Hagen. Kritik, aber auch Verständnis gab es für die Entscheidung von Hagens Oberbürgermeister Schulz, die Israel-Flagge vor dem Rathaus einzuholen.
Das Einholen der israelischen Flagge vor dem Rathaus an der Volme in Hagen hat heftige Kritik hervorgerufen. Rudolf Damm, Ex-Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Hagen, warf der Stadt eine inakzeptable Verhaltensweise vor, mit der sie den jüdischen Mitbürgern in den Rücken gefallen sei: „Die Juden in Hagen haben sowieso schon Angst, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Diese Angst wird jetzt noch größer, wo sie sehen, dass der Staat nicht zu ihnen hält.“
Wie zahlreiche andere Städte und Gemeinden in Deutschland hatte auch die Stadt Hagen am Mittwoch die israelische Flagge am Rathaus gehisst, um auf den Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland am 12. Mai 1965 hinzuweisen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse im Nahen Osten sei das Hissen der Flagge von einigen Menschen jedoch als einseitige Solidaritätsbekundung für Israel aufgefasst worden, teilte die Stadt noch am Mittwoch mit. Es habe mehrere Beschwerden gegeben. Daraufhin wurde die Flagge in Abstimmung mit der Hagener Polizei wieder eingeholt.
Das sagt die Stadt Hagen
Die Stadtverwaltung erklärte am Freitag auf Anfrage noch einmal, vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse im Nahen Osten gehandelt zu haben, da das Hissen der Flagge von zahlreichen Menschen als einseitige Solidaritätsbekundung bezogen auf den aktuellen Konflikt aufgefasst worden sei. Dies habe sich an einer Vielzahl von Beschwerden ablesen lassen, die im Laufe des Mittwochvormittags an unterschiedlichen Stellen der Verwaltung sowie bei der Polizei eingegangen seien – und zwar sowohl telefonisch, per E-Mail als auch über diverse Kanäle der Sozialen Medien.
Gegen Mittag habe die Stadt ein Hinweise der Polizei erreicht. Durch ein sofortiges Abhängen der Flagge habe man eine sich abzeichnende Eskalation verhindern wollen, so die Stadt. Die Verwaltung habe darauf unmittelbar reagiert, so Oberbürgermeister Erik O. Schulz: „Wir sind seit vielen Jahren in unserer Stadt darum bemüht, das friedliche Miteinander der Religionen zu unterstützen. Wir sind eine vielfältige Stadt.“ Mit dem Abhängen der israelischen Flagge habe man sich in keiner Weise einseitig in dem aktuellen Konflikt im Nahen Osten positioniert, sondern einzig auf einen Hinweis der Polizei Hagen reagiert: „Für uns ging es allein darum, für eine Deeskalation in einer sich möglicherweise zuspitzenden Situation zu sorgen.“
Das sagt Oberbürgermeister Erik O. Schulz
Schulz wandte sich in einem Brief auch an seinen Amtskollegen Haim Bibas in Hagens israelischer Partnerstadt Modi’in. Darin heißt es unter anderem: „Ich hoffe inständig, dass die Angriffe und das furchtbare Blutvergießen schnell ein Ende finden und sich auf allen beteiligten Seiten sehr bald die friedliebenden Kräfte durchsetzen können. Die Bürgerinnen und Bürger Hagens sind wie schon in der Vergangenheit in diesen schwierigen Zeiten in Gedanken bei den Menschen in ihrer Partnerstadt Modi’in. Wir wünschen Ihnen von ganzem Herzen, dass sie bald wieder zu einer stabilen Zeit des Friedens zurückkehren können. Wir denken in langjähriger Verbundenheit an Sie und beten für die Menschen in unserer Partnerstadt.“
Das sagt der Rat der Muslime in Hagen
