Hagen. Seit dem heutigen Montag dürfen die Betreiber kleinerer Läden wieder öffnen. Die WP hat sich in Boele, Haspe und der Innenstadt umgeschaut.
Die Dame mittleren Alters lächelt zufrieden und verlässt mit einer großen Papiertüte in der Hand das Geschäft. „Das war unsere erste Kundin nach über vier Wochen Schließung“, sagt Ingeborg Credo und man hört förmlich den Stein, der ihr vom Herzen fällt. „Die Dame - eine Stammkundin – hat einen Schlafanzug und ein Shirt gekauft“, fährt die Eigentümerin des Fachgeschäftes „Wäsche-Moden Credo“ in Boele fort. Und Mitarbeiterin Michaela Weithaas ergänzt: „Durch den Verkauf ist gleich ein dreistelliger Betrag in unsere Kasse gewandert. So kann es weitergehen.“
Mundschutz und Handschuhe
Die beiden Frauen haben im Geschäft in der Kirchstraße 31 Mundschutz und Handschuhe griffbereit liegen, „wenn sich die Ladentür öffnet, müssen wir nur zwei Handgriffe erledigen.“
Ingeborg Credo und Michaela Weithaas sind – wie vermutlich alle Einzelhändler, die ein Geschäft mit einer Verkaufsfläche unter 800 Quadratmetern betreiben – heilfroh, ihre Ladentür wieder öffnen zu dürfen. Betreiber kleiner Geschäfte in Stadtteilen wie Boele, die es eh im Kampf gegen Läden mitten in der Innenstadt und Online-Anbietern schwer haben, haben die Tage gezählt, bis von der Landesregierung die Verfügung „pro Kleine“ erlassen wurde. https://www.wp.de/staedte/hagen/einzelhandel-in-hagen-virtueller-rundgang-durch-den-laden-id228817909.html
Wie Matthias Kemper, Eigentümer von „Hessen Paul“; er verkauft in seiner etwa 100 Quadratmeter großen Schatzkammer in der Kirchstraße 27 ausgefallenen Schmuck und mehr. „Die erste Kundin war um 9.30 Uhr hier, hat sich in Ruhe umgeschaut und will später nochmal wiederkommen“, sagt Kemper. In den letzten Tagen, als sich eine Lockerung rund um die Coronavirus-Bedingungen abzeichnete, hätten schon einige Stammkunden bei ihm angerufen oder ihm eine E-Mail geschickt, „sie haben mir einfach mitgeteilt, dass sie es kaum erwarten können, endlich bei uns wieder zu stöbern. Den Leuten hat eben ein Einkaufserlebnis gefehlt“, resümiert Matthias Kemper.
Leben in Hasper Fußgängerzone
Ortswechsel - die Fußgängerzone in Haspe. Die Kölner- und Voerder Straße sind belebt, in und vor den meisten Geschäften sichtet man Leute, die bummeln oder einkaufen. Große Läden wie „Woolworth“ müssen geschlossen bleiben, doch bei den Kleinen geht’s recht trubelig zu.
„Ich hätte trotz Corona-Krise öffnen dürfen, hab’s aber nicht getan“, sagt Edita Zurru, die zwei Blumenläden betreibt. Beide heißen ,Hasper Blumenland’ und befinden sich auf der Voerder Straße. Am Freitag hatte die Floristin schon mal probehalber wieder geöffnet, am heutigen Montag dann ganz regulär. „In den letzten Wochen hätte ich kaum Umsatz gemacht, da war das Hasper Zentrum wie ausgestorben“, bedauert Edita Zurru.
