Hagen. 1300 Straßen und nur zehn davon tragen den Namen einer Frau. Das hat einen Grund, der die Leistungen großer Hagenerinnen verklärt.

Zehn von knapp über 1300 Straßen in Hagen tragen den Namen einer Frau. Und in nur drei dieser zehn Straßen hat die Namensgeberin auch wirklich einen lokalen Bezug. Die öffentliche Erinnerungskultur in Hagen auf Straßen, Wegen und Plätzen ist männlich dominiert.

Die drei Türme: Eugen Richter, Kaiser Friedrich und Fürst Bismarck. Unsere Plätze: Bodelschwingh, Kaiser Wilhelm, Friedrich Ebert, Otto Ackermann oder Adolf Nassau. Der Ring am Bahnhof ist benannt nach Graf von Galen. Rund 180 Straßen tragen Männernamen, der große Rest beschreibt Orte, Landschaften oder lehnt an andere Flurbezeichnungen an.

Ironischerweise ist der Funckepark nach dem Vater von Lieselotte Funcke benannt

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Bei all den bereits vergebenen Straßennamen gibt es vor dem Hintergrund des geringen Frauenanteils noch dazu Ironisches. So tragen mit dem Funckepark und der Funckestraße gleich zwei Örtlichkeiten den Namen einer der verdientesten Hagenerinnen, die je gelebt hat: Dr. Lieselotte Funcke, einstige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags und NRW-Wirtschaftsministerin. Gemeint ist bei der Straßen- und Parkehrung allerdings ihr Vater, der 1965 in Hagen verstorbene Fabrikant Oscar Funcke. Und selbst da, wo der sogenannte „Grundsatz der Raumgliederung“ Straßen innerhalb eines Viertels einheitlich benennt – in Hagen gibt es Märchen-, Blumen- oder Dichterviertel – sind die Frauenvornnamen in der Unterzahl. Am Kuhlerkamp nämlich, wo die Straßen schlicht Frauen- und männervornamen tragen, gibt es „nur“ den Klaraweg, den Charlottenweg, die Margaretenstraße, die Hedwigstraße und die Dorotheenstraße. Die anderen Wege und Straße wurden aber nach Tobias, Rudolf, Thomas, Georg, Albrecht, Heinrich, Leopold, Michael und Otto benannt.

Helena Margareta Moll leitete die Tuchfabrik viele Jahre erfolgreich, wird aber nicht gewürdigt

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„Das sind keine Zufälle“, sagt Hagens Stadthistoriker Ralf Blank. „Die Geschichtsbetrachtung ist männlich dominiert. Bestimmte Klischees und Betrachtungsweisen wurden und werden teilweise immer noch von Männern festgelegt.“ Und so geschah und geschieht auch So verklärt zum Beispiel diese männliche Betrachtung die Rolle der am 5. März 1710 als Tochter des Kaufmanns und Unternehmers Johann Caspar II. Harkort auf dem Gut Harkorten bei Haspe geborenen Helena Margareta Moll. Ihr Ehemann Christian Moll ist als erfolgreicher Tuchfabrikant in die Stadtgeschichte eingegangen. Die Mollstraße hinter dem Finanzamt würdigt ihn. Dabei führte Helena Margareta Moll die Tuchfabrik bis zu ihrem Ende und nach dem Tod ihres Mannes erfolgreich weiter. In einer Zeit, in der Witwen oft im Armenhaus landeten, versorgte sie sich selbst. Sie war eine der ersten Unternehmerin Westfalens.

Person muss bereits tot sein und die Bezirksvertretungen machen Vorschläge

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Nach wem in Deutschland eine Straße benannt wird, der muss mindestens ein Jahr tot sein. Und: Das Vorschlagsrecht haben die Bezirksvertretungen. „Ich bin überrascht von dieser geringen Zahl an Straßen, die nach Frauen benannt sind“, sagt beispielsweise Michael Dahme, Bezirksbürgermeister in Eilpe/Dahl. 26 Jahre ist der Pfarrer in der Bezirksvertretung aktiv und nur zweimal musste eine Straße benannt werden. Die Wahl fiel auf den „Professor-Doktor-Schemann-Weg“ in Eilpe und auf den Elmarweg nahe des Krähnockens. „Der Name von Professor Schemann war noch ein Anliegen des ehemaligen Bezirksbürgermeisters Ferdi Wölm, der ebenfalls schon verstorben ist“, sagt Dahme. Schemann war Heimatforscher. „Elmar“ sei hingegen angelehnt an eine Flurbezeichnung im oberen Eilpe. Dahme selbst würden bei beiden Geschlechtern Leute einfallen, die ehrwürdig sind.

Die jüngsten Straßen- oder Platzbenennungen nach Frauen in Hagen liegen acht und zehn Jahre zurück. 2011 wurde am Spielbrink der Betty-Brandt-Weg im Neubaugebiet geschaffen. Betty Brandt leitete nach dem Tod von ihres Mannes Carl fast 20 Jahre lang die Geschicke des Zwieback-Unternehmens Brandt. Sie war damals eine der wenigen Frauen in Deutschland, die ein großes Unternehmen leitete. 2013 entschied die Hohenlimburger Bezirksvertretung, den Platz der Begegnung an der Unteren Isenbergstraße Fräulein-Richard-Platz zu nennen. Damit würdigte man den Mut der im Jahr 1938 noch jungen Hohenlimburgerin, die in den schrecklichen Tagen nach der Reichspogromnacht die jüdische Familie Löwenstein versorgte.

Diese Hagener Straßen sind nach einer Frau benannt

Betty-Brandt Weg in Haspe (Hagener Unternehmerin, *1906 † 1984).

Droste-Hülshoff-Straße in Eckesey (deutsche Schriftstellerin, *1797 † 1848)

Elsa-Brandström-Weg in Haspe (schwedische Philanthropin, *1888 †1948)

Fräulein-Richard-Platz in Hohenlimburg (Maria Richard setzte sich für jüdische Mitbürger in Hohenlimburg ein, *1910 † 2001)

Milly-Steger-Straße auf Emst (deutsche Bildhauerin, *1881 †1948)

Louise-Schröder-Straße in Helfe (SPD-Politikerin und 1947 kommissarische Bürgermeisterin Berlins, *1887 † 1957).

Louise Märcker-Straße in Haspe (Unternehmerin, Frau von Johann Caspar Harkort III, langjährige Leiterin des Familienunternehmens und Initiatorin des Baus von Haus Harkorten in Haspe, *1718 † 1795)

Käthe-Kollwitz-Straße in eppenhausen (Grafikerin, Malerin, Bildhauerin, *1867 † 1945)

Gertrud-Bäumer-Weg in Hohenlimburg (deutsche Frauenrechtlerin und Politikerin, *1873 in Hohenlimburg † 1954)