Hagen . In puncto medizinischem Angebot können und wollen sich die Hagener nicht beschweren – allerdings nerven die Wartezeiten bei den Fachmedizinern.
Hagen ist in fast allen Fachbereichen überversorgt. Das ist die Nachricht, die die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe auf die Konfrontation mit der Benotung im Heimatcheck gibt. Und: Neue Ärzte dürfen sich deswegen zum Teil nicht niederlassen. Die Hagener hatten die Medizinische Versorgung mit der Note 2,85 bewertet: Das zweitbeste Ergebnis für die Volmestadt. Dennoch gibt es Unmut: Großer Ausreißer war mit der Note 4,25 der Bereich „An der Lenne“, der die Ortsteile Halden, Bathey, Hengstey, Garenfeld, Berchum, Fley umfasst.
Kritik an der Verteilung
Die Ergebnisse könnten mit Blick auf zahlreiche Praxen und mehrere Krankenhäuser in Hagen wahrlich besser sein. Woran die teils schlechten Bewertungen liegen, zeigen Kommentare auf Facebook. Bürger hatten dort die Berichterstattung zum Heimatcheck kommentiert. Vor allem bemängelt werden dabei lange Wartezeiten – insbesondere bei Fachärzten; und ausgelastete Praxen, die keine Patienten mehr aufnehmen. „Termine bei 6 bis 30 (!) Wochen nach Anruf bei Ärzten. Manches mal sind bei dem Termin die Symptome schon verklungen“, schreibt Markus Hermann. „Neurologen und Pädiater nehmen keine neuen Patienten auf. Beim Orthopäden und Kardiologen wartet man monatelang und beim Hautarzt ist es ähnlich“, kommentierte Jüke Schilgreweken. Und Werner Ber findet: „Es kann ja sein, dass es eine Überversorgung gibt. Nur die Verteilung ist nicht überall die selbe. In Halden oder Fley gibt es keinen Arzt für Allgemeinmediziner.“
Hier die Einschätzungen der im Hagener Rat vertretenen Fraktionen:
Claus Rudel, SPD-Fraktionschef:
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Die medizinische Versorgung in Hagen ist zufriedenstellend. Tatsächlich gibt es in vielen Krankenhäusern einen Renovierungsstau, den die Träger in den nächsten Jahren Schritt für Schritt aufarbeiten wollen. Im Vergleich zum ländlichen Raum haben wir aber eine hohe Krankenhaus und Ärzte-Dichte. Dass trotzdem viele Behandlungen nicht im Sinne der Patienten verlaufen, liegt auch an individuellen Krankheitsbildern. Trotzdem steht die Stadt natürlich in der Pflicht, den Stand der medizinische Versorgung sicherzustellen.
Jörg Klepper, CDU-Spitzenkandidat:
Durch das neue Gesundheitszentrum in Haspe setzen wir ein wichtiges Zeichen. Unsere Krankenhäuser sind gutausgestattet und leisten eine sehr gute Arbeit. Das spiegelt sich in der Umfrage wider. Für uns ist es wichtig, dass alle Menschen in Hagen schnellstmöglich in Notfallsituationen versorgt werden können.
Michael Eiche, AfD-Fraktionschef:
In Hagen scheint es eine überdurchschnittliche Versorgung zu geben. Auch hier trifft Statistik auf Wirklichkeit. Wenn man wie ich mal um 23 Uhr einen Splitter ins Auge bekommt, wird man nach Bochum ins Bergmannsheil verwiesen. Ich musste mit rotem, dickem Auge selber Auto fahren bis Bochum. Das sind die Einzelfälle, die uns die Wirklichkeit zeigen, nicht die hervorragende Statistik. So etwas dürfte einem Patienten, der jahrelang viel Geld einzahlt, nicht passieren.
Nicole Pfefferer, Grünen-Fraktionssprecherin:
Aus Sicht der Patienten könnte die Versorgung immer besser sein. Gerade für Ältere und Menschen mit Behinderung wäre es besser, zumindest eine Hausarztpraxis wohnortnah erreichen zu können. Die Verteilung obliegt aber nicht der Stadt sondern der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Vernetzung der Stadt Hagen mit Trägern,Selbsthilfegruppen und Organisationen des Gesundheitswesens ist gut. Das Gesundheitsamt hat vor allem in den Corona-Zeiten einen sehr guten Job gemacht –davor haben wir große Hochachtung.
Claus Thielmann, FDP-Fraktionschef:
Zum Glück haben wir noch keine drastische Unterversorgung wie in einigen ländlichen Gemeinden, jedoch nehmen die Probleme z.B. bei der Facharztversorgung zu. So gibt es bei Kinderärzten bereits erste Engpässe. Eine breite medizinische Versorgung muss auch für die Stadtbezirke weiterhin garantiert werden. Gerade ältere Menschen sind auf kurze Wege angewiesen. Die Stadt kann hier durch gezielte Anwerbungskampagnen unterstützend tätig werden, z.B. über die Hagen-Agentur. Dies sollte passieren, bevor Praxen aus Mangel an interessierten Nachfolgern schließen.
Josef Bücker, Hagen-Aktiv-Fraktionschef:
Befriedigend - das sehen wir ähnlich, wenn auch hier mehr differenziert werden sollte nach medizinischen Sparten. Von großem Vorteil wäre in unseren Augen so etwas wie ein Zentralklinikum an einem gut erreichbaren Platz in Hagen.
Ingo Hentschel, Linken-Spitzenkandidat:
Wir finden die medizinische Versorgung in Hagen im Bereich der Akutversorgung gut, allerdings sehen wir große Schwächen im Bereich der Fachärzte und des Notdienstes. Oft müssen Patienten lange auf Termine warten. Einige Praxen nehmen schon keine neuen Patienten mehr auf. Wir wollen, dass sich deutlich mehr Fachärzte in Hagen ansiedeln können und die Praxen barrierefrei sind. Deutlich verbessert werden muss der Notdienst vor Ort. Wir fordern auch eine Stärkung und bessere Anerkennung von Pflegeberufen im ambulanten und stationären Bereich.
Thorsten Kiszkenow (Piraten) und Frank Schmidt (BfHo):
Eine ebenfalls erstaunlich gute Note, die wir in erster Linie auf den im Vergleich zu anderen Nationen überzeugenden Umgang Deutschlands mit der Covid-19-Pandemie zurückführen. Dennoch treten zunehmend Schwächen des Gesundheitssystems zu Tage. Auf so manchen Facharzttermin müssen Patienten monatelang warten, und die Schließung vieler kleiner Krankenhäuser ist ein Irrweg. Die Schließung des Krankenhauses in Elsey, dicht gefolgt von der des Letmather Marienhospitals, hat die dortige ärztliche Versorgung deutlich verschlechtert.