Vorhalle. Es ist Zeichen für Akzeptanz und für Integration - das muslimische Waschhaus in Hagen-Vorhalle, das nun fertiggestellt ist.

Es ist etwas ganz Besonderes, das hier in Vorhalle entstanden ist. Ein Zeichen für Akzeptanz, für Integration, ein verständnisvolles Miteinander der Kulturen, wenn man so will. Modern, schlicht, pietätvoll, egal aus welcher Richtung man es betrachtet. Das muslimische Waschhaus auf dem Vorhaller Friedhof fällt auf, besticht durch die moderne und ungewöhnliche Gestaltung. ,,Ich bin stolz, dass ich dieses Projekt, bei dem Hagen sicherlich Vorreiter ist und welches in meinen Augen ein tolles Zeichen für Integration in der eigenen Stadt ist, begleiten durfte‘‘, sagt Projektingenieur Patrick Bänsch vom Wirtschaftsbetrieb Hagen, der das 400.000-Euro-Projekt mit Architektin Jutta Heinze begleitet hat.

Modern, schlicht, ungewöhnlich: das muslimische Waschhaus in Vorhalle.
Modern, schlicht, ungewöhnlich: das muslimische Waschhaus in Vorhalle. © WP | Laura Handke

Auch für ihn war das Neuland: ,,Ich habe schon viele Projekte begleitet, aber hier standen plötzlich ganz andere Dinge im Mittelpunkt.“ Beispielsweise, dass die Toiletten parallel zu Mekka ausgerichtet sind, genau wie der Waschtisch, auf dem die Körper der Verstorbenen gewaschen werden und ein Musalla­, also ein Verabschiedungstisch, im Freien, vor dem die Abschiedsgebete stattfinden.

Ja, dieses Projekt war anders als so viele, die Patrick Bänsch begleitet hat. Auch, weil es Waschhäuser wie dieses in Vorhalle nicht häufig gibt. „Man müsste bis nach Essen fahren, um ein ähnliches Angebot zu finden“, sagt Sükrü Budak. Er hat das Projekt mit dem Integrationsrat in seiner Zeit als Vorsitzender mit aus der Taufe gehoben. „Das war längst überfällig“, sagt er heute mit Blick auf die vielen Muslime, die in der Volmestadt leben. „Während die erste Generation oft noch eine Bestattung im Heimatland wünschte und der Leichnam überführt wurde, ist das mittlerweile anders“, sagt Hakan Severcan, Vorsitzender des Integrationsrates. „Die Kinder und Enkelkinder der ersten Generation leben mittlerweile hier. Daher braucht es hier auch würdevolle Bestattungsmöglichkeiten.“

Beisetzung im Leinentuch

Das Waschhaus hat barrierefreie Zugänge, liegt inmitten der muslimischen Grabfelder, die es schon länger auf dem Friedhof in Vorhalle gibt. Zwei Eingänge eröffnen Einblicke in eine ganz andere Art der Bestattung, als sie viele kennen.

Auf dem Waschtisch wird der Leichnam vor der Beisetzung gewaschen.
Auf dem Waschtisch wird der Leichnam vor der Beisetzung gewaschen. © Unbekannt | Laura Handke

An der rechten Seite des Gebäudes befindet sich eine große Holztür. Es ist die Eingangstür für Familien und Angehörige. Zum Waschraum. Hier wird der Leichnam gewaschen.

„Muslimische Bestattungen finden möglichst schnell nach dem Tod statt. Wenn es geht, sollten nicht mehr als drei Tage dazwischen liegen“, erklärt Özlem Basöz, die ebenfalls im Integrationsrat sitzt. Mit Hilfe eines Rollwagens wird die Leiche in den Waschraum transportiert. Hier wird sie gewaschen, in ein weißes Leinentuch eingehüllt und in einen Sarg gebettet. Durch eine Zwischentür gelangt man wieder ins Freie. Auf einen überdachten Platz, auf dem Angehörige und Freunde Abschied nehmen können, gemeinsam mit dem Imam beten, die Toten auf ihrem letzten Weg begleiten. Nur im Leinentuch, ohne Sarg, findet dann auch die Beisetzung statt.

Interesse auch überregional

Im Freien finden die Abschiedsgebete gemeinsam mit einem Imam statt.
Im Freien finden die Abschiedsgebete gemeinsam mit einem Imam statt. © Unbekannt | Laura Handke

Die Trauergäste gelangen über die linke Seite des Gebäudes zum Abschiedsplatz. Hier finden sich ein WC und vier Waschstellen für die rituellen­ Waschungen der Gäste: „Sie waschen hier ihre Hände und Füße“, sagt Sükrü Budak.

1000 weitere muslimische Grabstellen geplant

Die Verwaltung des Waschhauses wird künftig von der Friedhofsverwaltung übernommen. Dadurch kann gewährleistet werden, dass alle Muslime, egal welcher Glaubensrichtung, das Gebäude nutzen können. Anders als bei anderen Waschhäusern sind sie nicht auf die Mitgliedschaft in einem bestimmten Moscheeverein angewiesen.Perspektivisch soll auch die Fläche der muslimischen Grabfelder wachsen: „Aktuell gibt es 351 vergebene Grabstellen“, sagt Martin Kümper vom WBH. Neben dem Waschhaus befindet sich ein großes, bislang ungenutztes Areal: „Hier sollen künftig etwa 1000 neue muslimische Grabstellen entstehen“.Die Nutzung des Waschhauses kostet 225 Euro, für die Waschutensilien (Leinentuch, Seife sowie je zwei Einwegschürzen und Überziehschuhpaare) wird eine Gebühr von 30 Euro erhoben. Die Überlassung einer Einzelgrabstätte für eine Tuchbestattung kostet 998 Euro, für die Durchführung der Tuchbestattung werden 465 Euro veranschlagt.

Der Friedhof in Vorhalle sei als Standort optimal gewesen: „Wir hatten hier den entsprechenden Platz. Außerdem bot sich die Lage aufgrund der Nähe zu den muslimischen Grabfeldern an“, erklärt Bänsch, der auch noch einmal auf die Bauarbeiten eingeht: „Coronabedingt ist es bei den Bauarbeiten zu leichten Verzögerungen gekommen“, erklärt Bänsch, warum seit dem Spatenstich in 2019 so viel Zeit vergangen ist.

Eine Bestattung konnte bislang noch nicht stattfinden. Einige Restarbeiten stehen noch aus – unter anderem war die Brause am Waschtisch zu kurz. „Aber das Interesse ist groß. Es wird sicher auch Anfragen aus umliegenden Städten geben“, vermutet Bänsch, dass nicht nur in Hagen der Bedarf groß ist.