Hagen. Für die Spielsüchtigen ist es eine besonders harte Zeit. Die Spielhallen sind wieder offen, aber die Selbsthilfegruppe darf sich nicht treffen.
Die Corona-Einschränkungen werden schrittweise gelockert. Mittlerweile dürfen Fitnessstudios wieder öffnen, die Gastronomie darf teilweise wieder den Betrieb aufnehmen und auch Spielhallen öffnen wieder ihre Tore. Doch genau das wird aktuell manchen Menschen zum Verhängnis. Denn für Spielsüchtige ist nun das Risiko höher, rückfällig zu werden – und Hilfe und Unterstützung gibt es aktuell nicht. Am Beispiel der Hagener Selbsthilfegruppe von Paul Wenzel wird diese Gefahr in diesen Tagen besonders deutlich.
Paul Wenzel war selbst jahrelang spielsüchtig. Dank seiner Frau hat er es geschafft und einen Ausweg aus der Sucht gefunden. Seit November 2013 leitet er nun eine Selbsthilfegruppe für Spielsüchtige. Jeden Donnerstag trifft sich die Gruppe von 17 bis 19 Uhr in der Begegnungsstätte des Paritätischen, Bahnhofstraße 41.
Doch die Räumlichkeiten sind aktuell das Problem, sagt Paul Wenzel. Denn nach Kontrollen und Abmessungen kam man zu dem Entschluss, dass die Hygiene- und Abstandsauflagen nicht eingehalten werden können, was wiederum bedeutet, dass es für die Betroffenen keine Möglichkeit gibt, sich helfen zu lassen.
Verzweiflung und Rückfälligkeit: Anrufer am Telefon beginnen zu weinen
„Ich habe zahlreiche Anrufe bekommen, die Menschen sind wirklich verzweifelt. Einer hat sogar am Telefon geweint“, erklärt Paul Wenzel. Und man merkt, wie sehr ihn das Thema beschäftigt. Insbesondere da er selbst süchtig war, geht ihm die Sorge der Betroffenen sehr nahe.
„Man schafft es zwar, spielfrei zu werden, aber suchtfrei wird man nie“, sagt er. Die Sucht werde einen das ganze Leben lang begleiten. Obwohl er heute bereits seit acht Jahren spielfrei sei, habe er nie wieder eine Spielhalle oder ein Casino betreten. „Ich habe zu große Angst, rückfällig zu werden.“
Ein Betroffener kündigte an, direkt wieder spielen gehen zu wollen
Die Rückfälligkeit sei hoch, viele Menschen, die zu dem Treffen der Selbsthilfegruppe kommen, würden irgendwann wieder in ihre Sucht verfallen. „Die Hilfe ist einfach ganz, ganz wichtig, denn Spielsucht ist eine Sucht, die man uns nicht ansieht. Anders als bei Alkohol oder Drogen“, erklärt Wenzel.
Für Paul Wenzel ist es ein schönes Gefühl, anderen zu helfen, doch nicht nur das: Er werde auch immer wieder an seine eigene Sucht, seine eigene Geschichte erinnert und das sei wichtig für den Hagener. „Einer aus meiner Selbsthilfegruppe hatte kürzlich Geburtstag und hat Geld geschenkt bekommen. Als er erfahren hat, dass die Spielhallen wieder öffnen, wir uns als Gruppe aber nicht treffen dürfen, sagte er, dass er dann wieder spielen geht.“
Manche schließen sich ein, weil sie nicht rückfällig werden wollen
Um nicht der Spielsucht zu verfallen, würden sich manche sogar zu Hause einschließen, sagt der Hagener. Er kann die Menschen sehr gut verstehen, sich in ihre Lage hineinversetzen. Per Telefon versucht er nun, Mut zu machen und zu helfen, aber es ist lange nicht dasselbe. „Auch wenn Menschen jahrelang spielfrei sind oder eine Therapie gemacht haben, brauchen sie trotzdem eine Nachsorge.“
Ein Betroffener aus seinem Bekanntenkreis sei sogar nach 14 spielfreien Jahren wieder rückfällig geworden.
Die Kontrollen durch das Ordnungsamt werden bei Spielhallen und Casinos ähnlich gehandhabt wie in der Gastronomie. Regelmäßig prüft das Ordnungsamt, ob die Hygienemaßnahmen und Abstandsregelungen eingehalten werden. „Bisher gab es keine Vorfälle“, sagt Clara Berwe, Pressesprecherin der Stadt Hagen.
Stadt bietet Lösung an: Ein Hygienekonzept muss vorgelegt werden
Die Pressesprecherin bietet Paul Wenzel auf unsere Nachfrage außerdem an, sich mit einem Mitarbeiter der Stadt in Verbindung zu setzen. Gemeinsam soll dann nach einer Lösung gesucht werden. „Herr Wenzel soll die Größe der Räumlichkeiten, mögliche Hygienekonzepte und die Teilnehmerzahl mitteilen.“ Ob die Gruppe sich dann wieder treffen darf, bleibt allerdings fraglich.