Hagen. Erfolgsgeschichte oder Totalversagen? Beim Ringen um Betreuungsplätze für die Kinder kommt die Politik in Hagen auf keinen gemeinsamen Nenner.

Die Stadt Hagen verwahrt sich gegen die jüngste Kritik aus dem SPD-Lager, die Verwaltung würde sich zu halbherzig um neue Kindergarten- sowie Plätze für den Offenen Ganztag kümmern. „Ein Zuzug in der Dimension der vergangenen Jahre lässt nicht durch Sofortmaßnahmen auffangen“, macht Oberbürgermeister Erik O. Schulz deutlich, dass sein Haus mit den bereits realisierten und weiterhin geplanten Investitionen „konsequent reagiert“ habe. Während die Sozialdemokraten zuletzt von einem „Totalversagen“ des Ressorts von Dezernentin Margarita Kaufmann sprachen, nimmt CDU-Fraktionschef Jörg Klepper die vom Rathaus aktuell vorgelegten Zahlen als eine „Erfolgsgeschichte“ wahr.

Die Kinderzahl-Entwicklung kennt zuletzt in Hagen nur eine Richtung.
Die Kinderzahl-Entwicklung kennt zuletzt in Hagen nur eine Richtung. © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

SPD-Fraktionschef Claus Rudel hatte zuletzt noch einmal hervorgehoben, dass in Hagen weiterhin 400 U3- sowie weitere 400 Ü3-Plätze fehlten. Zudem drohe mittelfristig ein Mangel an OGS-Plätzen, wenn die Kindergarten-Generation in die Grundschulen komme und dort ab dem Jahr 2025 auch noch ein Rechtsanspruch für einen Betreuungsplatz gelte. Fakten, die von der Verwaltung gar nicht bestritten werden. „In den Fachausschüssen müssen wir wieder miteinander ins Gespräch kommen“, wirbt Kaufmann allerdings um einen breiten politischen Konsens und gemeinsame Kraftanstrengungen. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bis wir dort sind, wo wir hinwollen.“ Wichtigste Aufgabe sei es jetzt, auch die Vier- und Fünfjährigen in die Kitas zu holen.

2662 Kinder mehr als vor sechs Jahren

Alle Neu- und Ausbauten auf einen Blick

Seit dem Jahr 2014 sind nach Angaben der Stadt in Hagen 1288 neue Betreuungsplätze in den Kindertagesstätten entstanden, davon 584 für Mädchen und Jungen im U3-Alter.

Kita-Neubauten wurden errichtet in der Louise-Märker-Straße, Römershof, Boeler Str., Hüttenplatz, Helmut-Turck-Haus, Bebelstr., Heinrichstr., Elberfelder Str., Kochstr., Königstr., Volmepark, Dahmsheide, Elseyer Str. 52, Elseyer Str. 25-27 sowie in der Martin-Luther-Straße.

Hinzu kommen Erweiterungsausbauten in den Kitas Salzburger Straße, Yorkstraße, Eschenweg sowie Gutenbergstraße.

Für die Zukunft sind weitere Neubauten geplant am Jungfernbruch (75 Plätze/Fertigstellung 2022), Markanaplatz (75/2023), Cunostraße (75/2023), Block 1 (150/2022), Langenkampstraße (75/2022), Vossacker (20/2023), Eilpe (75/2023), Brinkstraße (55/Termin offen), Fleyer Straße (55/2022), Eppenhauser Straße (110/2022).

Darüber hinaus sind Erweiterungsbauten in der Dümpelstraße (20/2021) sowie in der Franzstraße (20/2021) vorgesehen.

Die nackten Zahlen verdeutlichen, wie sich die demografischen Vorzeichen komplett verändert haben. So war Dezernentin Kaufmann bei ihrem Amtsantritt aufgrund entsprechender Prognosen noch vordringlich damit beschäftigt, Grundschulen zu schließen. Seitdem ist die Zahl der Kinder in Hagen jedoch rasant gestiegen. Während 2014 noch 9240 Unter-Sechsjährige in Hagen lebten, waren es im vergangenen Jahr bereits 11.902 – bis 2022 werden sogar 12.642 Mädchen und Jungen aus dieser Altersgruppe erwartet. Ein Plus, für das sich in der Kürze der Zeit, so die Sichtweise der Stadt, keine Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur in gleichem Tempo schaffen ließ. Immerhin wurden seit 2014 exakt 1288 neue Betreuungsplätze (584 im U3-Bereich) durch Neu- und Erweiterungsbauten geschaffen. Weitere sollen folgen (siehe Infobox). Ebenso seien 568 zusätzlich OGS-Plätze entstanden, so dass die Versorgungsquote hier jetzt bei 36,85 Prozent liegt.

Versorgungsquote wird verfehlt

Dennoch bleibt festzuhalten, dass aktuell die vom Rat beschlossene Versorgungsquote im U3-Bereich von 38 Prozent mit gerade mal 32,5 Prozent klar verfehlt wird. Wesentliche Ursache sei weiterhin die 2015 einsetzende Flüchtlingswelle sowie die unerwartete EU-Zuwanderung vorzugsweise aus Bulgarien und Rumänien, betont die Stadt Hagen. „Der Zuzug von Kindern aller Altersstufen hält unvermindert an, und die Rate der Geburten in Hagen ist weiterhin hoch“, erwartet Kaufmann auch mittelfristig keine wesentliche Änderung der Lage. Während in Hagen vor fünf Jahren mit fast 105 Prozent noch zu viele Ü3-Kindergartenplätze zur Verfügung standen, wird es heute mit 94,3 Prozent – trotz aller baulichen Maßnahmen – schon wieder eng.

Und natürlich ist längst absehbar, dass sich die Nachwuchswelle kurzfristig in den Offenen Ganztag der Grundschulen verlagert, wo allein in den letzten beiden Schuljahren 415 weitere Plätze geschaffen werden konnten. Hier arbeitet die Verwaltung zurzeit in Gesprächen mit den Grundschulen daran, durch organisatorische Maßnahmen kurzfristig Kapazitäten für zusätzliche Betreuungsangebote zu erhöhen.

Beispielhaft für den ab 2025 von Berlin angedachten Ganztagsanspruch soll die künftige städtische Block-1-Grundschule in Wehringhausen entwickelt werden. Hier ist mit Blick auf eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf das Raumkonzept so ausgelegt, dass eine OGS-Versorgungsquote von stolzen 75 Prozent gesichert wäre. Dies bliebe dann aber ein rühmlicher Einzelfall, andere Schulen müssen dringend nachziehen.