Hagen. Es sind Zeichen, die diese Krise so wunderbar menschlich erhellen. Die Freiwilligenzentrale bringt Hilfesuchende und Helfer zusammen.
Den schönsten Satz des Vormittags sagt Anne Schmitter, als wir uns verabschieden: „Ich hoffe, dass Frau Köster und ich auch nach der Corona-Krise in Kontakt bleiben und dass ich ihr weiterhin helfen kann.“
Anne Schmitter, 28, und Elisabeth Köster, 81, sind zwei Frauen, die sich erst kürzlich über die Freiwilligenzentrale (FZ) kennengelernt haben. In der Küche von Elisabeth Köster erzählt Anne Schmitter, während sie die Einkaufstasche auspackt, wie der Kontakt zustande gekommen ist. Den Abstand von zwei bis drei Metern halten wir während des Besuchs natürlich ein. „Ich bin Ergotherapeutin, unsere Praxis ist aufgrund der Corona-Ausbreitung jedoch seit über zwei Wochen geschlossen. Daher habe ich jetzt viel Zeit“, sagt die junge Frau. Für sie stand sofort fest: „Ich will die unfreiwillig gewonnene Zeit nutzen und anderen Menschen helfen.“
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„Ich halte mich an die Anweisung, dass alte Menschen derzeit nicht rausgehen sollen.“
Toastbrot, Bananen, Mandarinen, Schokolade – Anne Schmitter breitet ihre Einkäufe auf dem Küchentisch von Elisabeth Köster aus. „Das ist ja prima, sie haben ja alles bekommen“, sagt die 81-Jährige erfreut. Köster hat drei Töchter und sechs Enkel, „doch sie wohnen alle nicht in Hagen.“ In der WP hat die alte Dame vom Vermittlungsangebot der Freiwilligenzentrale gelesen. Die Einrichtung bringt in der Corona-Krise Hilfeanbietende und Hilfesuchende zusammen. „Ich halte mich an die Anweisung, dass alte Menschen derzeit nicht rausgehen sollen. Man muss sein Glück ja nicht mit Gewalt herausfordern“, sagt die 81-Jährige, die seit zwei Wochen keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt hat. „Frische Luft schnappe ich auf dem Balkon. Und ich telefoniere viel.“
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Auch Anne Schmitter hat vor zwei Wochen vom Angebot der FZ erfahren und sich sofort mit der Einrichtung in Verbindung gesetzt. „Mir war wichtig, dass ich mich an einen seriösen Vermittler wende“, unterstreicht die junge Frau. Sie hat eine E-Mail an die Freiwilligenzentrale geschickt und kurz darauf eine Rückmeldung, dass sie registriert wurde, erhalten. Dann erreichte sie ein Anruf einer Mitarbeiterin und sie bekam den Namen sowie die Telefonnummer einer Frau, die Hilfe benötigt. „Alles lief völlig unkompliziert, ich hab’ mit Frau Köster telefoniert und mich mit ihr für ein Kennenlernen verabredet.“
Kurze Wege sind bei diesem Projekt besonders wichtig
Stephanie Krause, Leiterin der Freiwilligenzentrale im Rathaus an der Volme, freut sich, dass so viele Hagener auf das Vermittlungsangebot reagieren: „Dass die Resonanz so groß ist, hätte ich nicht erwartet.“ Bis gestern haben sich 130 Bürger, die für alte oder gehandicapte Menschen Lebensmittel einkaufen, Medikamente besorgen oder einen telefonischen „Besuchsdienst“ gegen die Einsamkeit anbieten möchten, bei Krause und ihrem Team gemeldet.“ Etwa 50 Leute, die Hilfe benötigen, haben wir bislang registriert. Wer Unterstützung braucht, kann sich unbürokratisch an uns wenden“, versichert die Leiterin der FZ. Auf was bei der Vermittlung geachtet wird? „Damit der Aufwand überschaubar bleibt, achten wir darauf, dass Hilfeanbietende und Hilfesuchende im gleichen Stadtteil wohnen. Kurze Wege sind gerade in Corona-Zeiten besonders wichtig“, unterstreicht Stephanie Krause.
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Beim Duo Schmitter/Köster ist demnach eine Punktlandung gelungen: Beide Frauen wohnen in Wehringhausen – die eine in der Lange Straße, die andere in der Borsigstraße. Elisabeth Köster steht auf ihrem Balkon und blickt durch die geöffnete Tür, Anne Schmitter legt einen Briefumschlag mit Kassenbon und Rückgeld auf den Tisch. Bei ihrem Kennenlernbesuch hat Schmitter einen Einkaufszettel und zwei Einkaufstaschen in Empfang genommen. Und Frau Köster hat nebenbei erzählt, dass sie immer bei Real in Haspe einkauft. „Damit die alte Dame auch in diesen für sie ja eh schwierigen Zeiten ihre vertrauten Produkte bekommt, bin ich auch dorthin gefahren“, sagt die junge Frau und lächelt. Und Elisabeth Köster lächelt zurück. Kartoffeln, Möhren, weiße Bohnen – Anne Schmitter hat alles, was auf der Liste stand, eingekauft. „Ich koche fast jeden Tag selbst. Was übrig bleibt, friere ich ein“, erzählt Frau Köster.
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Bevor Anne Schmitter „Tschüss, bis in drei Tagen“ sagt, unterhalten sich die beiden noch ein wenig. Über Corona, ihre Familien, das Wohnviertel und übers Wetter. „Können Sie den Brief hier auch noch für mich einwerfen?“, fragt Frau Köster. „Ja klar, kein Problem, mach’ ich doch gerne“, sagt Anne Schmitter.
Und das glaube ich ihr.