Hagen. Die Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Märkischen Arbeitgeberverbandes schmeicheln Hagen nicht. Dazu äußert sich Geschäftsführer Özgür Gökce.

Es sind wahrlich nicht nur gute Ergebnisse, die jetzt auf dem Tisch liegen. Fakten, die vor einer Kommunalwahl für Aufsehen sorgen, weil die Stadt Hagen in so vielen Kategorien schlechter abschneidet als der Durchschnitt der NRW-Städte. Und trotzdem sieht Özgür Gökce, Geschäftsführer des Märkischen Arbeitgeberverbandes (MAV) in der Studie, die das Institut der Deutschen Wirtschaft im MAV-Auftrag erstellt hat, auch Chancen.

Bei der OB-Kandidaten-Diskussion unserer Zeitung und der SIHK hat Toni Junius, Geschäftsführer von CD Wälzholz, der Stadt schon die Leviten gelesen. Auch Sie zeigen kritische Punkte auf. Ist das nicht ein bisschen viel?

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Nein, das denke ich nicht. Die Studie ist Basis für unsere Positionierung im Vorfeld der Kommunalwahl. Es ist nicht unser Ansatz, zurückzublicken und einen Schuldigen auszumachen. Wir wollen nicht nur Defizite aufzeigen. In einem solchen Ergebnis liegen auch Chancen.

Nähern wir uns mal inhaltlich – welcher der vielen aufgezeigten Punkte ist in Hagen für die Unternehmen von besonderer Bedeutung?

Das Thema Gewerbesteuer sticht einfach heraus. Mit einem Hebesatz von 520 liegt Hagen da im NRW-weiten Vergleich sehr weit vorn. Ein Hebesatz in dieser Höhe ist kein gutes Argument, wenn man um Neuansiedlungen wirbt. Und für die ansässigen Unternehmen ist er eine riesige Belastung. Hagen verliert dadurch an Attraktivität. Aber letztlich zeigt die Studie auch, dass hier das Gesamtpaket an manchen Stellen nicht stimmt.

Wie meinen Sie das?

Wir haben die Bereiche Wirtschaft, Arbeiten, Wohnen und Lebensqualität untersucht. Wenn ich mich als Fachkraft für ein Unternehmen entscheiden soll, spielen all diese Faktoren eine wichtige Rolle. Wir haben rund 460 Mitglieder im Verbandsgebiet, davon 85 Mitglieder in Hagen und Umgebung. Darunter sind Weltmarktführer. Von daher gehen wir davon aus, dass der Mangel an Fachkräften nicht in erster Linie mit der fehlenden Attraktivität der Arbeitgeber zu tun hat. Es liegt aus unserer Sicht auch an den Rahmenbedingungen.

Aber auch beim Thema Patentanmeldungen hinkt Hagen hinterher . . .

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Das ist ein deutliches Zeichen für fehlende Innovationskraft. Da waren wir schon ein wenig verblüfft. Das Ergebnis überrascht, weil es hier die Fernuni und die Fachhochschule Südwestfalen gibt – mit vielen kreativen Köpfen. Aber: An der Fernuni kommen die Studenten – wie der Name ja sagt – nicht aus Hagen. Und was die Studierenden der FH angeht, so denken wir, dass trotz guter Kooperationen viele nach dem Abschluss immer noch die Region verlassen. Wir müssen aufpassen, dass uns andere Regionen wie das Ruhrgebiet oder das Bergische Land nicht den Rang ablaufen.

Ist es da nicht zu einfach, mit dem Finger auf Politik zu zeigen?

Nochmal – darum geht es uns nicht. Wir wollen uns selbst aktiv einbringen. Das ist für uns enorm wichtig. Wir haben schon mit der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer und dem neuen Wirtschaftsförderer der Stadt zu diversen Themen zusammengesessen und uns ausgetauscht. Auch bei dem Thema Innovations- und Technologietransfer sehen wir Möglichkeiten und Chancen. Dazu haben wir hier die besten Voraussetzungen. Gemeinsam mit der Fachhochschule haben wir Stipendien-Programme aufgelegt. Unser gemeinsames Ziel ist es, Fachkräfte hier in der Region zu halten.

Wie sind denn Ihre Mitgliedsunternehmen in der Corona-Krise aufgestellt?

Viele sind als Zulieferer abhängig von den Entwicklungen in der Automobil-Industrie. Durch die Transformation in Richtung E-Mobilität ist ohnehin einiges ins Wanken geraten. Und dann kam Corona noch hinzu. Viele stehen unter einem enormen Kostendruck. Dabei spielt dann nicht nur – wie beim Thema Gewerbesteuer – ein interkommunaler, sondern auch ein internationaler Wettbewerb eine Rolle. Es gibt immer wieder die Erwartungshaltung, dass auch Zulieferer mit zu den ausländischen Produktionsstätten der Hersteller wechseln.

Also müssen wir uns auf massive Abwanderung einstellen?

Wenn die Rahmenbedingungen vor Ort stimmen, glaube ich das nicht. Viele unserer Mitglieder sind mittelständisch geprägte Familienunternehmen. Sie sind sehr heimatverbunden, engagieren sich vor Ort, auch weil sie so die Menschen hier für sich gewinnen können. Sie beweisen eine hohe Loyalität.

Was ist denn Ihre Kernbotschaft vor der Kommunalwahl?

Wir wünschen uns ein wirtschaftsfreundliches Klima und eine wirtschaftsfreundliche Verwaltung. Das zu schaffen, ist unser klarer Auftrag an die Verwaltung und an den kommenden Oberbürgermeister. Immerhin hat die Stadt Hagen mit der Neuaufstellung der Hagen-Agentur einen ersten Schritt in diese Richtung getan.

Gibt es denn auch positive Botschaften aus der Studie?

Natürlich. Die gute Breitbandversorgung spricht für den Standort Hagen. Das Engagement in diese Richtung darf aber nicht nachlassen. Auch der positive Wanderungssaldo der 30- bis 50-Jährigen stimmt uns grundsätzlich erst einmal optimistisch. Es muss künftig vermehrt darum gehen, Menschen zu qualifizieren. Da stehen wir in engem Austausch mit der Agentur für Arbeit und gucken, welche Möglichkeiten wir in unseren eigenen Institutionen haben. Auch die Nähe zu den Autobahnen hier vor Ort ist ein großes Plus. Dazu kommen weiche Faktoren, die passen. Hagen ist eine sehr grüne Stadt. Naherholung gibt es vor der Tür.