Hagen-Haspe. In Haspe hat das Medizinische Zentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) eröffnet. „Für uns ein Festtag“, sagt Dr. Martin Kuthe im Interview.
Vor gut einem Jahr wurde mit den Umbauarbeiten begonnen, nun wurde das Medizinische Zentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) eröffnet. Für das Evangelische Krankenhaus Haspe (Mops) ein Meilenstein in puncto adäquater Behandlung behinderter Menschen. Auch eine eigene Abteilung für Inklusive Medizin – Chefarzt ist Dr. Jörg Stockmann – wurde aufgebaut; sie ging im April 2019 an den Start. Die Ambulanz des MZEB wird von Dr. Martin Kuthe geleitet. Im Gespräch berichtet der 58-jährige Neurologe, der bei der Stiftung Volmarstein beschäftigt ist, über seine Arbeit mit Menschen, die besondere Aufmerksamkeit verdienen und über die spezielle Ausstattung der Räumlichkeiten im MZEB.
Dr. Kuthe, die Eröffnung des Medizinischen Zentrums für Menschen mit Behinderung ist für Sie und ihr Team bestimmt ein Festtag?
Martin Kuthe: Auf jeden Fall. Nun können wir die Behandlung Erwachsener mit Behinderung endlich mit adäquateren Mitteln gestalten und wir haben Möglichkeiten, noch sensibler und geduldiger mit den Menschen umzugehen. Und wir haben entsprechende Räumlichkeiten.
Seit 2017 bei der Stiftung Volmarstein beschäftig
Dr. Martin Kuthe wurde 1961 in Marl geboren. Seinen Zivildienst verbrachte er in einer Bethel-Einrichtung für Behinderte, „die Zeit dort hat mich sehr geprägt“, sagt Kuthe. Später studierte er in Göttingen Medizin.
Im Anschluss daran arbeitete er als Facharzt u.a. im Schwarzwald und in Herdecke. In Herdecke leitete er dann die Epilepsie-Ambulanz, die als Wegbereiter für das Medizinische Zentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) in Haspe gilt.
Seit Mitte 2017 ist Dr. Martin Kuthe bei der Stiftung Volmarstein angestellt. Im Evangelischen Krankenhaus Haspe (Mops) arbeitet der Neurologe seit Oktober 2019.
Kuthe lebt seit Jahren in Wetter, er ist verheiratet und hat sechs Kinder.
Apropos Räumlichkeiten – worauf kommt es an?
Wir haben die untere Etage des Pflegeheimes komplett umgebaut und groß geschnittene, absolut barrierefreie Räume geschaffen. Es wurde zum Beispiel eine große Toilette mit Dusche eingerichtet.
Worauf musste besonders geachtet werden?
Auf Türen, die nicht nur für gängige Rollstühle, sondern auch für große E-Roller passierbar sind. Außerdem sind zum Beispiel die Untersuchungsliegen besonders breit. Einen geistig oder körperlich behinderten Patienten kann man kaum auf einer 65 Zentimeter schmalen Liege adäquat untersuchen. Und unsere Diagnostikräume verfügen über Tageslicht, was eine natürliche, angenehme Atmosphäre schafft.
Sie sind der Chef eines insgesamt neunköpfigen Teams?
Der Begriff Chef trifft es nicht so gut wie Leitender Arzt - in einer doch eher nicht-hierarchischen Teamstruktur. Jeder ist hier wichtig und bringt soziale und spezielle Kompetenzen mit. Eine Mitarbeiterin schreibt vielleicht ein EEG, ein anderer nimmt Blut ab, ein weiterer erstellt eine Diagnostik. Wir arbeiten Hand in Hand. Ein zentraler Punkt unserer Arbeit sind die Fallkonferenzen, in der alle gesehenen Patienten vorgestellt werden. In den Fallkonferenzen werden auch jene Mitarbeiter, die einen Patienten nicht persönlich kennengelernt haben, mit dem Fall vertraut. Die Gruppe wird also zum Gesamtexperten. Eines möchte ich noch unterstreichen: Jeder aus unserem Team hat einen eigenen Zugang zu den behinderten Menschen, bringt besondere Sensibilität mit und ist hoch motiviert.
Sich Zeit für jeden einzelnen Patienten zu nehmen, ist besonders bei der Arbeit mit behinderten Menschen wichtig, nicht wahr?
Natürlich. Für einen neuen Patienten nehmen wir uns mindestens eine Stunde Zeit. Wir haben auch eine Psychologin vor Ort, das ist sehr hilfreich. Für die Hälfte unserer Patienten ist es sinnvoll, dass sie auch von einem Psychiater gesehen werden, wir hoffen, den großen Bedarf diesbezüglich durch eine neue Mitarbeiterin bald noch besser abdecken zu können. Viele unserer Patienten sind verhaltensauffällig, etliche können sich sprachlich nicht äußern. Daher sind ihre Probleme für uns schwer zu entschlüsseln, das erfordert regelrechte Detektivarbeit.
Wie viele Patienten werden derzeit ins Medizinische Zentrum für Erwachsene mit Behinderung gebracht beziehungsweise kommen selbstständig dorthin?
Im laufenden Quartal werden wir etwa 100 Patienten diagnostizieren und gegebenenfalls behandeln. Wenn sich die Abläufe hier eingespielt haben, dürfen wir laut Kassenärztlicher Vereinigung pro Quartal 300 Patienten behandeln. Finanziert wird der Betrieb über eine Quartalspauschale, doch wirtschaftliche Gewinne werden wir hier vermutlich zunächst nicht erzielen.
Von Bergen, Meer und Rock-Pop-Musik
Berge oder Meer - wo gefällt es Ihnen besser?
Wasser übt auf mich schon eine besondere Faszination aus und ich schwimme auch gern. Herrlich ist es für mich, mit dem Motorrad an einer Felsküste entlang zu fahren und den Blick aufs Meer zu genießen.
Pop oder Klassik – was hören Sie lieber?
Beides. Ich singe in einem Chor, der eher klassisch orientiert ist. Früher hab’ ich aber auch in einer Rock-Pop-Band Gitarre gespielt.
Team- oder Einzelsport – was mögen Sie eher?
Ebenfalls beides. Früher hab’ ich Volleyball gespielt, heute gehe ich gern joggen.
In Ihrer Einrichtung steht der Wirtschaftsgedanke also nicht an oberster Stelle?
Das Evangelische Krankenhaus Haspe ist ja Teil der Stiftung Volmarstein, die ein breitgefächertes Angebot vorhält. Die Stiftung engagiert sich unter anderem in den Bereichen Frühförderung, Behinderten- und Spezialpflege und betreibt Häuser sowie Schulen für behinderte Kinder. Aber auch behinderte Erwachsene benötigen im medizinischen Bereich ein spezielles Angebot, das wir hier nun bieten. Eigentlich ist es eine logische Folge, dass sich die Stiftung Volmarstein in diesem Bereich einbringt. Plakativ gefragt: ,Wer, wenn nicht wir?’
Ansprechpartner stehen im „Mops“ bereit
Wer für einen Menschen mit Behinderung eine Beratung oder Untersuchung benötigt, findet im „Mops“ entsprechende Ansprechpartner.
Chefarzt der Klinik für Inklusive Medizin ist Dr. Jörg Stockmann, 476 24 80, E-Mail: inklusivemedizin@esv.de
Das Medizinische Zentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) wird geleitet von Dr. Martin Kuthe. Erste Ansprechpartnerin für die Patienten ist Koordinatorin Maike Unger, 4762495, E-Mail: mzeb@esv.de.