Elke Krimme, Eigentümerin von „Krielle Mode-Design“ an der Voerder Straße 2, sortiert in ihrem kleinen Laden Garderobe und ärgert sich über „zu lasche Regeln“. „Ich hätte es richtig gefunden, es zur Pflicht für jeden – Mitarbeiter und Kunden – zu machen, einen Mundschutz zu tragen. Dann hätte ich mich sicherer gefühlt.“
Elke Krimme trägt beim Bedienen von Kunden einen Mundschutz, „für mich eine Selbstverständlichkeit.“
Soforthilfe deckt laufende Kosten
Die resolute Geschäftsfrau blickt eher pessimistisch in die Zukunft: „Ob der Verkauf in kleinen Geschäften jemals wieder in geordneten Bahnen verlaufen wird, bezweifel ich. Für mich sieht es jedenfalls ziemlich düster aus.“
Die 9000 Euro Landesförderung hat Elke Krimme – genau wie etliche kleine Unternehmer - auch erhalten. „Doch die Soforthilfe ist gedacht, um laufende Kosten wie Miete und Energie zu decken. Neue Ware darf ich davon nicht kaufen.“
Flanieren über den Ebert-Platz
Am Friedrich-Ebert-Platz in der Innenstadt ist es fast wie vor der Corona-Krise. Viele Menschen mit Einkaufstaschen strömen aus den zahlreichen geöffneten Läden, manche flanieren an den Schaufenstern vorbei - man hat Zeit.
„Heute Morgen war ein Pärchen hier, das am Freitag heiraten möchte“, erzählt Ingo Adam von „Goldschmiede Adam“ und „Eva Trauringe“ im Sparkassen-Karree, „wir passen nun schnell die Größen an, am Donnerstag holen die beiden dann ihre Ringe ab.“ Bruder Burkhard Adam ergänzt: „Und vorhin kam ein Mann herein, der schon vor etlichen Tagen bei uns im Schaufenster Ohrringe entdeckt hatte.“ Die Öffnung des Ladens sei für ihn ein echtes Glück, habe der Mann erfreut erzählt, die Ohrringe seien für seine Tochter bestimmt, die am 1. Mai Geburtstag hat. Besonders nachgefragt seien bei ihnen jetzt auch, so die Adam-Brüder, Schmuckgeschenke für Kommunion und Konfirmation, „auch wenn nur in kleinerem Rahmen gefeiert wird.“
Das Schuhgeschäft Schlatholt in der Elberfelder Straße hat eine Verkaufsfläche von 600 Quadratmetern, „ja, wir haben Glück mit der Größe“, sagt Filialleiterin Martina Wulf. Maximal 15 Kunden - verteilt auf zwei Etagen - lässt das Schlatholt-Team seit dem heutigen Montag wieder stöbern und anprobieren. „Übergangsware wird jetzt im April/Mai gekauft“, so Wulf, „Sneakers, Ballerinen und Pumps.“
Luftige Bettwäsche bei „Gebers“
Einige Meter weiter bei „Betten Gebers“ interessieren sich seit heute die Kunden am meisten für leichte Sommerbetten und luftige Bettwäsche. „Echte Trendfarben gibt es in unserem Bereich eigentlich nicht, aber Türkis und Rot-Braun-Töne laufen momentan gut“, erklärt eine Mitarbeiterin.
Auch in der Rathaus-Galerie (genau wie in der Volme-Galerie) haben kleinere Geschäfte wieder geöffnet, „nur die großen Läden Saturn, Zara, Esprit und Kult müssen vorerst geschlossen bleiben“, sagt Christoph Höptner. Der Center-Manager der Rathaus-Galerie ergänzt: „Außerdem dürfen Friseure und Nagelstudios noch nicht öffnen und unsere Gastro-Betriebe nur Außer-Haus-Verkauf anbieten.“
Kein Wohlfühl-Flair in der Passage
In den letzten Wochen mussten 44 Läden in der Einkaufsmall geschlossen bleiben, „24 haben nun wieder auf, die übrigen 20 ziehen in den nächsten Tagen nach“, so Höptner.
600 Besucher pro Stunde
An einem Durchschnittstag besuchen pro Stunde etwa 1850 Personen die Rathaus-Galerie.
In den letzten vier Wochen, also in der Haupt-Corona-Zeit, durften nur vier Läden öffnen; durchschnittlich wurden 300 Besucher pro Stunde gezählt.
Am gestrigen Montag waren es 600 Besucher pro Stunde.
Um keine Wohlfühl-Atmosphäre zu schaffen beziehungsweise keine Aufenthaltsqualität zu bieten, wurden Bänke und Sofas aus der Rathaus-Galerie entfernt und der Brunnen im Oktagon wurde gesperrt.