Anstoß genommen am Hissen der Israel-Fahne hatte u.a. der Rat der Muslime in Hagen. Vorsitzender Nadim Akbaba erklärte, man habe verhindern wollen, dass es zu Demonstration käme und das friedliche Miteinander der Religionen in Hagen gestört würde: „Es war uns wichtig, die muslimischen Jugendlichen unter Kontrolle zu halten.“ Daher sei der Rat nach Aussage von Akbaba an Oberbürgermeister Erik O. Schulz herangetreten: „Mit Blick auf die Lage in Nahost hätte man die Flagge gar nicht erst aufhängen dürfen. Es war eine gefährliche Zeit. Gott sei Dank ist nichts Schlimmes passiert.“
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Akbaba und sein Stellvertreter Mikael Isik betonten, sie handelten nicht politisch motiviert und hätten auch nichts gegen andere Religionen: „Ob Christen, Muslime oder Juden – wir sind alle von ein- und demselben Gott geschaffen worden. Wir sind alle Hagener und wollen, dass Hagen eine friedliche Stadt bleibt.“
Das sagt René Röspel (SPD)
Der heimische Bundestagsabgeordnete René Röspel (SPD) äußerte Akzeptanz für das Einholen der Israel-Flagge: „Das war wichtig, um die Gemüter zu beruhigen.“ Andererseits dürfe der Konflikt in Nahost nicht auf unsere Gesellschaft übertragen werden. Das Existenzrecht Israels sei Teil der deutschen Staatsräson und dürfe auch nicht in Frage gestellt werden.
Gleichwohl sei das Vorgehen der israelischen Regierung im aktuellen Konflikt ebenso zu verurteilen wie die Gewalttaten der Gegenseite. Das alles habe aber nichts zu tun mit den Menschen in Deutschland und Hagen: „Ich solidarisiere mich mit den jüdischen Menschen hier und kann auch nicht verstehen, wenn vor Synagogen demonstriert wird.“ Das Hissen der Flagge sei ein Ausdruck von Dankbarkeit und Versöhnung, gleichwohl sei es in Ordnung gewesen, die Lage in Hagen durch das Einholen der Fahne zu beruhigen.
Das sagt Katrin Helling-Plahr (FDP)
Die Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr (FDP) zeigte dagegen kein Verständnis für das Verhalten der Stadt. Gerade in der gegenwärtigen Situation fortdauernder Terrorangriffe gegen die israelische Zivilbevölkerung sei es umso wichtiger, uns an unsere Verantwortung zu erinnern: „Das bedeutet, dass wir in diesem Land niemals auch nur im Ansatz dulden dürfen, dass offen antisemitische Parolen skandiert und jüdische Mitbürger und Einrichtungen um ihre Sicherheit fürchten müssen.“
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Gerade jetzt sei ein Zeichen der Solidarität deshalb besonders wichtig. Das Abhängen der Fahne bewirke aber das genaue Gegenteil und gleiche einer Kapitulation: „Wenn die Stadt Missverständnisse vermeiden möchte, sollte sie die Fahne schnellstmöglich wieder aufhängen und klar machen, dass sie nicht vor antisemitischer Stimmungsmache einknickt.“
Das sagen Hagens führende CDU-Politiker
Mit Nachsicht reagierte der Hagener CDU-Fraktionsvorsitzende Jörg Klepper auf die Entscheidung von Oberbürgermeister Erik O. Schulz: „Das war kein Signal gegen den Staat Israel. Es war der Versuch einer Deeskalation von Spannungen in Hagen, ausgelöst vom aktuellen Nahostkonflikt.“ Die Tatsache, dass die örtliche Polizei die Stadt quasi gebeten habe, die israelische Fahne abzunehmen, weil man Anzeichen auf gewalttätige Aktionen erkannt habe, sei aber auch der einzige akzeptable Grund, warum die Stadtspitze sich dafür entschieden habe. „Als Stadtoberhaupt hat sich Erik Schulz auf die Gefährdungsbeurteilung unserer Sicherheitskräfte verlassen. Da kann ich nachvollziehen, wenn er zunächst Konflikt mindernd einwirken wollte“, so Klepper.
