Hagen. Eine Hagenerin bietet sexuelle Dienstleistungen im Internet an. Mittlerweile macht die Arbeit ihr Spaß, sagt sie. Ihre Geschichte.

Auf einer grauen Kiste stehen eine kleine Kamera und ein Laptop, zwei Lichter strahlen die graue Couch auf der linken Seite im Raum an. Rechts steht ein weißer Holz-Schreibtisch mit geordneten rosa-weißen Schmetterlingsordnern. Die rote Lampe an der Kamera leuchtet. Wenn Isabelle* (26) online geht, ploppen hunderte Nachrichten in ihrem Postfach auf. Die Kunden wollen sie. Sie und ihren Körper, Videos, Fotos, anzügliche Nachrichten.

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Die Hagenerin arbeitet als Webcam-Girl und erfüllt sexuelle Wünsche gegen Bezahlung. Warum verkauft eine junge Frau ihren Körper im Internet? „Ich habe extrem hohe Schulden, fast 40.000 Euro. Ich konnte nie mit Geld umgehen, das war immer meine größte Schwäche“, sagt die Hagenerin. „Ich habe ein paar Kredite nicht abbezahlt und viele offene Rechnungen.“

Schon lange suchte sie deswegen nach Möglichkeiten, im Internet zusätzlich neben ihren zwei Jobs Geld zu verdienen. „Über eine Seite habe ich dann erst getragene Höschen an Männer verkauft.“ Niemand sieht sie, sie bleibt anonym. Die Hagenerin arbeitet 40 Stunden die Woche, hat zwei Jobs. Aber das Geld reicht nicht. Isabelle ist wegen der finanziellen Sorgen verzweifelt. Auf der Seite, über die sie die Höschen verkauft, können Männer auch Bilder, Videos oder Live-Chats mit der jungen Frau kaufen. Dann dreht sie ihr erstes Video.

Familie und Freunde stehen hinter ihr

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Das erste Video ist für sie eine Überwindung, sie erinnert sich noch genau. „Ich sollte mich mit halterlosen Strümpfen in meine Badewanne legen und mich selbst befriedigen. Ich war total nervös, habe mich erst nicht getraut. Dann habe ich es einfach gemacht.“

Der Kunde zahlt per Paypal oder Echtzeitüberweisung, „manchmal werde ich auch mit Amazon-Gutscheinen bezahlt.“ Zunächst drehte sie mit ihrer Handykamera, mittlerweile hat sie ein eigenes Cam-Zimmer mit professioneller Ausstattung. Die 26-Jährige hat kein Problem damit, offen über ihre Arbeit zu reden. Und über die Dinge, die die Männer von ihr wollen. „Ich stehe dazu. Alle meine Freunde wissen Bescheid. Meine Mutter und mein Bruder wissen es auch. Sie stehen alle hinter mir.“

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Isabelle geht in die Küche, um ein Paket zu holen. Es kam am Tag des Gesprächs per Post. Ein Kunde hat ihr Ballettschläppchen zugeschickt. „Ich soll sie jetzt tragen, verschiedene Fotos damit machen und sie ihm dann zurücksenden.“ Den Kunden kennt sie nicht. „Ich kenne viele der Leute nicht. Aber ich habe auch einige Stammkunden“, sagt die blonde Frau.

Auch private Live-Chats

Wenn sie private Live-Chats anbietet, sieht und hört sie zum Teil auch die Kunden, „wenn sie das wollen.“ Darum geht es. Isabelle macht fast alles, was die Kunden wollen. „Es wurden auch schon richtig verrückte und schlimme Sachen angefragt.“

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Ein Kunde wollte von ihr, dass sie mit High Heels Tiere zerstampft, sogenanntes „Crunchen“. „Das habe ich natürlich nicht gemacht“, sagt die Hagenerin und wird sauer. Für einen anderen Kunden sollte sie in Unterwäsche in ihrem Wohnzimmer Luftballons aufpusten, zerplatzen lassen und dann per Post an ihn zurückschicken. 10 Minuten für 10 Euro. Es gibt deutlich schlimmere und obszönere Sachen, die die Männer von ihr verlangen. „Aber davon ist fast alles nichts für die Zeitung.“

Sie hat den Glauben an gute Männer verloren, sagt sie selbst mit einem Schulterzucken. Viele Kunden sind verheiratet, haben Kinder, „im Alter von 17 bis 80 ist alles dabei.“ Sie schiebt nach: „Klar weiß ich, dass das, was ich mache, viele nicht verstehen können oder schlimm finden.“ Sie wolle auch nicht um Verständnis oder Begeisterung für den Job werben. „Keiner muss das machen. Für mich war das eine Möglichkeit, meine Schulden weiter abzubezahlen. Mittlerweile macht es mir Spaß.“

Nie über das Aufhören nachgedacht

Über das Aufhören hat sie noch nicht nachgedacht. „Einmal hatte ich eine kurze Pause, da habe ich alles gelöscht, weil ich eine Beziehung angefangen habe.“ Es hielt nicht, Isabelle meldete sich wieder an. „Mittlerweile habe ich Spaß daran gefunden und würde es gern hauptberuflich machen. Aber ich würde mich nie mit einem Mann persönlich treffen. Das ist alles kontaktlos.“ Auch die Bezahlung, meist gibt es aber nicht viel. „Es kommt natürlich auch drauf an, was man anbietet.“

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Im Januar hat sie drei bis vier Live-Cam-Sessions gemacht und ein paar Videos hochgeladen. „Da habe ich so 300 bis 400 Euro verdient.“ Für Live-Chats zahlen die Kunden „mit Dirty-Cents“. 1,99 Euro kostet die Minute, im Durchschnitt dauert ein Sex-Treffen in der virtuellen Welt nicht mehr als zehn. Isabelle bekommt davon 25 Prozent, der Anbieter der Seite die restlichen 75. „Ich habe das natürlich auch alles angemeldet“, beteuert die junge Frau.

Am Ende bleibt aber vom Geld nicht viel übrig. „Aber ich habe wegen der beiden anderen Jobs auch nicht so viel Zeit.“ Dabei würde es sich jetzt gerade während der Coronakrise lohnen, die Branche boomt. „Ich will da jetzt auch wieder mehr Zeit rein investieren.“ Ihr nächstes Ziel: Ein Laptop, mit dem sie auf mehreren Portalen gleichzeitig unterwegs sein kann.

* Der Name wurde zum Schutz der Betroffenen geändert.