Hagen. Ab 30. Mai dürfen Schaubühnen und Opern wieder loslegen. Wir verraten, ob es am Theater Hagen bereits Ideen für den coronasicheren Neustart gibt.

Erleichtertes Aufatmen im Theater Hagen. Ab 30. Mai dürfen Schauspielhäuser und Opern wieder öffnen. Die Nachricht kam gestern Abend auch für den Intendanten Francis Hüsers völlig überraschend. Sie löst viele seiner Probleme, selbst wenn die Modalitäten im Einzelnen derzeit noch unklar sind. Und: Hüsers kann in Abstimmung mit dem Krisenstab der Stadt bald loslegen. Denn die Pläne für eine abstandssichere Bestuhlung liegen in der Schublade, und an Ideen für die Kunst mangelt es wahrlich nicht. Damit hat das Theater Hagen ein Alleinstellungsmerkmal. Die anderen NRW-Bühnen haben die laufende Spielzeit bereits komplett abgesagt.

In den langen Corona-Wochen hat Hüsers stets betont, dass er möglichst noch im Juni spielen will, irgendetwas, einen Liederabend, einen Ausschnitt aus den Solonummern der „Schwanensee“-Probe des Balletts. Hauptsache, der Lappen, wie das Theatervolk den Vorhang liebevoll nennt, geht endlich wieder hoch, der in der über 100-jährigen Geschichte des Hauses nur in Kriegszeiten, wenn die Bomben fielen, unten geblieben war.

Viele Lösungsideen

Den Theaterbesuch für das Publikum sicher zu gestalten, dürfte eigentlich kein Problem sein, sagt Francis Hüsers. Jedenfalls gibt es dafür im Theater Hagen bereits Lösungsideen: „Wir lassen zwischen den Besuchern eine Reihe komplett frei und jeweils zwei Plätze in den Reihen. Das wird über den Einlass geregelt. So komme ich auf 150 Plätze, die man belegen könnte und könnte entsprechende Programme anbieten.“

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Der Schutz der Mitarbeiter sorgt noch für viele Fragen, die mit dem Krisenstab geklärt werden müssen, zum Gesundheitsamt besteht sowieso ein enger Draht. Das Problem: Theater ohne Körperkontakt zwischen den Akteuren ist fast nicht möglich. Zum notwendigen Abstand gibt es derzeit widersprüchliche Angaben der Fachverbände und der Wissenschaft. Wenn zwischen einem Trompeter und anderen Musikern in Blasrichtung 12 Meter Entfernung liegen sollen und zwischen den Sängern sechs Meter, dann wird klar, dass Oper mit Chören und großer Orchesterbesetzung noch Zukunftsmusik ist.

Kreativ seit über 100 Jahren

Das Theater Hagen ist für seine Kreativität seit über 100 Jahren bekannt. Auch jetzt, wo sie Kurzarbeitergeld beziehen, sitzen die Künstler nicht auf dem Sofa, sondern bieten digitales Couchtheater an. Gegenüber vom Theaterinnenhof befindet sich ein Seniorenheim. Natürlich lassen es sich einzelne Musiker nicht nehmen, mit einem Ständchen aus dem Fenster die Bewohner zu erfreuen. Mit „Geheimkonzerten“ spielen Musiker demnächst auch vor weiteren Senioren-Einrichtungen in der Region, geheim deshalb, weil Menschenansammlungen vermieden werden sollen. Ballettdirektorin Maggie Donlon arbeitet an einer berührungsfreien Choreographie-Lösung. Der Bühne kommt zugute, dass der Hagener „Tristan“ im vorigen Sommer die Sänger bereits in Einzelzellen platzierte. Diese Raumlösung könnte für die Solisten jetzt Schule machen. Hauptsache Theater.

Ideen gibt es in großer Zahl. „Die Rockshow könnte man spielen, weil die Band nicht gefährdet ist, die stehen in sicherem Abstand“, listet Hüsers auf. „Wir könnten mit sehr reduzierter Orchesterbesetzung arbeiten oder mit Streichquartett. Angedacht ist auch, Schuberts ,Winterreise’ mit Kenneth Mattice zu inszenieren und ein Ovid-Projekt, wo die Musiker isoliert stehen.“

Neue Abo-Regelungen

Die Theaterleute sind von Berufs wegen flexibel. Doch wie viel Flexibilität darf man den Zuschauern zumuten? Das war eine große Sorge von Francis Hüsers. Mit der neuen Ansage der Landesregierung kann die Planung endlich konkret losgehen. Die unklare Situation hat bereits zu Abokündigungen geführt, auch wenn das Hagener Publikum als ausgesprochen treu gilt. Daher überlegt Hüsers, die Abostruktur zu verändern und statt der üblichen Zehnerabos nur Fünferabos anzubieten. „Dann können wir die verbindlichen Termine in die zweite Hälfte der Spielzeit 2020/2021 legen, und in der ersten Spielzeithälfte ab September können die Gutscheine von diesem Frühjahr zum Einsatz kommen. So werden die Abopreise auch um die Hälfte reduziert. Das wäre ein Versuch, die Abonnenten zu halten.“

Heute ist der Hagener Intendant froh, dass er nicht in den Chor der anderen NRW-Intendanten eingestimmt hat, welche vor dem Sommer nichts mehr zeigen wollten. Zum Überleben gehört schließlich nicht nur Brot alleine. Beethoven und Verdi haben verängstigten Menschen viel zu sagen. Einsamkeit, Angst, Entfremdung, Sprachlosigkeit sind schließlich die Ur-Themen des Theaters.