„Wir dürfen vor keinerlei Drohungen zurückweichen und müssen das unmissverständlich durch unser Handeln unterstreichen“, betonte auch der CDU-Kreisvorsitzende Christoph Purps und forderte, dass der Rechtsstaat mit seiner ganzen Entschlossenheit dafür zu sorgen habe, dass auf Hagener Stadtgebiet weder Rassismus noch Extremismus geduldet würden.
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Für den Hagener CDU-Landtagsabgeordneten Helmut Diegel können Drohungen „schon gar kein Grund dafür sein, dass wir die Beflaggung des Rathauses nach dem Befinden Dritter gestalten“. Er erwarte künftig von der Polizei entschlossenes Handeln, selbst wenn es scheinbar „nur“ um eine Flagge gehe: „Möglicherweise hat hier jemand die Symbolwirkung dieser Empfehlung völlig falsch eingeschätzt. Denn ich erkenne ansonsten ja auch, dass die Polizei die Hagener Synagoge engmaschig sichert und schützt.“
Das sagt Michael Eiche (AfD)
Der Hagener AfD-Fraktionsvorsitzende Michael Eiche erklärte, angesichts der „unbeschreiblichen, unsäglichen Gräueltaten an der jüdischen Bevölkerung“ während der Nazi-Herrschaft sei das Wiedereinholen der Israel-Fahne ein ungeheuerlicher Vorgang und ein erbärmliches Zeichen des Einknickens: „Hier hat sich der Oberbürgermeister der Stadt Hagen auf peinlichste Art und Weise vor den Karren politischer Kräfte spannen lassen, die den eigentlichen Anlass, nämlich die Erinnerung an den Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, mit der aktuellen politischen Situation im Nahen Osten verknüpft.“ Man dürfe gespannt sein, wie dieser hochnotpeinliche Vorgang in Hagens Israelischer Partnerstadt Modi’in aufgenommen und bewertet werde.
Das sagt die Junge Union in Hagen
Auch die Junge Union in Hagen forderte nach den Gewaltausbrüchen im Nahen Osten zur Solidarität mit Israel auf: „Wir verurteilen den Angriff der Terrororganisation Hamas und stehen an der Seite der in Hagen lebenden Jüdinnen und Juden“, so Kreisgeschäftsführer Dennis Kruse für den Nachwuchs der Christdemokraten.
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Die Junge Union Hagen und Deutschlands stehe solidarisch an der Seite Israels. „Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass antisemitische Parolen nun auch wieder vermehrt in deutschen Städten zu hören sind und israelische Flaggen angezündet werden. Gerade vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass die israelische Flagge wieder eingeholt wurde. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Hagen mit Modi’in eine israelische Partnerstadt hat. Die Flagge Israels gehört gerade jetzt an den Mast.“
Jüdische Gemeinde in Hagen schweigt
Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Hagen, Hagay Feldheim, wollte keine Stellungnahme zu den Vorgängen abgeben. Die Polizei sagte zu den Gründen ihres Hinweises auf die Flagge, dass eine Eskalation nicht auszuschließen gewesen sei.
Innenministerium widerspricht Darstellung der Stadt
Das nordrhein-westfälische Innenministerium widersprach am Abend der Darstellung der Stadt. Ein Sprecher erklärte, dass die Stadtverwaltung die Entscheidung, die Fahne abzuhängen, selbstständig gefällt habe. „Es gab keine Aufforderung dazu seitens der Polizei Hagen.“ Die Polizei habe die Stadt Hagen allerdings darauf hingewiesen, dass die Israel-Flagge nach ihren Erkenntnissen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft zu Unmut führe. Außerdem habe sie den Hinweis gegeben, dass es daher gegebenenfalls zu einer Eskalation kommen könne.