Hagen. Die Stadt Hagen hat einen Verhütungsmittelfonds eingerichtet. Pro Jahr stehen 20.000 Euro zur Unterstützung mittelloser Frauen zur Verfügung.

Die Stadt Hagen hat einen Verhütungsmittelfonds ins Leben gerufen. Pro Jahr stehen 20.000 Euro für Frauen zur Verfügung, die sich die relativ teure Schwangerschaftsverhütung mittels Spirale oder Hormonimplantat nicht leisten können. Die Einrichtung des Finanzierungstopfs war auf Initiative der Grünen zustande gekommen: „Dass eine Frau nicht schwanger werden will, darf doch nun wirklich nicht am fehlenden Geld scheitern“, so Karin Köppen, Mitglied im Sozialausschuss.

Das Geld wird je zu einem Drittel von den Beratungsstellen Sichtweise, Donum vitae und Arbeiterwohlfahrt verwaltet, die es Frauen, die bei ihnen Hilfe suchen, zur Verfügung stellen können. Die Beratungsstelle des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) beteiligt sich aus religiösen Gründen nicht an dem Fonds. „Das Geld ist für Frauen in sozialen Notlagen gedacht“, betont Patrizia Hültenschmidt, Sozialarbeiterin bei Donum vitae.

Langfristig wirkende Verhütungsmittel

Finanziert werde mit dem Geld ausschließlich der Erwerb langfristig wirkender Verhütungsmittel wie der Spirale. Für die Pille oder gar für Kondome werde das Geld nicht weitergegeben. Es bestehe auch kein Rechtsanspruch auf eine finanzielle Zuwendung, so Patrizia Hültenschmidt, zudem werde jeder Einzelfall untersucht: „Einfach nur verhüten zu wollen, reicht als Begründung für eine Unterstützung nicht aus.“ Es werde genau geprüft, ob eine finanzielle Notlage vorliege.

Bei den drei staatlich anerkannten Beratungsstellen Sichtweise, Donum vitae und Arbeiterwohlfahrt nutzten im Jahre 2018 insgesamt 450 Hagener Frauen das Angebot einer Schwangerenkonfliktberatung. Am Ende eines solchen Gesprächs stellen die Mitarbeiterinnen einen Schein aus, der belegt, dass die Schwangere beraten wurde. Diesen Schein muss die Frau – so sie die Schwangerschaft beenden möchte – bei dem Arzt vorlegen, der den Abbruch vornimmt.

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Die Beratungsstelle des Sozialdienstes katholischer Frauen in Hagen stellt keinen Beratungsschein für eine Schwangerschaftskonfliktberatung aus, weil ein möglicher Abbruch nicht mit dem katholischen Selbstverständnis vereinbar ist. Warum sich der SkF nicht an dem Verhütungsmittelfonds beteiligt, wollte oder konnte auf Anfrage kein Verantwortlicher begründen. Dafür nahm Benjamin Krysmann, Sprecher des Erzbistums Paderborn, Stellung: „Künstliche Empfängnisverhütung gehört nicht zu den Bereichen, für die sich die katholische Kirche engagiert.“

16,11 Euro für Gesundheitspflege

Karin Köppen verwies darauf, dass mit der Umsetzung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes im Jahre 2004 die Kostenübernahme für Verhütungsmittel für alle Frauen ab 22 Jahren, die im alten Sozialhilferecht noch bestanden habe, entfallen sei: „Seitdem müssen alle Kontrazeptiva aus dem monatlichen Regelsatz von aktuell 424 Euro gezahlt werden. Darin sind 16,11 Euro für die gesamte Gesundheitspflege enthalten.“ Damit bestehe das Risiko unerwünschter Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüchen, weil die betroffenen Frauen aus Geldmangel auf Kontrazeptiva verzichteten.

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Patrizia Hültenschmidt erklärte, mit den zur Verfügung stehenden 20.000 Euro könne man nicht die Welt retten, aber wenigstens einigen Frauen und Familien helfen: „Familienplanung ist ein Menschenrecht.“ Mit Spenden für diesen Bereich könnten die Beratungsstellen leider nicht rechnen: „Viele Menschen wollen mit der Sexualität anderer Leute nichts zu tun haben. Und viele denken, dass Sex etwas ist, das man nicht haben kann oder muss. Das ist aber utopisch. Wir müssen da anpacken, wo wir können.“ Zudem solle man die Folgekosten bedenken, die entstünden, wenn ein unerwünschtes Kind im Heim lande und seine Versorgung von der Gesellschaft getragen werden müsse.

Belastende Lebensumstände

Unterstützt werden Frauen mit Leistungen gemäß SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz, Wohngeld, Bafög oder Kinderzuschlag, sowie Frauen, deren Einkommen unter einer definierten Einkommensgrenze liegt.

Zusätzlich muss eine besonders schwerwiegende soziale Notlage vorliegen, die entweder durchkörperliche, geistige, psychische Einschränkungen gekennzeichnet ist oder durch besonders belastende Lebensumstände.

Das Ziel sollte zwar sein, allen Frauen mit geringem Einkommen einen Zuschuss zu empfängnisverhütenden Maßnahmen zu gewähren. Da es sich aber um eine freiwillige Maßnahme der Stadt Hagen handelt, können die Hilfeleistungen aus dem Fonds vorerst nur für besonders schwerwiegende soziale Notfälle in Betracht kommen.

Auch Katharina Eßer, Pfarrerin der evangelischen Stadtkirche, ist der Auffassung, dass Familienplanung in einem demokratischen Staat längst keine Privatangelegenheit mehr sei, sondern eine politische Frage: „Leider ist dieses Menschenrecht der Familienplanung oft nur denen vergönnt, die es sich leisten können.“

Im Vorfeld des Weltverhütungstages am Samstag lädt sie deshalb am Freitag, 25. September, um 18 Uhr alle Interessierten zu einer Andacht in die Johanneskirche am Markt ein. Im Anschluss stehen Mitarbeiterinnen von Beratungsstellen zum Gespräch bereit.