Hagen. Die Honigbiene ist vom Insektensterben weniger gefährdet als ihre wilden Verwandten, die Wildbienen. Deren Rückgang ist auch in Hagen dramatisch.
Die Imker in Hagen müssen sich um den Fortbestand ihrer Bienenvölker keine Sorgen machen. Die Zahl der fleißigen Honiginsekten steigt. Jörg Tysarzik, Bienensachverständiger und Schulungsreferent des Deutschen Imkerbundes, schätzt, dass es derzeit rund 1000 Völker sind, im Veterinäramt sind 213 Bienenhalter registriert.
Das mag überraschend klingen angesichts des gravierenden Insektenschwunds, den Naturschützer in Deutschland seit einigen Jahren beklagen. Nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) ist die Biomasse der Fluginsekten seit 1989 mancherorts um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Nicht nur die Zahl der Arten, sondern auch die der Individuen befinde sich in einem dramatischen Sinkflug. Alleine im Großraum Krefeld seien mehr als 60 Prozent der ursprünglich dort heimischen Hummelarten ausgestorben, in Düsseldorf 58 Prozent der Tagfalterarten.
Man muss nur genau hinschauen
Doch die Honigbiene ist vom Insektensterben weniger gefährdet als ihre wilden Verwandten, die Wildbienen. Deren Rückgang in Hagen lässt sich nicht so genau beziffern wie etwa in Krefeld, wo ehrenamtliche Insektenkundler des örtlichen Entomologenvereins von 1989 bis 2016 mit Standard-Flugfallen Erhebungen durchgeführt haben und drastische Bestandseinbrüche nachweisen konnten.
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Übersehen lässt sich das Massensterben aber auch in Hagen nicht, man muss nur genau hinschauen. Hinter der Biologischen Station im Haus Busch blüht eine wunderschöne Blumenwiese. Färberkamille, Klatschmohn, Kornblume und Pechnelke recken ihre Köpfe der Sonne entgegen.
Doch es fehlt etwas auf diesem scheinbar perfekten Stück Natur, nichts summt und brummt, nichts kreucht und fleucht. Es sind kaum Insekten zu sehen, keine Bienen, keine Fliegen, keine Hummeln, keine Schmetterlinge. „Ein Alarmsignal“, sagt Ralf Blauscheck, Leiter der Biologischen Station: „Eigentlich müsste es hier von Insekten nur so wimmeln. Ihre geringe Anzahl ist ein Zeichen dafür, wie schlecht es um sie bestellt ist.“
Fehlende Nahrungsquellen und fehlende Behausungen
Fehlende Nahrungsquellen und fehlende Behausungen seien der Hauptgrund für den Insektenschwund, sagt Tysarzik. Infolge der intensiven Land- und Forstwirtschaft fänden die Krabbeltiere weder genügend Futter noch einen Unterschlupf, um sich fortzupflanzen: „Andererseits will ich die Bauern nicht verteufeln, sie wollen schließlich auch leben.“
Um den Insekten wieder bessere Lebensbedingungen zu gewährleisten, werde es aber auf die Dauer nicht ausreichen, einzelne Blumeninseln oder Blühstreifen an Feldrändern anzulegen. Und auch die naturnahe Gestaltung privater Gärten sei zwar unbedingt zu begrüßen, könne aber den großflächigen Verlust von Lebensraum für Käfer und Co. nicht ausgleichen. „Mit Appellen an den Privatgärtner wird man keine ökologische Wende herbeiführen.“
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Auf die Artenvielfalt werde sich der Rückgang an Insekten langfristig jedenfalls negativ bemerkbar machen, zeigt sich Tysarzik überzeugt: „Weil es an Bestäubern fehlt.“ Die Fernsehbilder aus China, wo es in einigen Regionen infolge ungehemmten Pestizideinsatzes überhaupt keine Insekten mehr gibt und die Obstbäume von Menschen per Hand bestäubt werden müssen, sind für ihn Schreckensszenarien. Ob es in Europa auch einmal so weit kommen wird?
Artenreiche Blühflächen in Hagen
Am Insektenhotel im Park der Biologischen Station lässt sich erahnen, was biologische Vielfalt bedeutet. Die Holz-, Lehm- und Schilfwände ziehen zahlreiche Arten an, Wildbienen, Hummeln, Käfer, Florfliegen, Ohrwürmer und alle möglichen Wespen sind darunter. Dies wird den Insektenschwund nicht stoppen, zeigt aber, welche Artenvielfalt es einmal gab.
Die Volksinitiative Artenschutz
Mehrere hundert Hagener haben durch ihre Unterschrift bislang die Volksinitiative Artenschutz unterstützt. Das erklärte auf Anfrage Fabian Gärtner, Vorstandsmitglied der Hagener Ortsgruppe des Naturschutzbundes Deutschland (NABU).
Die Volksinitiative Artenschutz wurde vom NABU und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gestartet. Bis Juli wurden 115.000 Unterschriften gesammelt, mit denen das Anliegen förmlich in den Landtag eingebracht wurde.
Die dazu notwendige formale Hürde von 66.000 Unterschriften hat die Initiative also deutlich überschritten.
Auf möglichst vielen kommunalen Flächen sollen in naher Zukunft artenreiche Blühflächen entstehen, die einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz leisten. Sie sind Teil eines im Frühjahr gestarteten Pilotprojektes, mit dem der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) bezahlbare ökologische Konzepte für insektenfreundliche öffentliche Grünflächen im Stadtgebiet erforschen will.
Damit man auch in Hagen in einigen Jahren genauer weiß, welches Ausmaß das Insektensterben angenommen hat.