Helfe. Im Zuge der Corona-Krise treten Probleme zutage, die es vorher nicht gab. Ein Lehrer aus Hagen droht auf hohen Stornokosten sitzen zu bleiben.

Bleibt Jürgen Lohse (47), Klassenlehrer an der Gesamtschule in Helfe, auf den Kosten einer Klassenfahrt sitzen? Das befürchtet der Pädagoge, der seit 17 Jahren Deutsch und Sozialwissenschaften unterrichtet, seitdem er die schon gebuchte Fahrt in die Jugendherberge Wetzlar storniert hat: „Die Rechnung über 4300 Euro liegt auf meinem Schreibtisch.“

Die Geschichte begann Anfang des Jahres, als in Deutschland noch niemand von Corona redete. Jürgen Lohse suchte mit seiner achten Klasse nach einem Ziel für die in diesem Jahrgang obligatorische Klassenfahrt. Die Wahl fiel auf Wetzlar, eine Parallelklasse wollte ebenfalls mit, Lohse buchte in der Jugendherberge vom 7. bis 11. September vier Nächte für 64 Schüler und vier Lehrer. Da war die Welt noch in Ordnung.

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Dann kam Corona, die Welt stand Kopf, und viele Eltern wollten ihr Kind nun nicht mehr auf eine Klassenfahrt schicken. „Das kann ich auch nachvollziehen. Das Ansteckungsrisiko ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Ich wollte ja auch selbst nicht fahren“, sagt Lohse, der die Fahrt daraufhin im August stornierte.

Runderlass der Landesregierung

Doch im Falle eines Reiserücktritts kann die Jugendherberge, so sehen es die Vertragsbedingungen vor, Stornierungsgebühren erheben. Hat sie auch getan. Denn die nordrhein-westfälische Landesregierung hatte per Runderlass zwar alle Klassenfahrten ins Ausland verboten, Fahrten und Exkursionen innerhalb Deutschlands waren jedoch erlaubt. Lohse hatte die Tour also quasi eigenmächtig abgesagt. Von den betroffenen Familien haben zwar zwei Drittel ihren Betrag erstattet, die Eltern von zehn Kindern aber sträuben sich und argumentieren, sie würden doch nicht für eine Fahrt zahlen, die gar nicht stattgefunden habe, so Lohse: „Mir fehlen noch 1400 Euro.“

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Und wer zahlt nun? Nach den Herbstferien läuft die Frist ab, dann muss das Geld überwiesen werden. Die Bezirksregierung in Arnsberg verweist darauf, dass generell die Eltern der Schüler für die Kosten einer abgesagten Klassenfahrt aufkommen müssten. Schließlich hätten sie sich mit ihrer Unterschrift dazu verpflichtet.

Obligatorische Unterschrift

Doch diese eigentlich obligatorische Unterschrift bei den Eltern einzuholen, hatte Lohse bei der Buchung der Reise unterlassen. Schließlich hatte es in all den Jahren zuvor nie Probleme gegeben. Und wer konnte Anfang des Jahres schon mit der Corona-Krise rechnen?

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Wenn die Eltern nicht unterschrieben haben, für eventuell anfallende Stornogebühren aufzukommen, könnten sie zwar, wie zwei Drittel von ihnen in der Klasse von Jürgen Lohse, so freundlich sein und diese dennoch überweisen, um dem Lehrer aus der Patsche zu helfen, berichtet Jochen Becker, Leiter des Fachbereichs Bildung bei der Stadt Hagen: „Einklagen kann man das aber nicht, eben weil sie ja nichts unterschrieben haben.“

Verhältnis zu Eltern „ungünstig“

Andererseits gebe es einen Erlass der Landesregierung, der Lehrern in bestimmten Situationen erlaube, eine Klassenfahrt abzusagen. Die Stadt als Schulträger springe dann für auftretende Gebühren ein und leite die Rechnung an die Bezirksregierung, Dienstherrin aller Pädagogen in Hagen, weiter. Der Bezirksregierung obliege es wiederum zu prüfen, ob ein Lehrer vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe und die Stornokosten eventuell von ihm zurückzufordern.

Grundsätzlich keine Reisen ins Ausland

Das NRW-Schulministerium hatte angeordnet, alle Klassenfahrten ins Ausland abzusagen.

Das betrifft auch Tagesausflüge, Studienfahrten und Schüleraustausche.

Stornierungskosten werden bis zu den Herbstferien vom Land übernommen. Für Auslandsfahrten danach übernimmt das Land keine Kosten.

Dagegen dürfen Fahrten und Exkursionen innerhalb Deutschlands unter Beachtung der Maßnahmen zur Wahrung des Infektionsschutzes durchgeführt werden. Mehrtägige Reisen innerhalb NRWs oder in andere Bundesländer sind somit möglich.

Wie es aussieht, ist Jürgen Lohse in ein Spiel über Bande geraten. Das Verhältnis zu den Eltern seiner Klasse sei derzeit „ungünstig“, berichtet er. Denn wie auch immer dieser Nervenkrieg ausgeht: Die Eltern, die gezahlt haben und nun hören müssen, dass ein Drittel nicht für die Stornokosten aufkommen muss, werden sich schön bedanken.