Kabel. Der Weltmarktführer will eine neue Ofenanlage nebst Werk im dreistelligen Millionen-Bereich errichten. Das Problem: Die Wasserstoff-Perspektive.
Dass das weltweit tätige Hagener Unternehmen C. D. Waelzholz ein neues Werk mit neuer Ofenanlage zur Herstellung von Elektrobändern errichten und dabei bis zu 100 Millionen Euro investieren will, hatte diese Zeitung bereits im vergangenen November berichtet. Zum damaligen Zeitpunkt begann Waelzholz mit den Prüfungen, an welchem Standort das Werk gebaut wird. Auf den zur Verfügung stehenden Flächen in Hagen-Kabel oder im Ausland? Mittlerweile hat das Unternehmen die Investition erstmal zurückgestellt. Und das hat längst nicht mehr nur mit dem deutschen Alleingang bei der CO2-Besteuerung zu tun. +++ Auch interessant: In diesen Produkten steckt ein Stück Waelzholz +++
Kompetenz weltweit hoch gefragt – Waelzholz ist wichtiger Steuerzahler
2400 Mitarbeiter weltweit. Produktionsstandorte in Europa, Nord- und Südamerika und Asien. Eine Milliarde Euro Umsatz und mit den eigenen Produkten Weltmarktführer in Sachen Innovation und Technologie. Die Kompetenz von C.D. Waelzholz, Hersteller von kaltgewalzten und wärmebehandelten Stahlbändern und einer der größten Hagener Gewerbesteuerzahler, ist gerade beim Bau von Elektromotoren in der Automobilindustrie hoch gefragt.
Denn Waelzholz kann die hochwertigen Elektrobänder herstellen, die für die elektrischen Antriebe notwendig sind. Um vom weltweiten Mehrbedarf profitieren zu können, will Waelzholz für etwas mehr als 100 Millionen Euro eine neue Ofenanlage nebst Werk errichten. In Hagen gäbe es Platz und Fläche dafür. Was Waelzholz bereits im vergangenen November umtrieb, war zunächst die energetische Frage. Allein die Elektroband-Produktion ist hoch energieintensiv. „Die Frage ist: Zu welchen Konditionen können wir Gas und Strom in 30 Jahren am Standort Hagen beziehen?“, sagte Dr. Hans-Toni Junius, Vorsitzender der Waelzholz-Geschäftsführung seinerzeit. Die europäische CO2-Bepreisung und dabei insbesondere der deutsche Alleingang würden zu einer massiven Verschärfung der Wettbewerbsnachteile führen. +++ Lesen Sie auch: So ging Waelzholz bislang durch die Corona-Krise +++
Nicht nur die CO2-Bepreisung gestaltet sich als Problem, sondern auch der Wasserstoff
Seit diesem Jahr werden deutsche Unternehmen, die Treibhausgase produzieren oder CO2-belastete Vormaterialien oder Energie einsetzen, mit Kosten für Emissionsrechte belastet. Doch Waelzholz steht noch – auch durch eigenen Anspruch – vor einer ganz anderen Herausforderung. Denn das Unternehmen will mittel- bis langfristig seine energieintensiven Arbeitsprozesse mit Wasserstoff statt mit Erdgas bewerkstelligen. „Aus unserer Sicht hilft es nichts, die CO2-Preise zu erhöhen, wenn keine Alternativen vorhanden sind“, sagt Dr. Matthias Gierse, kaufmännischer Geschäftsführer von Waelzholz. „Für uns ist einfach die Frage: Wie schaffen wir es, mit einer Veränderung der Energiebasis die Dekarbonisierung anzuschieben. Also die Abkehr vom Kohlenstoff. Wir benötigen Wasserstoffversorgung im industriellen Maßstab.“
Elektrobandofen würde 100 Lkw-Ladungen Wasserstoff am Tag benötigen
Für den neuen Elektrobandofen würde man bis zu 100 Lkw-Ladungen Wasserstoff am Tag benötigen. Das bedeutet, dass das Unternehmen gezwungen ist, die hohe CO2-Bepreisung auszuhalten und gleichzeitig wasserstofftechnisch auf der Stelle treten muss. „Vor diesem Hintergrund stellen wir die Investition in eine neue Elektroband-Ofenanlage zurück“, sagt Waelzholz-Prokurist Michael Bösebeck. Produziert werden könne weiter mit der bestehenden Anlage auf dem Gelände in Hagen. Somit erübrigt sich die Abwägung zwischen dem Hagener Standort und einem im europäischen Ausland, wo die die CO2-Bepreisung nicht greift.
Nun gibt es eine Perspektive, wie Wasserstoff ins Lennetal kommen kann
Mit dem Projekt „Zukunft RuH2r“ nähren die beiden Gasverteilnetzbetreiber Enervie aus Hagen und Westnetz aus Dortmund gemeinsam mit dem Branchenriesen Open Grid Europe aus Essen nun wenigstens die Hoffnung im Raum Hagen, Ennepe-Ruhr und Dortmund konkreter. Sie wollen zunächst in diesem Gebiet eine Wasserstoffinfrastruktur aufbauen. In der Region befinden sich nach Aussage des Projekttrios bereits leistungsstarke Wasser-, Gas- und Stromleitungsanbindung (potenzielle Übergabepunkte) zum Stromübertragungsnetz – was für die Herstellung von grünem Wasserstoff durch regenerative Energien wichtig ist.
Aus dem Hagener Raum haben mit den Kaltwalzunternehmen Bilstein und Waelzholz, dem Logistiker H2 Green Power & Logistics, dem Papierhersteller Kabel Premium Pulp & Paper und Thyssenkrupp Hohenlimburg Unternehmen ihre konkrete Absicht bekundet, Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Produktion einsetzen zu wollen.
Umsetzung auf zwei Wegen: Auch neue Leitungen sollen gebaut werden
Der Aufbau der Infrastruktur soll auf zwei Wegen passieren: Der Nutzung vorhandener Kapazitäten im Gasleitungsnetz und dem Neubau von reinen Wasserstoff-Leitungen. Hier werde geprüft, heißt es von Open Grid Europe: „Unsere vorhandene Infrastruktur in Deutschland kann mit geringen Anpassungen auch dem Transport von Wasserstoff dienen. 31,5 Millionen Menschen sind in Deutschland an das Verteilnetz für Gas angeschlossen. Durch dieses Netz werden darüber hinaus 1,6 Millionen industrielle Betriebe versorgt.“