Hagen. Die Entwicklung der Westside gerät ins Stocken: Projektentwickler fordern, dass die Stadt zunächst ihre Hausaufgaben abschließt.
Die Vermarktung des Westside-Areals, also der Brachflächen zwischen Hauptbahnhof und Bahnhofshinterfahrung, gerät ins Stocken.
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Dabei möchte Baudezernent Henning Keune keineswegs von einem Rückschritt sprechen: „Vielmehr nehmen wir uns eine Auszeit, um weitere Hausaufgaben zu erledigen und die Qualität abzusichern.“ Ziel ist es, sich im Laufe dieses Jahres zu kritischen Punkten letzte Klarheit zu verschaffen, damit dann im Jahr 2021 in Zusammenarbeit mit Projektentwicklern konkrete Vorschläge für das Quartier vorgelegt werden können.
Dabei steht vor allem die Frage im Mittelpunkt, ob die Bahnhofsunterführung zu den Gleisen tatsächlich bis auf das Westside-Areal verlängert wird, oder der Tunnel Werdestraße mit Bahnsteigverbindungen großzügig wiederbelebt werden kann. Dies erscheint nämlich möglich, weil parallel zu der zuletzt nur noch als schummeriger Angstraum wahrgenommenen Unterführung ein alter Post-Tunnelschacht besteht. Von dieser Röhre aus gab es bereits Aufzüge zu den Gleisen.
Die zuletzt favorisierte Lösung, die Unterführung zu den Bahngleisen um 40 Meter zu verlängern und so einen Durchstich zur Westside zu schaffen, tritt zunächst einmal in den Hintergrund. Hauptgrund sind die erheblichen, kaum förderfähigen Kosten, die die Stadt auf etwa zehn Millionen Euro schätzt. Der geplante Verkauf der etwa 25.000 Quadratmeter großen Westside-Fläche dürfte nur etwa ein Drittel dieser Summe erlösen. Zu erwartender Realisierungszeitraum: acht Jahre!
Nachbar mit Risiken
Die wesentlichen Restriktionen für die Entwicklungen der Westside ergeben sich durch die angrenzenden Deutschen Edelstahlwerke. Diese fallen unter die Störfallverordnung der Europäischen Union (Seveso-III-Richtlinie). Daher gibt es im Umkreis von 525 Metern, so das aktuelle Gutachten eines Sachverständigen, strenge Einschränkungen für den dauerhaften Aufenthalt im direkten Umfeld.
Diese Beschränkungen müssen bei jeder Neubaumaßnahme wie der jetzt anstehenden Entwicklung der Westside berücksichtigt werden.
Für die bereits vorhandene Wohnbebauung im direkten Umfeld (Schwanen-, Tauben-, Söding-, Augusta-, Wehringhauser Straße und Graf-von-Galen-Ring) sind diese Betrachtungen nicht mehr erforderlich.
Eine Verbindung über die Werdestraße, so erwartet Keune, wäre einschließlich der städtebaulichen Veränderungen, die an der Straße am Hauptbahnhof notwendig würden, etwa für die Hälfte dieser Kosten zu haben. Zudem lassen sich dafür Städtebaufördermittel abgreifen.
Mit drei Partnern im Gespräch
Zuletzt hatte die Hagen-Agentur mit drei interessierten Projektentwicklern (S&G Development GmbH, Frankfurt; Geohaus GbR, Mühlheim; Dudoq Real Estate GmbH, Aachen) versucht, Ideen für die städtebauliche Gestaltung der Brache hinter dem Hauptbahnhof zu sammeln. Dabei stellte sich jedoch heraus, dass angesichts der unklaren Verbindung zum Bahnhofsvorplatz sowie offener Fragen zu dem angrenzenden potenziellen Störfallbetrieb DEW (Deutsche Edelstahlwerke) zum jetzigen Zeitpunkt eine Konkretisierung der Konzepte nicht möglich erscheint.
„Die Projektentwickler von nationalem und internationalem Format haben uns die Attraktivität des Standortes ausdrücklich bestätigt“, berichtet Volker Ruff, Geschäftsführer der Hagen-Agentur. „Allerdings kann es zu keiner Entscheidungsfindung kommen, solange die genauen Auswirkungen des unmittelbar angrenzenden Störfallbetriebes nicht geklärt sind.“ Gleichzeitig betont Ruff, dass die Stadt keinerlei Interesse habe, einen Standort mit knapp 450 industriellen Arbeitsplätzen in seinen Produktionsmöglichkeiten zu beschneiden.
DEW-Abstand bestimmt Nutzung
Damit ein funktionierendes Miteinander von DEW und Westside möglich wird, verfolgt die Hagener Planungsverwaltung jetzt die Idee einer horizontalen Gliederung der Fläche. Demnach könnten im nördlichen Teil, so die Idee, für einen angrenzenden Störfallbetrieb eher kritischen Nutzungen wie beispielsweise ein Hotel angesiedelt werden, während im Süden weniger frequentierte Nutzungen wie ein Parkhaus vorstellbar wären. Wohn- und Pflegekonzepte, die einen dauerhaften Aufenthalt von Menschen mit sich bringen, sind an dem Standort grundsätzlich ausgeschlossen.
Innerhalb des nächsten Jahres möchte die Stadt abschließend prüfen, welche Nutzungen im DEW-Umfeld tatsächlich zulässig sind. Außerdem wird im Rahmen einer Machbarkeitsstudie untersucht, inwieweit eine Unterführung Werdestraße die geforderte Verbindung zum Bahnhofsvorplatz sowie zu den Gleisen schaffen kann. „Wir müssen bis zum nächsten Jahr Klarheit schaffen, um von den Projektentwicklern Vorschläge für eine städtebauliche Entwicklung zu bekommen und gleichzeitig Investitionssicherheit zu schaffen“, skizziert Stadtbaurat Keune den angedachten Zeitplan. Hagen-Agentur-Chef Ruff versichert, dass die Interessenten so lange am Ball bleiben.