Hagen. Trotz Corona-Lockerungen haben es viele Gastronomen in Hagen noch immer schwer. Die Gäste bleiben aus, die Umsätze sind mau.

Seit einem Monat sind Gaststätten und Restaurants in NRW wieder geöffnet. „Ich dachte, die Leute seien froh, endlich wieder ausgehen zu können, doch der Ansturm blieb aus - bis heute“, resümiert Carlo Viro. Der Betreiber der Pizzeria Toto am Buschey hat in den letzten Wochen gerade mal ein Drittel seines normalen Umsatzes gemacht, „und jetzt auch noch das“. Damit spielt der Gastronom auf die Ankündigung der Stadt, in Kürze direkt bei ihm vor der Tür eine Baustelle einzurichten, an.

Zum Hintergrund: Die Stadt Hagen hat mehrere Bushaltestellen im gesamten Stadtgebiet zu vorgelagerten Haltestellen umgebaut. Als letzte werden nun noch zu Beginn der Sommerferien die beiden Haltestellen „Allgemeines Krankenhaus“ – eine befindet sich direkt vor der Pizzeria Toto - in Angriff genommen. Im Zuge des Neubaus würden, so teilt der WBH mit (der Wirtschaftsbetrieb Hagen wurde von der Stadt mit der Durchführung der Maßnahme beauftragt), auch die Nebenanlagen erneuert. Daher sei es notwendig, die Gehwege von sämtlichen aufgestellten Gegenständen zu bereinigen. „Meinen kleinen Biergarten, in dem ich normalerweise sechs, jetzt in Corona-Zeiten vier Tische platziert habe, muss ich also abbauen“, sagt Carlo Viro.

Betriebsferien in jetziger Situation bei Toto nicht möglich

Zum „Glück im Unglück“ hätte ihm der WBH allerdings mitgeteilt, dass das Bauvorhaben in zwei Wochen erledigt sein solle und der WBH versuche, seine, Viros Einschränkungen und damit einhergehende Umsatzeinbußen, so gering wie möglich zu halten. Und ein Mitarbeiter der GWG – Carlo Viro hat die Gastro-Räumlichkeiten bei der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft angemietet – hat dem Gastronom angeboten, seine jetzige Außenfläche während der Baustellenzeit um einige Meter auf dem Bürgersteig zu verlagern.

„Im Normalfall hätte ich während der Baustellenzeit Betriebsferien gemacht, aber nun muss ich versuchen, die Einnahmeverluste der letzten Monate irgendwie auszugleichen“, so der Toto-Betreiber.

Die Betreiber des Café Flores am Landgericht - Armend und Shkurte Peci, im Bild mit Tochter Leandra - machen sich Sorgen um ihre Zukunft.
Die Betreiber des Café Flores am Landgericht - Armend und Shkurte Peci, im Bild mit Tochter Leandra - machen sich Sorgen um ihre Zukunft. © WP | Michael Kleinrensing

Und gegen welche Windmühlen müssen andere Hagener Gastronomen in Corona-Zeiten ankämpfen?

Café-Kundschaft gehört zur Risikogruppe

„Unser Umsatz ist in den letzten Wochen um die Hälfte zurückgegangen. Unsere Kundschaft ist größtenteils älter, gehört also zur Risikogruppe, die derzeit kaum raus geht“, sagt Armend Peci.

Der 26-jährige Konditor hat im Januar 2019 mit seiner Frau Shkurte das alteingesessene Café Flores am Landgericht übernommen. „Das letzte Jahr lief für uns ganz gut. Besonders unser Frühstücks-Buffet ist beliebt. Aber momentan dürfen wir ja kein Buffet, sondern nur Frühstück à la carte anbieten, was kaum nachgefragt wird“, sagt Shkurte Peci traurig.

