Hagen. Um einen erneuten Lockdown verhindern zu können, bemüht sich die Stadt Hagen intensiv, die Corona-Infektionsketten nachzuverfolgen.
Bei der Covid-19-infizierten Single-Dame, die ohnehin gerne zu Hause weilt und nur zum Einkaufen und Arbeiten das Haus verlässt, lässt sich der Kreis möglicher Kontaktpersonen schnell eingrenzen. Weitaus komplexer ist hingegen der Fall des Reiserückkehrers, der nach zweimaligem Umsteigen in Deutschland landete und bei dem jetzt im Rahmen der Nachverfolgung möglicher Infektionsketten zwei komplette Flugzeugbesatzungen über den möglichen Kontakt mit einem Corona-Patienten informiert werden müssen. „Unser Gesundheitsamt geht auf dem Zahnfleisch“, betont der Erste Beigeordnete der Stadt Hagen, Christoph Gerbersmann. Seit Wochen ist das inzwischen mehr als 50-köpfige Team bis spät in die Nacht im Einsatz – sieben Tage die Woche. Und seit dieser Woche hilft auch noch die Bundeswehr mit zehn Landsern mit: Am Dienstag haben diese Soldaten Quartier im Haus Busch bezogen und somit den Dienst an der Waffe gegen Telefonhörer und Computer getauscht.
Daten sichern schnelle Reaktionsfähigkeit
Als Infektionsschutzbehörde hat die Stadt Hagen inzwischen bei alle Schulen und Kindertagesstätten die Kontaktdaten eingefordert.
„Je schneller wir reagieren können, desto kleiner können wir den Kreis der Nachverfolgung halten und die komplette Schließung von Einrichtungen vermeiden“, versichert der Erste Beigeordnete Christoph Gerbersmann, dass die Stadt mit den Daten gewissenhaft umgeht.
Gleichzeitig betont Gesundheitsamtsleiterin Dr. Anjali Scholten: „Unser Problem ist nicht die Gastronomie, sondern das sind die privaten Haushalte“, appelliert die Medizinerin den gesunden Menschenverstand walten zu lassen, aber auch nicht in Panik zu verfallen: „Letztlich ist Corona bloß eine Erkältungskrankheit.“
„Der Kampf gegen Corona ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, betont Oberstleutnant Stefan Heydt vom NRW-Landeskommando. Fünf Tage nachdem die Stadt den Hilfeleistungsantrag gestellt hatte, rückten die Soldaten im einstigen Journalistenzentrum ein. „Zwei Tage lang wurden wir hier vor Ort perfekt eingearbeitet, haben permanent einen Vertreter der Gesundheitsbehörde an unserer Seite und sind jetzt engagiert dabei“, erzählt Hauptfeldwebel Marius Esser, der mit neun Kameraden von der Luftwaffen-Unterstützungsgruppe Kalkar ins Lennetal abkommandiert wurde.
Engagierte Arbeit bis tief in die Nacht
„Zentrales Ziel der Nachverfolgung ist es, einen zweiten Lockdown zu verhindern“, betont Gerbersmann. „Dafür ist es existenziell, Kontakte nachzuverfolgen und Menschen in Quarantäne zu schicken – das darf uns nicht aus dem Ruder laufen“, würdigt er die akribische, engagierte Arbeit der städtischen Bediensteten, die bislang bereits von Hilfsdiensten sowie Freiwilligen unterstützt werden. Und jetzt obendrein noch vom Militär. „Wir Soldaten sind Teil des Teams“, berichtet Heydt, dass zurzeit bundesweit 15.000 seiner Kameraden für diese und ähnliche Unterstützungsaufgaben bereitstehen. In Hagen zunächst einmal bis zum 13. November, doch Gesundheitsamtsleiterin Dr. Anjali Scholten hat gegenüber der Generalität bereits signalisiert, dass die Frauen und Männer in den Tarnanzügen auch deutlich länger willkommen sind.
„Im Gegensatz zum Frühjahr, als viele Infizierte aus kritischen Gebieten von Urlaubsreisen zurückkehrten oder klare Symptome zeigten, hat uns diesmal das Genick gebrochen, dass so viele asymptomatische Fälle auftreten, was die Nachverfolgung zusätzlich erschwert“, beschreibt die städtische Medizinerin die aktuelle Lage. 70 Prozent der Corona-Positiven – darunter vor allem Kinder – wussten zuletzt gar nicht, dass sie Virusträger sind. Umso deutlicher appelliert Scholten, Hygiene-, Abstands- und Maskenregeln konsequent einzuhalten – vor allem in Einrichtungen, wo viele Menschen zusammenkommen. Vor allem über Familien, wo die einzelnen Mitglieder beim Sport, in Kirchengemeinden, Schulen, am Arbeitsplatz oder bei Festivitäten unterwegs seien, würde sich Corona äußerst dynamisch verbreiten. „Wenn nur ein Raucher im Raum ist, hat sich der Geruch blitzschnell in jede Ecke verbreitet – aber das Virus riecht man nicht“, skizziert Scholten die permanente Ausbreitungsgefahr.