Hagen. Mit einem Anreizsystem möchte der Wirtschaftsbetrieb Mitarbeiter locken, ihren Jahresurlaub zu nehmen. Dafür gibt es ein paar Tage Extra-Frei.

Mit der Gewährung von Bonus-Urlaubstagen versucht der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) in Corona-Zeiten das Auftürmen von gigantischen Urlaubsbergen zu verhindern.

Da aktuell eine vollständige Auslastung der Mitarbeiter angesichts der Rahmenbedingungen kaum möglich erscheint, möchte der Vorstand der Stadttochter (AöR) Anreize schaffen, damit ein Gros der Mitarbeiter die Zeit nutzt, um Urlaub abzubauen. In einem Rundschreiben an die etwa 350 WBH-Beschäftigten wurde das Angebot unterbreitet, dass nach dem Schlüssel 1:3 für bis zum 30. Juni regulär genommene Urlaubstage ein Extra-Frei gewährt wird: Wer beispielsweise bis zur Jahresmitte seinen kompletten, tariflich zugesicherten Jahresurlaub von 30 Tage nimmt, darf in der zweiten Hälfte des Jahres noch weiter zehn zusätzliche Urlaubstage verplanen.

Überstundenabbau kann angeordnet werden

Den Arbeitgeber trifft grundsätzlich eine sogenannte Beschäftigungspflicht. Schickt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unbegründet nach Hause, bleibt der Arbeitgeber zur Entgeltzahlung verpflichtet. Zwangsurlaub ist grundsätzlich nicht möglich bzw. rechtlich nicht zulässig.

Natürlich können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich jederzeit über Urlaub und Überstundenabbau verständigen. Eine solche Vereinbarung begegnet in aller Regel keinen rechtlichen Bedenken. Gegebenenfalls kann der Arbeitgeber einen Überstundenabbau auch ohne eine entsprechende Zustimmung des Arbeitnehmers anordnen.

Teure Rückstellungen vermeiden

„Das Thema Corona wird uns noch das gesamte Jahr begleiten“, erwartet WBH-Vorstand Hans-Joachim Bihs, dass es im gesamten Jahr 2020 kaum eine attraktive Reisesaison geben wird. Somit besteht die Sorge, dass die Beschäftigten große Teile ihres Jahresurlaubs ins nächste Jahr mitschleppen möchten, zumal diese – so gestattet es der Tarifvertrag – auch erst bis zum Ende des Folgejahres abgebummelt werden müssen. „Somit müssten wir erhebliche Rückstellungen für nicht genommene Urlaube bilden, was wiederum das Gesamtergebnis belastet“, begründet der WBH-Chef die jetzt offerierte Anreizregelung.

Hans-Joachim Bihs, Vorstand des Wirtschaftsbetriebes Hagen.
Hans-Joachim Bihs, Vorstand des Wirtschaftsbetriebes Hagen. © WP | Michael Kleinrensing

Bislang ist es beim WBH nicht üblich, geplante Urlaube langfristig verbindlich anzumelden. „Natürlich gibt es in den Abteilungen eine gewisse Abstimmung, aber das ist nicht fest zementiert – das rächt sich jetzt“, blickt Bihs auf die aktuelle Situation. „Es kann also passieren, dass Leute mit 60 Tagen Urlaub in das Jahr 2021 starten und uns letztlich drei Monate fehlen.“ Vor diesem Hintergrund hält er die jetzt gefundene Regelung mit Extra-Ferientagen auch für angemessen: „Corona ist nicht umsonst. Aber die Rechnung geht letztlich auf, wenn ich dafür im kommenden Jahr besser arbeiten kann.“ Die Erfahrungen der ersten Tage zeigten, dass die Kollegen plötzlich durchaus Urlaube einreichten.

Als WBH-Vorstand müsse er durch solche Maßnahmen dafür sorgen, dass der Betrieb optimal durch diese schwierige Zeit komme. Zwar habe es in WBH-Reihen durchaus schon einige Quarantänefälle von Urlaubsrückkehrern gegeben, aber noch keine Corona-Erkrankungen. Durch zusätzlich erworbene VPN-Zugänge (Virtuelles privates Netzwerk) seien einerseits zahlreiche Mitarbeiter bei vollem digitalen Zugang zu den WBH-Netzwerken ins Homeoffice ausgewichen. Andererseits sei auch das Arbeitsaufkommen etwas reduziert, vor allem an den Baustellen.

Reduziertes Arbeitsaufkommen

„Dabei könnten wir durchaus mehr leisten“, versichert Bihs, was aber häufig durch Zulieferer und Behörden verhindert werde: „Die Straßenverkehrsämter, die beispielsweise die Schwertransporte genehmigen müssen, funktionieren zurzeit nicht immer so wie wir uns das erhoffen. Daher werden wir in diesem Jahr absehbar auch eine geringere Bausumme abwickeln als wir ursprünglich geplant hatten – das läuft halt alles ein wenig gebremst.“ Allerdings, so versichert Bihs ausdrücklich, rechne er in diesem Jahr keineswegs mit wirtschaftlichen Turbulenzen. Daher sei die jetzt getroffene Entscheidung zur Gewährung von Extra-Ferientagen bei der Beantragung von Urlauben auch verhältnismäßig.