Die 26-jährige Bäckereifachverkäuferin bedauert, dass derzeit auch kaum Kunden vom Gericht rüberkommen, „Männer in Robe trinken sonst häufig bei uns Kaffee oder essen eine Kleinigkeit.“

Für drei Mitarbeiter hat das junge Café-Betreiber-Paar Kurzarbeit angemeldet, Aushilfen werden derzeit nicht beschäftigt, „wir beide stemmen Konditorei und Café allein.“ https://www.wp.de/staedte/hagen/hagen-restaurant-novy-s-serviert-jetzt-in-gewaechshaeusern-id229104743.html

Einen Lieferdienst bieten die Pecis nach Absprache an, der Außer-Haus-Verkauf von Kuchen und Torten läuft sonntags einigermaßen, wochentags schleppend. „Die Kunden sind noch sehr zurückhaltend, sie müssen uns einfach wieder vertrauen.“ Wie lange die Pecis die Umsatzflaute noch durchaltenden? „Nicht mehr lange, bevor wir einen Kredit aufnehmen, schließen wir“, sagt das junge Paar.

Restaurant-Betreiber haben schlaflose Nächte

Auch die Betreiber des Cafés/Restaurants „La Belle Epoque“ in der Neumarktstraße haben derzeit schlaflose Nächte.

Scharock und Sonja Nemanfar betreiben an der Neumarktstraße 10 das Restaurant „La Belle Epoque
Scharock und Sonja Nemanfar betreiben an der Neumarktstraße 10 das Restaurant „La Belle Epoque". Derzeit kein leichtes Geschäft ... © WP | Michael Kleinrensing

„Zu uns kommen normalerweise Kommunions- und Konfirmationsgesellschaften und einige feiern ihre silberne oder goldene Hochzeit bei uns, doch jetzt musste ja alles abgesagt werden. Erst vor wenigen Tagen kam auch noch die Stornierung eines 80. Geburtstags rein“, bedauert das Ehepaar Nemanfar, „wir haben auch keine Lauf-, sondern ausschließlich Stammkundschaft.“ https://www.wp.de/staedte/hagen/lockerung-aufatmen-und-skepsis-in-hagens-gastro-szene-id229061299.html

Die meist älteren Gäste kämen nicht nur, um etwas zu essen oder zu trinken, sondern auch, um der Langeweile oder Einsamkeit zu entfliehen, „viele Alleinstehende kommen, essen etwas und erzählen ein bisschen mit meiner Frau Sonja“, sagt Schahroch Nemanfar und fügt an: „Daher bringt uns unser angebotener Lieferdienst auch nicht viel.“

Eigentlich wollte der gebürtige Iraner im Sommer einen Koch-Azubi einstellen, „doch in dieser unsicheren Zeit machen wir das doch nicht.“

Regeln für die Gastronomie in NRW

Restaurants, Cafés und Kneipen mit Sitzplätzen dürfen in NRW ihren Betrieb wieder aufnehmen, wenn sie sich an die Vorgabe, zwischen den Tischen­ 1,5 Meter Abstand zu lassen, halten.

Außerdem müssen die Gäste namentlich registriert werden, damit Infektionsketten im Zweifel nachverfolgt werden können.

Die Hoffnung der Wirte liegt in der Außengastronomie. Der Branchenverband Dehoga NRW fordert, dass Städte und Kommunen unbürokratisch eine Erweiterungen der Flächen für die Außengastronomie genehmigen. „Die Vergrößerungen sind wichtig, weil sie die Unsicherheiten der Gäste abbauen können“, so ein Verbandssprecher. Studien zufolge ist eine Ansteckung mit dem Coronavirus über Aerosole im Freien deutlich unwahrscheinlicher als in geschlossenen Räumen.

Für seine drei Mitarbeiter hat das Ehepaar Kurzarbeit angemeldet, abends schließen die beiden die Restauranttür bereits um 21 Uhr, „dann sind eh meist keine Gäste mehr da.“ Schahroch Nemanfar runzelt die Stirn: „Ich jammere nicht gern, aber die Realität ist hart. Man braucht viel Energie und Durchhaltevermögen.“ Seine Frau Sonja nickt: „Die Leute sollen es einfach wagen, wieder auszugehen. Trotz Abstands- und Hygienevorschriften ist es nicht kompliziert.“