Haspe. Das Krankenhaus Haspe stößt mit seinem Zentrum für Erwachsene mit Behinderung und der Klinik für Inklusive Medizin in eine Versorgungslücke.
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Die Enge des prall gefüllten Wartezimmers auf dem Krankenhausflur ist für ihn unerträglich. Sein Seelenleben lässt es nicht zu, geduldig auf den Gesprächstermin beim Arzt zu warten. Beim Versuch des Mediziners, ihn gründlich zu untersuchen, schlägt er bei jeder Berührung um sich. Als Pfarrer Jürgen Dittrich, Vorstand der Evangelischen Stiftung Volmarstein, einen Autisten zu einem dringend notwendigen Klinikbesuch begleitete, wurde ihm sofort klar: „Menschen mit Behinderung passen nicht zum Takt des Krankenhauswesens. Daher brauchen wir eine andere Maßeinheit, um mit diesen Menschen umgehen zu können.“ Die Geburtsstunde des ambulanten Medizinischen Zentrums für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) und der Klinik für Inklusive Medizin zur stationären Behandlung in Haspe, die beide idealtypisch zum Leitbild der Volmarsteiner passen. „Wer sollte das machen, wenn nicht wir?“
Dr. Jörg Stockmann, Chefarzt der neuen Klinik für Inklusive Medizin, fand nach 27 Jahren Berufserfahrung bei der Bodelschwinghschen Stiftung Bethel den Weg zum Mops. Ein Wechsel, der ihm leicht fiel: „Ich habe hier Leute angetroffen, die genau das wollen, was ich richtig finde. Behinderte Menschen sind oft verloren im Hochgeschwindigkeitssystem Krankenhaus. Oft scheitern sie schon in der Ambulanz, und für den klassischen Stationsalltag sind sie völlig inkompatibel.“
Ganzes Krankenhaus ist präpariert
Ein lauthals schreiender Down-Patient, der sich aber nicht äußern kann, ein Erwachsener mit spastischen Zuckungen, der beim Röntgen stillhalten muss, oder ein Chorea-Huntington-Erkrankter, der seine Muskelfunktionen nicht mehr steuern kann – sie alle finden in Haspe jetzt eine Anlaufstelle, wo nicht nur ein Stationsteam, sondern gleich ein ganzes Krankenhaus dafür präpariert wird, diese Menschen adäquat zu begleiten. „Dafür gibt es einen riesigen Bedarf“, betont Stockmann, „eigentlich müsste es in jeder Stadt eine Klinik für diese Menschen geben, die man im normalen Alltag oft gar nicht sieht.“
Ansprechpartner und Angebote
Wer für einen betreuten Menschen mit komplexer Behinderung eine Beratung oder Untersuchung benötigt, findet am Evangelischen Krankenhaus Haspe die entsprechenden Ansprechpartner.
Chefarzt der Klinik für Inklusive Medizin ist Dr. Jörg Stockmann, 476 24 80, E-Mail: inklusivemedizin@esv.de, der aktuell über eine Zehn-Betten-Station verfügt. Diese wird mittelfristig speziell ausgestattete Räumlichkeiten im Alten- und Pflegeheim beziehen können. Dort verfügt die Klinik dann über besonders zugeschnittene Krankenzimmer mit Übernachtungsmöglichkeiten für Angehörige, Niederflurbetten oder auch Epilepsie- und Video-Überwachung.
Hinzu kommt das Medizinische Zentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) unter der Leitung von Leiter Dr. Martin Kuthe, dessen Ambulanz im Oktober offiziell eröffnet. Erste Ansprechpartnerin für die Patienten ist Koordinatorin Maike Unger, 4762495, E-Mail: mzeb@esv.de.
Besondere Fachlichkeit
„Drei Jahre hat der Genehmigungsprozess gedauert, bis die Klinik an den Start gehen konnte“, erzählt Dr. Frank Bessler, medizinischer Geschäftsführer des Hasper Hauses. „Während es für Kinder die sozialpädiatrischen Zentren gibt, fehlt für Erwachsene die adäquate Anschlussversorgung. Dabei erfahren wir im Alltag immer wieder, dass diese Patienten die vorhandenen Versorgungssysteme überfordern und sprengen. Wir brauchen für Erwachsene mit Behinderung mehr Zeit, eine besondere Sensibilität und Fachlichkeit und vor allem ein Team, das deren Bedürfnissen gerecht wird – sowohl bei Medizinern und Pflegepersonal als auch bei Physiotherapeuten und Psychologen.“ Um diese Akzeptanz hat Bessler im Haus intensiv geworben – mit Erfolg: „Die Bereitschaft aller war sehr groß, sich darauf einzustellen und einzulassen. Denn am Ende entscheiden die Menschen, die das machen, über den Erfolg der Klinik.“
Eine wesentliche Basis, um überhaupt starten zu können, unterstreicht Dr. Martin Kuthe, Leiter des MZEB: „Wir brauchen nicht bloß Zeit, besonderes Wissen und unendliche Geduld, sondern auch Mitarbeiter mit entsprechender charakterlicher Haltung.“ Maike Unger, Koordinatorin für Inklusive Medizin, versucht im Vorfeld über einen umfangreichen Fragebogen zu ergründen, auf welche behinderten Patienten mit welchen spezifischen Anforderungen sich das Team vorbereiten muss: „Wir wissen exakt, was auf uns zukommt, unsere Organisationsvorbereitung ermöglicht es, dass der Patient passgenau zu den Untersuchungen kommt und bei Bedarf auch von drei Betreuern begleitet wird.“ Erst wenn die oft vielschichtigen Probleme erkannt sind, kann eine zielgenaue Diagnostik folgen – zur Stressvermeidung auch schon mal im sedierten Zustand. Für viele Angehörige die letzte Hoffnung, für ihre Anvertrauten eine abgestimmte Versorgung zu finden.