Hagen. Der Grundsatzbeschluss steht: Hagen bekommt eine vierte städtische Gesamtschule. Lediglich der Standort ist noch offen. Hier die Hintergründe:
Mit einem einstimmigen Grundsatzbeschluss hat der Hagener Rat den Weg für die Errichtung einer vierten städtischen Gesamtschule freigemacht, die neben entsprechenden Bildungsstätten in Haspe, Eilpe und Helfe diesmal im Stadtbezirk Mitte etabliert werden soll. Während die schulpolitischen Diskussionen unter den Fraktionen bereits deutlich machen, dass die Allianz-Fraktionen das neue Angebot im Wehringhauser Schulzentrum an der Eugen-Richter-Straße ansiedeln möchten, setzt sich vor allem die SPD dafür ein, lieber ein Innenstadt-Gymnasium aus dem Zentrum nach Wehringhausen zu verlagern, um die neue Gesamtschule den Familien tatsächlich im Herzen der City anbieten zu können. Eine endgültige Standortfrage, so der Rat, wird erst nach der Sommerpause auf Grundlage der Beratungen im Schulausschuss getroffen, dessen Fachpolitiker aufgrund der Pandemie seit der Kommunalwahl im September sich lediglich virtuell ausgetauscht, aber keinerlei Beschlüsse formuliert haben.
Grundvoraussetzung ist zunächst einmal, dass die angedachte Verlagerung der privaten FESH-Gesamtschule aus Wehringhausen in das ehemalige Hauptschulgebäude in Vorhalle am Vossacker gelingt. Das dortige Raumangebot würde ausreichen, um sich dort in der Sekundarstufe I dreizügig auszudehnen, um dann in der Oberstufe auf ein zweizügiges Volumen zu reduzieren. Zurzeit verhandelt die Stadt mit der FESH-Geschäftsführung noch über einen Verkauf der Immobilie und erwartet einen ausgehandelten Vertragsentwurf für den Juni.
Parallel dazu müsste auch die Friedrich-von-Bodelschwingh-Förderschule aus Wehringhausen abziehen. Hier plant die Schulverwaltung – zum Leidwesen der Schulkonferenz – eine Verlagerung in die Selbecke in das Gebäude der einstigen Förderschule August Hermann Francke. „Bei allem Verständnis für die gewachsenen Verbindungen in die Nachbarschaft, wird die Bodelschwingh-Schule auch am neuen Standort gute Voraussetzungen finden“, versicherte Schuldezernentin Margarita Kaufmann, dass die Stadt in die Substanz des maroden Gebäudes erheblich investieren werde.
Bodelschwingh-Schule in die Selbecke
Parallel kam am Rande der Ratssitzung vom ehemaligen Hasper Bezirksbürgermeister Dietmar Thieser (SPD) die Idee, die Bodelschwinghschule stattdessen künftig in der Bebelstraße in der Immobilie der einstigen Grundschule unterzubringen und somit deutlich näher an ihrem bisherigen Standort zu etablieren: „Das würde auch dem Sozialstandort Kückelhausen guttun.“ Ein Vorstoß, der ebenfalls noch diskutiert werden soll: „Wir werden jedes Schulgebäude in Hagen brauchen. Wir werden gemeinsam um die beste Lösung ringen und alle Details noch beraten“, sicherte Kaufmann einen offenen Austausch zwischen Politik und Fachverwaltung nach den Sommerferien zu.
Sicher ist derzeit nur: Die zurzeit über die Grundschulen hinwegschwappende Schülerwelle wird spätestens ab dem Schuljahr 2023/24 auch die weiterführenden Schulen in Hagen erreichen. Nach Berechnungen des jüngsten Schulentwicklungsgutachtens werden ab dem Schuljahr 2028/29 in der Sekundarstufe I 150 Plätze fehlen – pro Schuljahr! Parallel dazu kehren die Gymnasien zum G-9-Abitur zurück, was ebenfalls weitere Raumkapazitäten erfordert.
City-Gymnasien für Tausch zu klein
Den jüngsten Vorstoß der SPD-Ratsfraktion, in einem bestehenden Innenstadtgymnasium die neue vierzügige Gesamtschule zu etablieren, hält die Fachverwaltung aufgrund des geforderten Raumprogramms für diese Schulform für problematisch. Während das Schulzentrum Wehringhausen mit einer Größe von 5781 Quadratmetern nahezu exakt den Standard von 5872 Quadratmetern anbieten kann, wären die größten Gymnasium in der City allesamt (Ricarda Huch: 4500 qm; Theodor Heuss: 4700 qm; Fichte: 3400 qm) zu klein. Der Gutachter hatte seinerzeit ausdrücklich eine sechszügige Gesamtschule mit einem Doppelstandort Ricarda-Huch/Sekundarschule Funcke angeregt. Doch dieser Vorstoß wurde vom Rat bereits mehrheitlich verworfen.
Schulpolitik unter Zeitdruck
Der Zeitdruck für die Etablierung einer vierten kommunalen Gesamtschule in Hagen ist angesichts der nachrückenden Grundschüler-Zahlen gewaltig. Sollte die Stadt sich mit der Freien Evangelischen Schule Hagen (FESH) jetzt zügig auf eine Verlagerung dieses privaten Anbieters nach Vorhalle einigen, könnte die Schule dort kaum vor dem Schuljahresstart 2023/24 beginnen.Bis dann im Schulzentrum Wehringhausen nach den notwendigen Umbau- und Sanierungsarbeiten eine andere weiterführende Schule ihren Betrieb aufnimmt, dürfte absehbar das Jahr 2025 erreicht sein. Das bedeutet wiederum, dass die heutigen Grundschüler kaum noch darauf zu hoffen brauchen, dass sie von einer vierten Gesamtschule profitieren.
„Es gibt in der Innenstadt nun einmal kein passendes Gelände für einen Neubau“, skizzierte Thomas Walter, schulpolitischer Sprecher der CDU, im Rat das maßgebliche Platz-Dilemma. Gleichzeitig machte er deutlich, dass eine Schule mit zwei Standorten für seine Fraktion pädagogisch-konzeptionell keine optimale Lösung sei. Für Grünen-Fraktionssprecherin Nicole Pfefferer hat es weiterhin Priorität, dass keine einzige Innenstadt-Schule ihre Zügigkeit reduzieren oder gar eine Schließung befürchten muss: „Außerdem hat Herr Keune (Baudezernent) gar keine Kapazitäten mehr in seinem Ressort für Schulneubauten.“
Dennoch möchte die SPD nach der Sommerpause doch noch einmal die Idee diskutieren, beispielsweise durch einen Anbau am Ricarda-Huch-Gymnasium die notwendigen Kapazitäten für eine Gesamtschule direkt in der City zu schaffen. Dann müsste das Ricarda-Huch-Gymnasium nach Wehringhausen umsiedeln und könnte am neuen Standort sogar wachsen.