Hagen. Auf einmal schwollen die Beine an: Britta Stiebler aus Hagen leidet an Lipödem. Die Krankheit hat sie mittlerweile im Griff.
Britta Stiebler (31) hat darin Belastung und Berufung gefunden. Belastung deshalb, weil es für eine junge Frau alles andere als schön ist, an Lipödem zu leiden. Berufung deswegen, weil Stiebler einen Weg gefunden hat, die Krankheit in Schach zu halten, und anderen betroffenen Frauen eine Hoffnung und eine Perspektive geben will.
Es ist Britta Stieblers Aufbruch eines Tabu-Themas, das allein in Deutschland vier Millionen Frauen betrifft. Das Paradoxe im Fall von Britta Stiebler ist: Wer es nicht weiß, wird es vermutlich gar nicht bemerken. Denn die typische Form der Beine von Betroffenen, die wie geschwollen wirken und für die der Volksmund den eher abwertenden Begriff der Reiterhosen geprägt hat, ist eigentlich nicht zu erkennen.
Optik des Körpers ändert sich extrem
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Dabei ist Lipödem eine stetig voranschreitende Erkrankung, bei der sich Fettgewebe im Übermaß völlig atypisch beispielsweise an den Seiten der Hüften und Schenkel bildet und die symmetrische Optik des Körpers extrem verändert. Als Britta Stiebler Anfang 20 war, hatte sie einen schmalen und schlanken Oberkörper. Doch je mehr es Richtung Hüften und Beine ging, desto geschwollener und aufgedunsener wirkten ihre Gliedmaßen.
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Auf einem Jugendfoto hat die gelernte Automobil-Kauffrau keinerlei Konturen mehr unten herum. Schenkel, Knie, Waden – alles hat die gleiche Breite und Schwellung. Heute sieht Stiebler sportlich aus. Die Beine fügen sich optisch in das Gesamtbild des Körpers ein. „Ich habe die Sache im Griff“, sagt sie und schiebt hinterher: „Aber das erfordert unheimlich viel Disziplin.“ Wohl wahr. Denn die 31-Jährige hält ihre Körperform durch einen eisernen Ernährungsplan, in dem tierische Eiweiße deutlich reduziert werden. Wenig Fleisch, wenig Zucker.
Heilpraktiker hilft Hagenerin mit Lipödem
Das zahlen die Kassen
Die Gesetzlichen Krankenkassen zahlen in Zukunft die Kosten einer Fettabsaugung, wenn Betroffene an Lipödem im Stadium 3 erkrankt sind. Die Entscheidung hat der Gemeinsame Bundesausschuss Ende vergangenen Jahres getroffen, in dem Ärzte, Kliniken und Krankenkassen über Leistungen der Krankenversicherung beraten.
Welche Leistungen die Kassen für die weiteren Stadien der Erkrankung übernehmen, entscheidet der Ausschuss zu einem späteren Zeitpunkt.
Der Blick auf ihre Beine und eine Kompressionsstrumpfhose erinnern sie daran, dass mit dem Lipödem lebenslange Disziplin einhergehen werden, um nicht komplett in das alte Stadium zurückzufallen. Sie hatte viel versucht, bevor sie 2011 in Mannheim an einen Heilpraktiker geriet, der ihr Lipödem nicht operativ, sondern alternativ anging.
„Als ich 18 war, setzte ich auf viel Fitness und wenig Essen. Und wenn, dann aß ich proteinhaltig“, sagt Stiebler. Wie sich heute herausstellt, der völlig falsche Weg für sie. Das Anschwellen der Beine hatte begonnen, als sie in die Pubertät gekommen war, mit etwa 13 oder 14 Jahren. Sie war nie übergewichtig gewesen, trieb viel Sport. Plötzlich schwollen Beine und Hüften so stark an, dass der Druckschmerz irgendwann höllisch war.
Schwangerschaft kann Wendepunkt sein
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Drei Stadien hat die Krankheit (siehe Beitext). Stiebler befand sich in Stadium eins. Ihr Glück. Durch die Therapie in Mannheim, zu der begleitend auch die Behandlung in Kälte- und Wärmekammern gehörte, Lymphabfluss und Lymphdrainage, verlor sie zunächst fünf Kilo in neun Tagen. Später weitere 15 Kilo. „Mein Gewebe fühlte sich komplett anders an, meine Haut wurde wieder besser“, sagt Britta Stiebler.
Die Pubertät, eine Schwangerschaft und die Wechseljahre gelten laut Stiebler als Wende- oder Startpunkte des Krankheitsbildes. „Welche Auswirkungen das haben wird, wenn ich mal schwanger werden sollte, kann ich nicht abschätzen. Ich werde das sehr genau im Blick haben und sehen, wie es sich entwickelt.“ Niemand in ihrer Familie war durch ein Lipödem vorbelastet. Ihre Geschwister beschreibt Stiebler als schlank, auch die eigene Mutter berichtet nicht von solchen „Störungen“.