Priorei. Bundeskanzlerin Merkel besucht nach der Flut den Ortsteil Priorei und kommt mit den Anwohnern ins Gespräch. So lief die Kanzlerinnen-Visite.

Merkel und Laschet im Gespräch mit den Anwohnern der Osemundstraße.
Merkel und Laschet im Gespräch mit den Anwohnern der Osemundstraße. © Westfalenpost | Mike Fiebig

Bundeskanzlerin Angela Merkel hört zunächst gebannt zu, was die Fachleute und Ingenieure ihr erzählen. Dann richtet sich ihr Blick den Hang hinauf zum Haus Nummer 22. Da stehen die Anwohner am Gartenzaun. Niemand hatte sich gewagt, dazwischen zu rufen. Merkel schreitet ein paar Meter Richtung Zaun. „Hallo, Sie alle. Da haben sie wirklich etwas durchgemacht“, sagt die Kanzlerin. Unter den Anwohnern steht das Paar Leonie Haux und Sven Müller, die hier in den letzten Wochen einen Gaffer- und Katastrophentourismus erleben. Sie schildern Merkel, was geschehen ist. „Umso schöner, dass hier vor ihrem Haus der Wiederaufbau begonnen hat“, sagt die Kanzlerin. Die mächtigste Frau Deutschlands besuchte gestern die Osemundstraße in Priorei, wo der Epscheider Bach am 14. Juli die Straße hinauf nach Breckerfeld verschwinden ließ.

7999 Tage war es gestern her. 21 Jahre und 328 Tage. So lange hatte kein Kanzler mehr Hagen besucht. Gerhard Schröder war am 12. Oktober zuletzt per Hubschrauber an die Hoheleye geflogen worden, wo an diesem Tag sein Freund, der Hagener Maler Emil Schumacher beigesetzt worden war. Nie war Helmut Kohl in Hagen gewesen. Willy Brandt hatte hier unter anderem die Sauerlandlinie 1971 eröffnet. Konrad Adenauer und Ludwig Erhardt waren in den 50er- und 60er-Jahren zum Wahlkampf hier. Dass also der Regierungschef Hagener Boden betritt, ist höchstselten. Gestern tat es Angela Merkel. Wenige Tage, bevor ihre 16-jährige Amtszeit endet.

Auf dem Weg zur Regionalkonferenz

An der Osemundstraße, an der vom Wasser zerstörten Landstraße 701 hinauf nach Breckerfeld, stieg sie aus einer schwarzen Limousine. An ihrer Seite NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Der Besuch war zwar geheim gehalten worden, doch im Dorf hatten die Menschen es längst rausbekommen, nach dem angekündigt war, dass Merkel auf ihrer Fahrt von Schalksmühle Richtung Hagener Stadthalle, wo später die Regionalkonferenz für die Wiederaufbauhilfe schwer flutgeschädigter Kommunen stattfand, aussteigen würde. Fachleute von Straßen NRW erklärten Merkel den Tunnelbau am Epscheider Bach, der künftig das Gewässer zähmen soll. Es ist NRW-weit die erste Baustelle, an der man Wiederaufbau nach der Flut sehen kann. „Sie haben hier zügig gearbeitet“, lobte Merkel die Fachleute. Laschet hielt sich eher zurück, hörte zu.

„Hier im Volmetal war es der unglaubliche Zusammenhalt, der die Leute durchgebracht hat“

Merkel blickt von oben herab auf das, was am Epscheider Bach mittlerweile neu gebaut wurde.
Merkel blickt von oben herab auf das, was am Epscheider Bach mittlerweile neu gebaut wurde. © WP | Michael Kleinrensing

Eine Stunde zuvor war der Merkel-Besuch in der Nachbarschaft der Osemundstraße schon diskutiert worden. Dass eine Hundertschaft der Polizei das Gelände für den Kanzlerinnen-Stopp gesichert hatte, war aufgefallen. Hinter dem Bahnübergang hatte die Polizei die Straße gesperrt. Sabine Dramsch und ihr Mann Vi van Hagedorn leben genau neben der Stelle, wo der Epscheider Bach am 14. Juli zu einem reißenden Fluss geworden war. Die Markierung des einstigen Jahrhunderthochwassers wirkte wie ein Witz im Vergleich zu dem Pegelstand, der nun erreicht wurde. Dass Merkel und Laschet die Stelle besuchen, finden die beiden und ihre Nachbarn lobenswert. „So ein Besuch kommt dennoch spät. Hier im Volmetal waren es wirklich der unglaubliche Zusammenhalt, der TuS Volmetal, die Hilfe der Bundeswehr und die Nachbarn, die den Menschen hier in der ersten Zeit geholfen haben. Das ist die eigentliche große Leistung“, sagt Sabine Böttcher.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im Gespräch mit den Anwohnern der Osemundstraße.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im Gespräch mit den Anwohnern der Osemundstraße. © Unbekannt | Mike Fiebig

Als Merkel, Laschet, Regierungssprecher Steffen Seibert, ein Tross von Personenschützern und Begleitern später gegenüber die Baustelle besichtigen, mischen sich die Nachbarn dennoch ein. „Frau Bundeskanzlerin, wir würden gern mit ihnen reden. Aber der Bach rauscht so laut, vielleicht könnten Sie rüberkommen“, ruft ein Anwohner. Merkel und Laschet tun das. Sie hören zu, nehmen auf, was die Anwohner nach der Flutkatastrophe schildern. Dann gibt es aus dem Hintergrund den Hinweis, dass die Zeit drücke und die Kolonne weiter zur Hagener Stadthalle müsse. „Ich wünsche ihnen alles Gute“, sagt Merkel zu den Anwohnern.

Als sie wieder in den Wagen steigt, säumen vor dem Bahnübergang Anwohner aus Priorei den Straßenrand. Ein junger Mann hat sich unübersehbar an der Bordsteinkante aufgebaut. Seine Haltung wirkt stolz. Brust raus, Kopf oben, die Arme durchgestreckt. Er hält ein Schild in den Händen, auf denen in großen Buchstaben „Priorei“ steht. So, als wolle er der Kanzlerin sagen: Wir haben das hier zusammen geschafft. Die Flut war schlimm, hat den Dorfzusammenhalt aber nicht gebrochen. Das steht auch auf dem Leinentuch am Straßenrand, an dem Angela Merkel durch Dahl vorbeifährt: „Das Volmetal hält zusammen“.