Hagen. Es ist die emotionale Perspektive dieser Pandemie. Zwei Hagener Erzieherinnen berichten, wie sehr es schmerzt, viele Kinder nicht sehen zu können.

Es ist ein seltener Perspektivwechsel. Berichte über die Corona-Pandemie beleuchten zumeist die wirtschaftliche Betroffenheit von Arbeitnehmern, von Firmen oder das Funktionieren öffentlicher Infrastruktur. Die beiden Pädagoginnen Raffaela Cariglino-Lepere (Leiterin) und Anette Heß (ständige Vertretung) der neuen Kita Kolibri in der Martin-Luther-Straße, nehmen aber noch eine dritte Perspektive ein. Und damit sprechen sie stellvertretend vielen Kita-Teams dieser Stadt aus dem Herzen. Sie vermissen die Normalität und die Kinder.

Für viele Erzieher in Hagen ist der Beruf eine Berufung

„Wir sind dankbar, dass wir bei der Stadt Hagen arbeiten, einen sicheren Job, dadurch ein regelmäßiges Einkommen haben, während andere Arbeitnehmer um ihren Job bangen, in Kurzarbeit geschickt werden oder ihnen die Kündigung droht.“, sagt Raffaela Cariglino- Lepere. Für die beiden Damen ist ihr Beruf dazu mehr als nur Verpflichtung. Er ist Berufung. Und wer sein Kind oder seine Kinder in einer Hagener Kita hat – und damit sind alle Kitas aller Träger gemeint –, der wird dort auf Kollegen treffen, die das in sich tragen, was auch Cariglino-Lepere und Heß in sich tragen. „Die diesen Job aus Berufung angetreten sind und ihn mit dem Herzen machen“, sagt Raffaela Cariglino -Lepere, Leiterin der Anfang November 2019 eröffneten Kita in der einstigen Martin-Luther-Kirche im Bahnhofsviertel, die ganz nebenbei noch eine architektonische Besonderheit in Hagen ist.

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Die Kita bildet die gesamte Bandbreite der Hagener Stadtgesellschaft ab. Etliche Nationalitäten sind vertreten, aus allen sozialen Schichten. 95 Kinder kommen hier eigentlich in die Betreuung. Doch die Kita in der alten Kirche hat seit November 2019 eine Achterbahnfahrt erlebt. Corona kam auf, dann der erste Lockdown im März 2020, dann langsames Wiederhochfahren, der zweite Lockdown im Dezember 2020. „Eingewöhnungszeit, die so wichtig ist“, sagt Raffaela Cariglino-Lepere, „ist immer wieder unterbrochen worden.“

Ein organisatorischer Kraftakt

Der organisatorische Kraftakt des Teams, das 95 Kinder auf einmal zur Eröffnung aufnahm und von jetzt auf gleich ein pädagogisches Konzept für fünf Gruppen an den Start gebracht hat, musste immer wieder neu an die pandemischen Rahmenbedingungen angepasst werden. Aktuell sind 15 Kinder hier, verteilt auf drei feste Gruppen. Und Corona ist ein Thema, wenn auch nicht täglich.

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„Die Kinder stellen Fragen. Wieso sind wir allein? Wo sind die anderen Kinder? Die Kinder können nicht greifen, was die Pandemie bedeutet. Wir arbeiten das Thema inhaltlich mit ihnen auf und versuchen, es ihnen bildhaft zu erklären“, sagt Raffaela Cariglino-Lepere. Und Anette Heß sagt: „Obwohl uns die Kinder fehlen, machen wir das Beste aus der Situation. Wenn man einige Kinder plötzlich nicht mehr erreicht, ist es schwierig. Dennoch sind wir für alle Eltern erreichbar.“

Gruppenarbeit mit den Kindern. Aktuell sind 15 von 95 Kindern in der Kita.
Gruppenarbeit mit den Kindern. Aktuell sind 15 von 95 Kindern in der Kita. © Michael Kleinrensing

Cariglino-Lepere ergänzt: „Bei Fragen und Ratschlägen stehen wir den Eltern als Ansprechpartner zur Verfügung.“ Und während sie und ihre Kollegin Anette Heß davon erzählen, halten sie bereits kleine Präsente hoch, die sie für die Kinder mit Blick auf Karneval, sogar schon auf Ostern gebastelt und zusammengestellt haben. Liebevolle Kontakterhaltung mit Kindern, die man aktuell nicht sehen darf.

Herangehensweise verändert

Der zweite Lockdown hat die Herangehensweise verändert. In Lockdown eins durften jene Eltern noch ihre Kinder in die Kita schicken, die als „systemrelevant“ eingestuft waren. Im jetzigen Lockdown liegt die Bewertung, ob Eltern ihre Kinder doch außerhalb der Kita betreuen können, in den Händen der Eltern. Der Ansatz ist nun ein anderer.

„Für uns hat der Ansatz keine Rolle gespielt. Wir blicken auf die Kinder“, sagt Raffaela Cariglino-Lepere, „auf jedes einzelne.“ Die Antwort untermauert, was eingangs über den Typus der „Überzeugungstäter“ unter den vielen Erziehern und Erzieherinnen geschrieben worden ist. Vielleicht kann der Besuch in der Martin-Luther-Straße auch ein stellvertretendes Symbol für viele Menschen sein, denen die Pandemie vielleicht schon die Zuversicht, den Mut und den Glauben auf eine irgendwann wieder „normale“ Zeit genommen hat.

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Warum, das äußert sich in dem Satz, den Anette Heß sagt: „Wir könnten über die Rahmenbedingungen sicher auch schimpfen. Aber wir haben uns hier geschworen, das Beste daraus zu machen und Lösungen zu sehen und keine Probleme.“ Für diese Haltung und das Kopf-oben-Halten würde man schönerweise auch den Rückhalt aus der Elternschaft spüren. Raffaela Cariglino- Lepere: „Viele Eltern sind dankbar und wir spüren echte Wertschätzung. Auch wenn uns die Pandemie vielleicht noch länger in Atem hält: Es wird eine Zeit kommen, in der wir alle wieder beieinander sind.“