nach der Flut Soforthilfe gewährt worden, so Birgit Buchholz, Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Nun gehe es darum, die Schäden der Betroffenen zu dokumentieren und zu ersetzen: „Das kann einige Jahre dauern.“ Die Beratungsstelle werde deshalb bis mindestens Ende 2022 geöffnet bleiben.

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Die Schadenswiedergutmachung ist auch deshalb so langwierig, weil jeder Fall individuell aufgearbeitet werden muss. Die Schäden sind vielschichtig, es gibt kein Schema F, nach dem die Unterstützung bürokratisch-routinemäßig eingeräumt werden kann. Und die Berater würden sich auch um jeden Einzelfall kümmern, versprach der Hagener Landtagsabgeordnete Wolfgang Jörg, der bei der Gründung mit im Boot war: „Die Einrichtung ist aus Sicht der Opfer organisiert worden. Das sollte auch jenen Menschen Mut machen, deren Anträge bislang ohne Begründung abgelehnt oder die mit ihren Sorgen abgewimmelt wurden.“

Kompliziert auszufüllende Formulare

Hinzu kommt, dass das Ausfüllen der Antragsformulare für Aufbauhilfe mitunter eine äußerst komplizierte Angelegenheit ist, der längst nicht jeder gewachsen ist. „Das ist vergleichbar mit einer Steuererklärung“, umschreibt Martin Wehn, Geschäftsführer der Diakonie, das Formblatt-Geflecht.

Die Berater helfen beim Ausfüllen und richten jenen Opfern, die kein Smartphone geschweige denn ein größeres Endgerät besitzen, eine personalisierte Email-Adresse ein, ohne die ein Antrag erst gar nicht möglich ist. Die umfangreiche Dokumentation habe aber auch ihr Gutes, so Jörg: „Nämlich, dass alles korrekt und transparent abläuft. Das ist sicherlich auch im Sinne der Spender.“

Zahlt die Versicherung oder nicht?

Generell gilt: Wer gegen Elementarschäden versichert ist, dessen Versicherung muss einspringen. Allerdings würden viele Versicherungen versuchen, sich vor ihren Verpflichtungen zu drücken und Ansprüche abzuwimmeln: „Auch in solchen Fällen helfen unsere Berater.“

Wer nicht versichert ist, kann staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, die maximal 80 Prozent des Schadens ersetzen. Nach Prüfung des Einzelfalls kann der erforderliche Eigenanteil von 20 Prozent aus Spendenmitteln gedeckt werden. Bei all diesen umfangreichen Vorgängen erfahren Flutopfer in der neuen Einrichtung Unterstützung.

Gut vorbereitet zum Termin

Eine Beratung ist nur nach vorheriger Terminabsprache möglich, da jede Antragstellung Zeit in Anspruch nimmt.

Hilfesuchende können ihren Besuch vorbereiten, indem sie folgenden Unterlagen mitbringen: E-Mail-Adresse zur Registrierung, Personalausweis, Steuer-Identifikationsnummer (auch die der im Haushalt lebenden Angehörigen), Kontoverbindungsdaten, Vollmacht (falls man mit der Geltendmachung des Schadens beauftragt wurde), Angaben zum Grundstück aus dem Grundbuch, Aufstellung der Schäden oder ein Gutachten über den Schaden (ab 50.000 Euro erforderlich), Ablehnung Versicherung (sofern vorhanden), Angaben zu erhaltenen Spenden, Bescheinigung über erhaltene Soforthilfe, Antrag oder Bescheinigung über andere öffentliche Förderungen, Planungsunterlagen für den Wiederaufbau.

Wichtig: Wer nicht in eine der Beratungsstellen kommen kann, den suchen die Mitarbeiter daheim auf. Anonymität ist natürlich oberstes Gebot. Wer sich schäme, staatliche Hilfe zu beantragen, der müsse wissen, dass er darauf einen Anspruch habe, so Bernd Schumacher, Sozialpädagoge bei der AWO, der den Betroffenen auch seelische Unterstützung anbietet: „Viele begreifen erst nach und nach, was ihnen widerfahren ist.“

Denn abseits aller materiellen Wiedergutmachung seien die entstandenen Schäden nicht wirklich reparabel, sagt auch Wolfgang Jörg: „Ausgeschlossen, dass es wieder wird wie vorher.“ Das neue Hochwasserhilfe-Büro in Hagen sei auf jeden Fall eine gute Einrichtung: „Es gibt so komplizierte, juristische Einzelfälle, und da muss man, um helfen zu können, auch mal 5 gerade sein lassen.“

Auf dem städtischen Spendenkonto für die Opfer der Flut sind bislang übrigens knapp drei Millionen Euro (genau 2.950.500 Euro) eingegangen. Davon sind schon 4647 Haushalte mit einem Betrag von insgesamt 1.674.700 Euro per Barscheck unterstützt worden.

Zu erreichen ist die zentrale Hochwasserhilfe unter Tel. 02331-340 990.