Wehringhausen. Barbara und Herbert Terweiden sind ein eingespieltes Team: Um Nachbarn in der Krise eine Freude zu machen, musizieren sie jeden Abend.

Der Zeiger zeigt kurz vor 19 Uhr. Barbara Terweiden trägt einen Notenständer auf die Terrasse und stellt ihn zwischen Blumen, Sträuchern und kleinen Bäumen auf. Auf den Tisch legt sie die Noten für ein Lied von Erasmus Widmann, Choräle, einige Volkslieder und „Guten Abend, gute Nacht“. Zum Teil wären es mehrstimmige Lieder, aber das Ehepaar Terweiden ist nur zu zweit – Barbara mit dem Bariton, Herbert auf der Posaune. Als um 19 Uhr die Kirchenglocken läuten, öffnen sich in den Nachbarhäusern die ersten Fenster, Nachbarn winken, stellen sich an die Brüstung, um dem kleinen Dachterrassenkonzert zu lauschen. Wie jeden Tag seit dem 19. März.

„Seit das Kontaktverbot eingeführt wurde, musizieren wir hier jeden Abend für die Nachbarn und für uns selbst. Ich denke, auch nur das kleinste positive Erlebnis ist in so einer Krise ein Geschenk“, sagt Barbara Terweiden. Noch einmal durchatmen. Dann erklingen die ersten Töne.

Nachbarn begeistert

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Das Ehepaar ist ein eingespieltes Team und spielt die Lieder mit voller Begeisterung. Zwischendurch gibt es Applaus, eine Nachbarin ruft: „Danke, das ist mein Lieblingslied.“ 10 bis 15 Minuten spielt das Ehepaar täglich seit mehreren Wochen für die Menschen in der Siemensstraße. Zum Abschluss immer „Guten Abend, gute Nacht.“ Das habe sich irgendwie eingebürgert, sagen beide. Beide sind leidenschaftliche Musiker. Herbert leitet den Posaunenchor CVJM Haspe, Musik macht e,r seitdem er 14 Jahre alt ist. Auch Barbara Terweiden ist schon mehr als 20 Jahre dabei.

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Am Donnerstag, 19. März, wäre eigentlich Probe gewesen. Sie fiel coronabedingt aus – der erste Abend, an dem das Ehepaar zur Posaune und zum Bariton griff, um auf die Terrasse umzuziehen und Solidarität zu zeigen. „Dazu wurde immer wieder aufgerufen“, erinnern sich beide. Sie stellten Kerzen ins Fenster, klatschten auf dem Balkon. Und dann kam die Musik. „Die Atmosphäre war so schön, wir haben so tolle Rückmeldungen bekommen. Da mussten wir einfach weitermachen“, sagt Barbara Terweiden und lacht.

Ihr Mann erinnert sich zurück: „Erst wollten wir nur bis Ostern jeden Tag spielen, dann bis Pfingsten. Jetzt sind es irgendwie die Sommerferien geworden. Warten wir mal ab“, sagt er mit einem Zwinkern.

Bei Wind und Wetter

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Das Gefühl, dass sich Menschen über ihre Musik freuen, ist für beide das Schönste an der Sache. Und da kann sie auch Wind und Wetter nicht vom Spielen abbringen. „Wir spielen auch bei Regen und Sturm. Wir Blechbläser sind robust, nur die Noten sind empfindlich.“ Wenn es regnet oder windig ist, spannt das Ehepaar einfach den Sonnenschirm auf. „Schwierig wird es dann erst, wenn ich den auch festhalten muss“, sagt Barbara Terweiden und lacht. Positive Energie in der Nachbarschaft versprühen, das haben sich beide zur Aufgabe in der Krise gemacht. Und die Aktion kommt an. Für die Nachbarn ist es mittlerweile eine kleine Balkon-Tradition geworden. „Wir sind uns irgendwie dadurch auch alle nähergekommen“, finden beide.

Wenn der letzte Ton verstummt, werden die Musiker mit einem lauten Klatschen belohnt. Dann heißt es „Bis morgen um die gleiche Zeit“, wenn die Terweidens wieder mit Bariton und Posaune auf ihrer Terrasse stehen.