Hagen. Die Kreishandwerkerschaft Hagen schlägt Alarm. Warum die Preise für Baumaterial drastisch steigen und an Azubis nur schwer heran zu kommen ist.

„Wir stopfen uns nicht die Taschen­ mit Geld voll, schließlich wollen wir unsere Stammkunden halten. Wir wollen sie nicht auf Dauer verlieren und heben daher trotz der momentan schwierigen Situation­ die Preise nicht zu sehr an“, versichert Bernd Marquardt. Der Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Hagen bringt das Dilemma der heimischen Handwerker auf den Punkt: „Einerseits sind unsere Auftragsbücher voll, andererseits können wir die Aufträge nicht abarbeiten, da das benötigte Material nicht da ist und wir zu wenige Fachkräfte haben.“

Kämpfe an mehreren Fronten

Die seit über einem Jahr andauernde Pandemie mit coronabedingten Grenzkontrollen, mit Planungsunsicherheit sowie Abstands- und Hygienevorschriften trifft auch das Handwerk hart, „doch die Probleme durch Corona sind temporär, wir haben Kämpfe an mehreren Fronten“, so Marquardt. Konkret: Weltweite Klimaveränderungen sind überall zu spüren, „in Texas hat zum Beispiel ein Schneesturm etliche Produktionsstätten für Farben eingefroren und somit lahm gelegt“, erläutert Marquardt.

Kreishandwerksmeister Bernd Marquardt (links) und Michael Plohmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Hagen, bedauern, dass es zu wenige geeignete Azubis für das Handwerk gibt.
Kreishandwerksmeister Bernd Marquardt (links) und Michael Plohmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Hagen, bedauern, dass es zu wenige geeignete Azubis für das Handwerk gibt. © WP | Michael Kleinrensing

Die Schäden, die der Borkenkäfer verursacht, führen zu einer dramatischen Holzverknappung, „und das wenige Holz, das wir auf dem heimischen Markt noch haben, kaufen uns die Amerikaner und Chinesen weg, es herrscht eben freie Marktwirtschaft“, sagt Dr. Michael Plohmann. Der Geschäftsführer der Hagener Kreishandwerkerschaft ergänzt: „Und durch den Wirtschaftskrieg zwischen China und den USA halten die Kontrahenten ihre Rohstoffe im eigenen Land.“ Globalisierte Lieferstränge, so Plohmann, hätten einen Domino-Effekt, „und den baden die heimischen Handwerker und die Verbraucher aus.“

Preissteigerungen werden weiter gegeben

Häuslebauer und Hobby-Handwerker spüren Lieferengpässe und Preissteigerungen derzeit mit voller Wucht. „Selbst Plastikeimer, die für Farbe benötigt werden, sind oft nicht erhältlich. Und Preise für Bau- oder Ausbaumaterial steigen innerhalb weniger Wochen nicht selten um 20 bis 30 Prozent“, erläutert Bernd Marquardt, „da die Handwerker selbst höhere Preise beim Lieferanten zahlen, müssen sie die Preissteigerung zumindest in Teilen an den Verbraucher weitergeben“.

Mittelqualifizierte Leute gesucht

Themenwechsel: Der Nachwuchskräftemangel drückt das heimische Handwerk außerordentlich. „Wir ringen um Azubis. Und wenn welche kommen, sind sie nicht immer geeignet“, spricht Marquardt Tacheles und ergänzt: „Wir brauchen mittelqualifizierte Leute, die ihr Tagewerk hinbekommen und beim Kunden ordentlich auftreten.“

Einen akademischen Weg einzuschlagen, erscheine vielen junge Menschen attraktiver, „dabei ist unser Beruf abwechslungsreich, krisensicher und systemrelevant“, macht sich Plohmann für eine bodenständige Ausbildung im Handwerk stark, weiß allerdings auch, dass es für Bereiche, die als mühsam gelten und wo auch mal Schweiß fließen kann (z.B. auf dem Bau und bei Dachdeckern) kaum geeignete Bewerber gibt.

Handwerk bleibt ein zuverlässiger Wirtschaftspartner

2020 und 2021 konnten die Ausbildungsmessen, die sonst auf dem Gelände in Kückelhausen stattfinden, aufgrund Corona nur digital stattfinden, „die Online-Variante ist mit einer richtigen Messe natürlich nicht vergleichbar, Handwerk ist fühlen, schmecken und riechen“, räumt Bernd Marquardt ein. Doch der Bereich Handwerk sei in puncto Ausbildung in den letzten Jahren und auch künftig ein zuverlässiger Wirtschaftspartner. Im Schnitt betreut die Kreishandwerkerschaft Hagen 400 bis 450 neu abgeschlossene Ausbildungsverhältnisse. „Durch Corona hatten wir 2020 eine leichte Delle, die Zahl der neu abgeschlossenen Verträge lag unter 400, doch wir werden im kommenden Jahr zu den alten Zahlen zurückkehren“, ist sich Geschäftsführer Michael Plohmann sicher.

Jüngst hat die Kreishandwerkerschaft eine zweiteilige Umfrageaktion gestartet. In Umfrage 1 wurden 240 Mitgliedsbetriebe des Bau- und Ausbauhandwerks angeschrieben und gebeten, zu Material- und Lieferengpässen Stellung zu nehmen. Lediglich 15 Betriebe haben schriftlich geantwortet, „aber mit etlichen Handwerksmeistern haben wir Gespräche geführt“, versichert Plohmann.

580 Betriebe angeschlossen

Der Kreishandwerkschaft Hagen­ sind insgesamt 580 Betriebe (u.a. aus den Bereichen Baugewerke, Maler, Fliesenleger, Tischler, Bildhauer- und Steinmetze sowie Friseure) angeschlossen.

Bei der Besetzung freier Ausbildungsplätze gibt es im Kraftfahrzeug- und Zahntechnikerhandwerk kaum, im Bau- und Ausbauhandwerk hingegen massive Probleme.

Was die Umfrage ergab? Zum Beispiel, dass Engpässe bei den Lieferanten häufig zu einer Kostensteigerung, zur Verschiebung von Aufträgen und sogar zu Baustellenstopps führen. Die meisten teilnehmenden Betriebe reagieren darauf mit eigenen Preiserhöhungen und auf die Einführung von Preisgleitklauseln.

In Umfrage 2 wurden 533 Betriebe aus diversen Gewerken aufgefordert, sich schriftlich zum Ausbildungsangebot und zur Nachwuchskräftesicherung zu äußern, 30 haben teilgenommen. Laut Umfrage haben sich durch die Corona-Pandemie lediglich sechs der sich an der Umfrage beteiligten Betriebe (also ein Fünftel) davon abhalten lassen, in jüngster Zeit selbst auszubilden.