Hagen. Verkehrserziehung ist obligatorischer Bestandteil des Unterrichts in den Hagener Grundschulen. Doch in Zeiten von Corona war alles anders.

Neben dem eigentlichen Schulbetrieb sind in der Pandemie bei den Kindern mindestens zwei Dinge zu kurz gekommen: Schwimmen und Verkehrserziehung.

Doch während längst darüber diskutiert wird, dass als Folge der Schwimmbadschließungen und fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten mit einem weiteren Anstieg schwimmunfähiger Kinder zu rechnen ist, wird der monatelang ausgefallene Verkehrsunterricht bislang kaum thematisiert. „Dabei ist das, was sie verpasst haben, für die Kinder nicht mehr aufzuholen“, sagt Dirk Vrba, Verkehrssicherheitsberater der Hagener Polizei.

Viertklässlern fehlt das Fahrradtraining

Fahrradtraining und Fahrradprüfung gehören eigentlich zum festen Bestandteil des Lernstoffs im vierten Jahrgang. So besuchen alle Hagener Viertklässler – im laufenden Schuljahr sind es 1663 – obligatorisch die von Vrba geleitete Jugendverkehrsschule. Doch heuer fiel die Stippvisite der meisten Kinder dem monatelangen Distanzunterricht zum Opfer. „Wir haben zwar flexibel reagiert und uns um die Schüler in der Notbetreuung gekümmert“, so Vrba. An ein regelmäßiges Fahrradtraining war jedoch nicht zu denken.

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Die Folge: Ein gesamter Jahrgang wird im Sommer ohne nennenswerte Ausbildung in den Straßenverkehr entlassen. Zwar wird Vrba nicht müde zu betonen, dass die originäre Zuständigkeit für die Teilnahme am Straßenverkehr bei den Eltern der Kinder liegt. Doch in der Praxis lernen viele Jungen und Mädchen, vor allem jene aus zugewanderten Familien, in der Schule die Bedeutung der wichtigsten Verkehrsschilder kennen und wie man sich auf dem Fahrrad richtig verhält.

Ab zehntem Lebensjahr runter vom Bürgersteig

Vrba will gar nicht für sich reklamieren, dass die geringe Zahl der Verkehrsunfällen mit Kindern in Hagen (32 im gesamten Jahr 2020, davon einer auf dem Schulweg) auf sein und das Engagement seiner Kollegen zurückzuführen ist: „Das ist ja nicht messbar.“ Andererseits ist die Gefahr, dass die Unglücksfälle infolge der fehlenden Verkehrserziehung massiv zunehmen, nicht von der Hand zu weisen. „Grundschüler sind noch nicht in der Lage, komplizierte Verkehrssituationen richtig einzuordnen und sich dementsprechend zu verhalten.“

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Die Straßenverkehrsordnung verlangt aber genau das von den Kindern. Ab dem zehnten Lebensjahr müssen sie mit dem Fahrrad auf der Straße fahren und dürfen nicht mehr den Bürgersteig nutzen. Zwar habe es mehrere Initiativen gegeben, das Alter heraufzusetzen, doch die seien allesamt verpufft, so Vrba: „Zehnjährige bewegen sich noch nicht sicher mit dem Fahrrad. Sie bremsen falsch, huschen zwischen geparkten Autos durch und so weiter.“ Das fehlende Sicherheitstraining in der Schule verschärfe dieses Dilemma.

Verkehrswacht Hagen verteilt neue Broschüre

Auch die Hagener Verkehrswacht weiß um die Problematik. Vorsitzende Helga Müller verteilte in der Grundschule in Vorhalle die ersten Exemplare eines neuen Mal- und Arbeitsheftes für die Radfahrausbildung von Viertklässlern. Zwar habe man in Hagen schon viel erreicht, sagte sie mit Blick auf die Unfallstatistik, andererseits dürfe man nicht nachlassen, denn es gebe immer wieder Gefahrensituationen: „In Eckesey läuft auch schon mal um 23 Uhr ein Kind auf die Straße. Damit rechnet nun wirklich kein Autofahrer.“

Stadt Hagen hält Jugendverkehrsschule instand

Die Hagener Jugendverkehrsschule befindet sich in Altenhagen unterhalb des Ischelandteichs und ist sowohl von der Boeler als auch der Straße Am Sportpark zu erreichen.

Gebäude und Straßenparcours wurden 1965 von der Stadt Hagen errichtet. Für die Instandhaltung des Gebäudes und der Liegenschaft ist die Stadt weiterhin zuständig.

Die Stadt Hagen stellt die Jugendverkehrsschule den Verkehrssicherheitsberatern des Polizeipräsidiums Hagen zwecks Verkehrserziehung zur Verfügung. Verantwortlicher Leiter ist der Polizeihauptkommissar Dirk Vrba.

Mit Unterstützung der neuen Hefte soll die Verkehrserziehung spätestens im kommenden Schuljahr wieder in ordentliche Bahnen gelenkt werden. Antonia Offergeld, Konrektorin der Grundschule Freiherr vom Stein, sieht eine neue Gefahrenquelle heraufziehen: „Das Handy.“ Wenn man die Augen aufmache, könne man Kinder beobachten, die während der Fahrt auf dem Fahrrad mit dem Smartphone beschäftigt seien.

So mancher Schüler hat aber auch denkbar schlechte Vorbilder. Einmal habe sie eine Mutter beobachtet, die mit ihrem Kinderwagen gegen einen Laternenmasten geprallt sei, berichtet die Pädagogin. Der Grund: „Die Frau war in ihr Handy vertieft.“