Hagen. Dominik Wortig hat vom Theater Hagen aus Karriere gemacht. Im Interview verrät er, warum er jetzt für zwei Konzerte zurückkommt

Dominik Wortig ist der beste Tenor, den das Theater Hagen je hervorgebracht hat, ein weit bekanntes Beispiel für den Ruf der Bühne, jungen Künstlern mit sorgfältiger Ensemblepflege ein Sprungbrett zu bieten. Heute lehrt der Sänger als Professor an der Universität Augsburg. Doch Hagen hat er nie vergessen, nicht zuletzt, weil Familie in der Region wohnt. Und so kommt der 46-Jährige gleich zweimal zurück: Am Dienstag, 11. Februar, singt er im Sinfoniekonzert in der Stadthalle Hagen den Tenorpart in Robert Schumanns Oratorium „Das Paradies und die Peri“, und am 31. Mai gestaltet er im Kammerkonzert eine Liedmatinee. Im Interview verrät Prof. Wortig, warum er die Operette so liebt, und warum Gesangsstudenten heute mehr lernen müssen, als nur zu singen.

Semperoper, La Scala, Anfragen aus Venedig und New York. Besser kann es nicht laufen für einen jungen Tenor. Und dennoch haben Sie 2013 Ihre Opernkarriere zugunsten des Konzertgesangs und vor allem zugunsten Ihrer Lehrtätigkeit aufgegeben. Bereuen Sie diesen Schritt?

Dominik Wortig: Wenn überhaupt, dann bereue ich es, von Hagen weggegangen zu sein. Ich war ja immer ein Ensembletier, und einen Zusammenhalt unter Kollegen wie in Hagen habe ich so nie wieder gefunden. Vor 20 Jahren habe ich frisch von der Düsseldorfer Musikhochschule in Hagen angefangen, und es gibt immer noch Bindung und Erkennungswert beim Publikum. Aber nach dem „Parsifal“ 2013 in Braunschweig habe bewusst die Entscheidung getroffen, am Theater aufzuhören. Theater hat sich so verändert.

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Gibt es Gründe für Ihr Unbehagen am Theater?

Die Botschaft eines Stücks kann man mit ganz verschiedenen Mitteln erzählen, davon bin ich überzeugt. Mich stört es allerdings, wenn die Form den Inhalt pervertiert, das stößt mich eher ab. Ich komme von der Orgel und von der Kirchenmusik, habe dann Gesang studiert und als Opernsänger gearbeitet. Jetzt gilt meine Liebe dem Konzertgesang, und ich widme mich voller Überzeugung der Ausbildung meiner Studierenden. Es war schön, diese Entscheidung zu einem Zeitpunkt treffen zu können, wo ich nicht mehr nach Engagements fragen musste, sondern wo man mich gefragt hat.

Der Beruf ist viel ambivalenter geworden

Sie sind Fachbereichsleiter in Augsburg und haben zudem eine Gastprofessur in Korea. Welche Herausforderungen gibt es heute bei der Ausbildung von Sängern?

Der Beruf ist sehr viel ambivalenter geworden. Ich kann die Leute 12 Semester lang unterrichten und mit einer Eins in die Wüste schicken, aber mir ist der Blick auf die Berufsrealität wichtig. Ich habe zum Beispiel das Fach Ensemblegesang in die Ausbildung gebracht. Denn nicht alle Absolventen werden weltberühmte Solisten, der Anteil ist sogar verschwindend gering. Man kann aber doch nicht jemand durch sämtliche Arienalben zwiebeln, und am Ende seines Studiums soll der zum ersten Mal einen zwölfstimmigen Satz singen. Daher dirigiere ich den Universitätschor und das Vokalensemble, gehe also wieder zurück zu meinen Wurzeln.

Sie haben bei Prof. Reinhard Leisenheimer studiert, der es als Aufgabe des Sängers betrachtet hat, sich sozial zu engagieren. Wie ist das bei Ihnen?

Meine Studierenden und ich, wir gehen viel in die Altersheime, einfach nur um Volkslieder zu singen. Das habe ich von Reinhard Leisenheimer übernommen, der mir das in Hagen so beigebracht hat. Es ist wirklich interessant, welche Wirkung ein Lied haben kann, gerade bei Schwerpflegebedürftigen. Als Prof. Leisenheimer mich das erste Mal mit zur Stiftung Volmarstein genommen hat, musste ich erst einmal bis Drei zählen. Aber seither empfinde ich die soziale Verantwortung als wesentlichen Aspekt meines Musikerdaseins. Wir pflegen in Augsburg das Interdisziplinäre, wir nehmen das Elementarmusikalische mit, damit die Studierenden den Bezug zum richtigen Leben behalten. In Südwestfalen führen wir auch die Tradition der Benefizkonzerte von Reinhard Leisenheimer fort, zum Beispiel das Solistenkonzert in Schmallenberg-Gleidorf.

Mir fehlt die Operette

Und doch vermissen Sie das Theater in einem Punkt?

Ja, die Operette ist das einzige, was mir wirklich fehlt. Die Unmittelbarkeit der Operette habe ich immer geschätzt. Was hatten wir in Hagen für Spaß in den Operetten, junge Sänger wie ich und die älteren wie KS Horst Fiehl zusammen! Das Theater Hagen existiert doch trotz aller Sparzwänge bis heute nur, weil man lange Zeit verstanden hat, wie wichtig die Ensemblepflege ist, wenn man bedenkt für welche Zielgruppe man Theater macht. Es muss doch jedem einleuchten, wenn ich alle Viertelstunde ein Musiktheater habe, so wie im Ruhrgebiet, dann kann ich doch nicht glauben, mit den Großen gleichaufzuspielen, dann brauche ich ein eigenes Profil.

Was hat Sie gereizt, „Das Paradies und die Peri“ mit den Hagener Philharmonikern zu singen?

„Paradies und Peri“ ist ein grandioses Stück. Für mich ist es mindestens so wichtig wie das Brahms-Requiem und die Matthäuspassion. Ich finde es ganz, ganz großartig, dass GMD Joseph Trafton den Mut hat, dieses weniger bekannte Werk im Sinfoniekonzert zu spielen. Es ist wunderbare Musik, sehr berührend, ich freue mich wahnsinnig darauf.