Hagen-Mitte. Nummer ziehen, persönliche Termine und ausgedruckte Einreichungen? Nicht mehr. Wie eine Arbeitsagentur in der Pandemie plötzlich agiert.

17. Etage im schwarzen Turm der Arbeitsagentur an der Körnerstraße. Draußen tanzt der Schnee um die Spitze des letzten Wolkenkratzers der Stadt. Es wirkt, als würde er nur wenige Meter darüber bereits aus den Wolken fallen. Katja Heck und Holger Schmitz schütteln ziemlich heftig mit dem Kopf. Nicht wegen des Wetters, sondern als Antwort auf die Frage, ob der Inbegriff einer Behörde, das einstige Arbeitsamt, nicht ruckzuck wieder in sein formales und eher starres Arbeitsmuster zurückfalle, wenn Corona mal vorbei ist. „Nein, das wollen und das werden wir nicht“, sagen die beiden.

Der Unterschied zwischen dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit

Wenn man mit den beiden Behörden sonst nichts zu tun hat, wird man kaum korrekt ihren Unterschied erklären können. Deshalb: Katja Heck ist Geschäftsführerin der Arbeitsagentur in Hagen, die zuständig für Arbeitsvermittlung, Beratung, Zahlung von Entgeltersatzleistungen oder auch die Förderung der Berufsausbildung ist. Holger Schmitz ist Jobcenter-Geschäftsführer. Das Jobcenter ist zuständig für die Bezieher von Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich „Hartz 4“. Dabei geht es um die Geldleistungen, aber auch um die Vermittlung von Arbeit.

Man muss nicht mehr persönlich vorbeikommen, um sich arbeitslos zu melden

Sowohl Arbeitsagenturen als auch Jobcenter arbeiten für gewöhnlich nach Verwaltungsprinzipien, die über Jahrzehnte eingeübt und an manchen Stellen schon länger reformwürdig waren. Ein Beispiel: Um sich arbeitslos zu melden, musste man bisher stets persönlich bei der Arbeitsagentur erscheinen, um die Identität zu bestätigen. Pandemiebedingt geht das jetzt per App und „Selfie-Ident-Verfahren.“

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Damit sind wir mitten im Thema. So eine Viel-Kontakt-Behörde wie eine Arbeitsagentur mit ihren Zehntausenden Akten, Hunderten Paragrafen, persönlichen Beratungen und einer immensen Zahl von hochoffiziellen Schriftverkehren auf Papier muss in einer Pandemie weiterfunktionieren. Nicht nur das. Sie muss, was Behörden eigentlich nicht innewohnt, Flexibilität und Agilität entwickeln. Und das hat nichts mit der Motivation der erfahrenen Mitarbeiter zu tun, sondern mit den Bedingungen, in denen sie arbeiten. „Kulturwandel würde ich das nennen“, sagt Katja Heck.

Holger Schmitz ist Geschäftsführer des Hagener Jobcenters
Holger Schmitz ist Geschäftsführer des Hagener Jobcenters © WP | Michael Kleinrensing

Umstellung auf die elektronische Akte vor zehn Jahren ist jetzt der große Vorteil

Sie merkt es ja an sich selbst. Sie hat sich einen „Green Room“ einrichten lassen, eine Art Fernsehstudio. Von dort können Konferenzen und Gespräche professionell und mit Hintergrund-Fakten gestreamt und präsentiert werden. Das schwarze Hochhaus am Volmeufer ist derweil so gut wie leer. Die Mitarbeiter: im Homeoffice. Die Büros: verwaist. Vor zehn Jahren ist der Papierberg des Hauses in elektronischen Akten hinterlegt worden. „Das macht uns das Homeoffice jetzt überhaupt erst möglich“, sagt Holger Schmitz, dessen Jobcenter diesen Schritt wiederum 2018 gegangen ist. Zugriff auf Daten? Das ist jetzt von überall möglich. Genau wie die Videoberatung von Kunden. Skype, Zoom, Teams, alles möglich. Der Arbeitszeitrahmen wurde ausgedehnt. Bis 22 Uhr, um Familien noch Gespräche möglich zu machen, wenn die Kinder abends im Bett sind und Ruhe herrscht.

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Termintreue der Kunden gestiegen, Krankenstand der Mitarbeiter gesunken

Negative Effekte? Zumindest an der Oberfläche bislang nicht zu erkennen. Der Krankenstand ist deutlich gesunken, weil man sich - leicht erkältet - im Homeoffice wohl doch eher an die Arbeit macht anstatt sich krankzumelden. Die Termintreue der Kunden ist gestiegen. Die Behörde legt nicht mehr fest, wann ein Betroffener zu erscheinen hat, sondern vereinbart individuelle Beratung auf Wunschtermin. „Was uns auch in einem Projekt umtreibt, ist, die Optimierung unserer Arbeitsprozesse noch intensiver vom Kunden her zu denken“, sagt Holger Schmitz.

Dazu gehöre etwas so Simples wie eine App, mit der Schriftsätze in PDFs umgewandelt werden könnten. Was ihn aber auch umtreibt, ist das Thema „Qualität der Arbeit“ – gemeint ist die im eigenen Hause. Können virtuelle Beratungen die gleiche Qualität und Tiefe haben wie persönliche? Was bleibt bei aller Flexibilität auf der Strecke? „Das wird in diesem Transformationsprozess eine Herausforderung sein“, sagt Katja Heck.

In der morgigen Ausgabe blickt unsere Zeitung mit Katja Heck und Holger Schmitz auf den Ausbildungsmarkt, den die Corona-Krise mit voller Wucht trifft.