Hagen. In einer Phase des Nachsitzens hat die Stadt Hagen ihre Hausaufgaben rund um die Westside erledigt. Jetzt ist das Votum der Politik gefragt.

Seit tägliche Tausende Autos über die Hagener Bahnhofshinterfahrung rollen, wird allzu offensichtlich, welche Flächenschatz zwischen der neuen Verkehrsachse und dem Hauptbahnhof in zentraler Innenstadtlage hier schlummert. Entsprechend will die Stadt das Areal (26.000 Quadratmeter abzüglich der Verkehrs-, Leitungs- und Böschungsflächen) auch nicht an den erstbesten Interessenten verscherbeln, sondern dort die qualitätvolle Entwicklung eines neuen Stadtquartiers ermöglichen, das künftig das gesamte Bahnhofsquartier positiv befruchtet.

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Anfang nächsten Jahres soll die Politik, die sich bereits ausdrücklich für eine hochwertige gewerbliche Nutzungen und qualitätvolle Dienstleister an dem Standort ausgesprochen hat, den Realisierungsrahmen festlegen, damit interessierte Projektentwickler ihre Vorschläge schärfen und bis zur Entscheidungsreife ausarbeiten können. Diese fertigen Konzeptentwürfe könnten der Politik dann bis zur Sommerpause 2021 vorliegen.

Weiterer Interessent hat sich gemeldet

Dabei ist das Interesse an der prominenten Fläche, die von der Stadt wiederholt bei der internationalen Münchener Immobilienmesse Expo-Real angepriesen wurde, trotz der Corona-Situation ungebrochen. Neben dem bereits bekannten Bewerber-Trio (S&G Development GmbH, Frankfurt; Geohaus GbR, Mülheim; Dudoq Real Estate GmbH, Aachen), hat sich inzwischen eine weitere international agierende Unternehmensgruppe ins Gespräch gebracht, die bei einem Erstkontakt bereits skizzenhafte Konzeptvarianten für die Entwicklung der Flächen aus einer Hand präsentierte, aber anonym bleiben möchte. „Einzelanfragen von Unternehmen, die sich nicht auf die Gesamtfläche beziehen, können allerdings derzeit nicht positiv beantwortet werden“, betont Volker Ruff, Geschäftsführer der mit der Vermarktung federführend betrauten Hagen-Agentur.

„Grund dafür ist vor allem das fehlende Planungs- und Baurecht, unabhängig vom späteren Inhalt.“

Die Stadt Hagen hat schon erste konkrete Ideen, wie sich die Westside gestalten ließe. Projektentwickler sollen hier den Feinschliff liefern.
Die Stadt Hagen hat schon erste konkrete Ideen, wie sich die Westside gestalten ließe. Projektentwickler sollen hier den Feinschliff liefern. © WP | Sascha Kertzscher

Der gesamte Prozess war zu Jahresbeginn ins Stocken geraten, weil sich in den Verhandlungen mit den potenziellen Interessenten herauskristallisierte, dass rund um die Anbindung der Westside an den Hauptbahnhof, aber auch hinsichtlich möglicher Emissionen durch die Deutschen Edelstahlwerke (DEW) zu viele Schlüsselfragen noch nicht abschließend beantwortet werden konnten. Inzwischen hat die Stadt hier ihre Hausaufgaben erledigt, so dass die politischen Fachgremien – nach dieser Phase des planerischen Nachsitzens – bald konkret entscheiden können. „Derzeit erstellt der Fachbereich Stadtentwicklung eine umfangreiche Verwaltungsvorlage, welche die Relevanz des Störfallbetriebes DEW und die Auswirkungen auf die Planungen aufzeigt sowie die Erschließungsvarianten ,Unterführung Werdestraße’ und ,Durchstich Fußgängerunterführung Hauptbahnhof’ bewertet“, beschreibt Ruff den aktuellen Stand des Verfahrens.

Mit Projektentwicklern Hand in Hand

Die Auszeit, die sich die Stadt Hagen im Miteinander mit den Investoren bei der Westside-Entwicklung genommen hat, dient vor allem dazu, den Projektentwicklern die gewünschte planerische Sicherheit für ihre Ideen zu verschaffen.

Nach den entsprechenden Beschlüssen durch die Politik werden die Gespräche mit allen Projektentwicklern wieder aufgenommen. Die Stadt erwartet, dass diese dann konkrete Konzepte erarbeiten und präsentieren, die ein belastbares Auswahlverfahren ermöglichen.

Im Rahmen des Prozesses ist deutlich geworden, dass die ursprüngliche Idee, das notwendige Planungs- und Baurecht über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplans zu schaffen, in einem ersten Schritt nicht zielführend ist. Stattdessen wird die Stadt jetzt selbst die Bauleitplanung durchführen, wobei aber das Konzept des letztendlich ausgewählten und favorisierten Projektentwicklers konkret in die Überlegungen einbezogen wird.

Immerhin fällt DEW unter die Störfallverordnung der Europäischen Union (Seveso-III-Richtlinie), die in einem Umkreis von 525 Metern strenge Auflagen für den dauerhaften Aufenthalt definiert. Deshalb verfolgte die Stadt zuletzt die Idee, in direkter Nachbarschaft zu dem Stahlunternehmen lediglich schwach frequentierte Nutzungen wie ein Parkhaus vorzusehen, während in größerer Distanz auch ein Hotel vorstellbar wäre. Ein dauerhafter Aufenthalt von Menschen – beispielsweise in Wohn- und Pflegeeinrichtungen – wäre hingegen allerorten ausgeschlossen.

Längerer Gleistunnel wird teuer

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Abzuwägen ist weiterhin, ob die Westside über einen etwa 40 Meter umfassenden Ausbau des ohnehin 115 Meter langen Gleistunnels an den Hauptbahnhof angeschlossen oder der verschlossenen Unterführung Werdestraße zu neuem Glanz verholfen wird. Dies erscheint nämlich durchaus möglich, weil parallel zu der zuletzt bloß noch als schummeriger Angstraum wahrgenommenen unterirdischen Konstruktion noch ein alter Post-Tunnelschacht besteht. Über diese fast vergessene Röhre gibt es bereits direkte Aufzüge zu den Gleisen. Allerdings müssen die entsprechenden Öffnung, die einst verfüllt wurden, erst wieder freigelegt werden. Die zuletzt favorisierte Gleistunnel-Verlängerung dürfte hingegen angesichts der immensen Kosten und einem Umsetzungszeitrahmen von mindestens acht Jahren äußerst schwierig werden. Hier stand zuletzt ein Betrag von zwölf Millionen Euro im Raum.

Diese Kosten sind weder förderfähig noch durch den Verkauf der Westside-Flächen zu refinanzieren. Die Werdestraßen-Lösung dürfte hingegen deutlich günstiger zu haben sein und könnte zudem auf Städtebaufördermittel hoffen.