Hagen. Der Klimawandel kommt: Gerade in den dicht bebauten Hagener Vierteln zeichnet sich ab, dass die Situation künftig „bedenklich wird“.

Die Flutkatastrophe hat kürzlich einmal mehr vor Augen geführt, wie der Klimawandel eine Stadt treffen kann. Was oft so weit weg scheint wie Bilder von schmelzenden Eisbergen in der Arktis, betrifft die Hagener nun vor der eigenen Haustür.

Und ein Blick in die Zukunft zeigt, dass es mit den Extremen nicht besser wird. Im Gegenteil: Neben möglichen Starkregenereignissen werden vor allem die Hitzetage häufiger. Die Städte erwärmen sich weiter. Und gerade in den dicht bebauten Hagener Vierteln zeichnet sich ab, dass die Situation künftig „bedenklich wird“, wie Jörg Wittkowski vom Umweltamt noch schonend umschreibt: Im Schnitt 30 bis 36 Tage im Jahr mit Temperaturen über 30 Grad werden im Klimaanpassungskonzept der Stadt für einige Gebiete prophezeit.

Besonders betroffene Stadtviertel

Besonders betroffen: das Stadtzentrum, Teile von Haspe, Elsey, Altenhagen, des Hochschulviertels sowie die Gewerbegebiete entlang der Flüsse – „und in ganz besonderem Maße Wehringhausen-Ost“, so Wittkowski. Wehringhausen-Ost zählt in Hagen zu einem der am dichtesten bebauten Gebiete mit einem besonders hohen Versiegelungsgrad und gerade einmal 14 Prozent Grünfläche.

„Hinzu kommt, dass hier viele soziale Infrastruktureinrichtungen – Kitas oder Seniorenheime – im Stadtteil angesiedelt sind und hier viele Senioren oder empfindliche Bevölkerungsgruppen leben, die besonders von Hitzeauswirkungen betroffen sein können“, erklärt Wittkowski. Mit der Redaktion wirft er einen Blick in die Zukunft.

Höchste Priorität in Wehringhausen

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In dem Konzept, das die Stadt gemeinsam mit der Technischen Universität Dortmund sowie dem Regionalverband Ruhr erarbeitet hat, werden den Stadtteilen verschiedene Prioritätsstufen zugewiesen, die vor allem eine Orientierung geben sollen, wenn es um zügigen Handlungsbedarf geht. Der Schwerpunkt liegt mit sehr hoher Priorität auf Wehringhausen-Ost. „Die Belüftungssituation muss verbessert werden. Es müssen weitere Grünflächen und Wasserflächen sowie Verschattungen geschaffen werden“, gibt Wittkowski Einblicke.

Insbesondere rund um den Wilhelmsplatz. Die geringsten Abkühlungseffekte gibt es nachts zudem in der Bachstraße, Lange Straße und Gummertstraße. Immerhin eine hohe Priorität liegt für die Stadt rund um die Bereiche der Ewaldstraße (Wehringhausen) und Preußerstraße (Haspe).

Dach- und Fassadenbegrünungen sind Teil der Lösung

Wenn auch nur mit mittlerer Priorität, weisen auch die Bereiche Konkordiastraße, Bergischer Ring sowie Emilienplatz und kleinere Gebiete in Haspe künftig eine hohe Betroffenheit gegenüber Hitze auf. „Das Ziel ist, in all den Bereichen den Erhalt von Grünflächen zu stärken oder auszubauen, Innenhöfe wenn möglich zu begrünen oder Dach- und Fassadenbegrünungen vorzusehen“, sagt Wittkowski.

Als vorrangige Ziele werden im Konzept neben dem Rückbau von Siedlungs- und Gewerbeflächen eine klimaangepasste Standortwahl für hitzesensible Einrichtungen, die Förderung durchgrünter Siedlungsbereiche, der Ausbau des Hochwasser- und Überflutungsschutzes sowie eine bessere Aufklärung der Bevölkerung avisiert.

Selbst wenn es nur kleine Grün-Oasen in den Vierteln gibt – als Beispiel nennt Wittkowski das Erzählcafé in Wehringhausen, wo es im Sommer deutlich kühler ist –, können sie als Ausweichziele oder zumindest Verweilorte dienen. „Es sind natürlich auch die Wohnungsbaugesellschaften gefragt, in ihren Innenhöfen genau solche Flächen zu schaffen oder bei Sanierungen auf Verschattungsmaßnahmen zu setzen, um die Gebäude gegenüber der Hitze etwas abzuschirmen oder als Stadt zusätzliche Trinkwasserstellen zu schaffen“, so Wittkowski.

Stadt bekommt externe Hilfe

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All das klingt nach Zukunftsmusik. Und fest steht: „Das funktioniert nicht von heute auf morgen.“ Aber immerhin seit drei Jahren liegt das Konzept bei der Verwaltung bereits fertig in der Schublade. Was ist seitdem passiert?

Zum einen gibt es in Hagen mittlerweile eine Klimaschutzmanagerin. Seit Januar 2020 verstärkt die Geografin Nicole Schulte das Energie- und Klimaschutzteam des Umweltamtes. „Außerdem schaut man natürlich intensiv, ob Fördertöpfe zur Verfügung stehen, beispielsweise ,Klimaresilienz in Kommunen’“, so Wittkowski. Dort werden Fassaden- und Dachbegrünungen mit bis zu 100 Prozent gefördert.

Bis eine Maßnahme Wirkung zeigt, dauert es lange

Vor allem aber fehlte es bislang an einem „Kümmerer“ sowie finanziellen Mitteln, um Maßnahmen umzusetzen. „Aktuell beteiligen wir uns am ,European Climate Adaption Award’. Über vier Jahre können wir so Unterstützung von einem Experten als Berater erhalten, um gegen den Hitzestress in der Stadt vorzugehen“, so Wittkowski.

Die gute Nachricht also: Es passiert etwas. Die schlechte: Bis etwas Wirkung zeigt, dauert es. „Dieser Prozess wird uns lange begleiten. Perspektivisch wird aber sogar der Rückbau von Gebäuden mit Blick auf die schrumpfende Bevölkerung klappen können.“

Die Firmen und das Hochwasser

Dass Extrem-Wetterereignisse auch die hiesigen Firmen treffen können, hat zuletzt die Hochwasser-Katastrophe gezeigt, die in etlichen Firmen zunächst den Betrieb beeinträchtigte oder ganz lahmlegte und ganze Gebäude zerstörte. Viele Industrie- und Gewerbebetriebe befinden sich – auch historisch bedingt – in besonders gefährdeten Bereichen und haben ihren Standort an Gewässern oder in besonders verdichteten Innenstadtlagen.

„Die Hitzebelastung ist auch in diesen Gebieten perspektivisch besonders hoch ausgeprägt“, zeichnet Wittkowski die Probleme auf. Künftig wolle die Stadt bei den Flächennutzungsplänen verstärkt darauf achten, wo sich am besten neue Betriebe ansiedeln könnten, ohne etwa einen Kaltluft-Fluss zu blockieren, Parkflächen zu entsiegeln und Grünflächen zu schaffen.