Hagen. Kirsten Henschel-Rolla aus Hagen sammelt vor zehn Jahren 12.000 Euro für die Opfer des verheerenden Erdbebens in Haiti. Sie lebt immer noch dort.
Am 12. Januar 2010 bebte in Haiti die Erde. Eine verheerende Katastrophe, die über 300.000 Todesopfer forderte. Mindestens ebenso viele Menschen wurden verletzt. Rund 1,5 Millionen Einwohner im ärmsten Land der westlichen Hemisphäre verloren ihr Zuhause. Niemand war auf die Katastrophe vorbereitet.
Die Hagenerin Kirsten Henschel-Rolla arbeitete seinerzeit (und tut das heute immer noch) für die Hilfsorganisation nph Kinderhilfe Lateinamerika (damals noch unter dem Namen Unsere kleinen Brüder und Schwestern) und war Teil eines Teams, das damals die erste Nothilfe mit organisierte. Dank ihrer Kontakte nach Hagen kamen bei einer Sammelaktion für die Opfer der Katastrophe 12.000 Euro zusammen. „Wir sind mit der nph Kinderhilfe seit 1988 vor Ort und verwurzelt“, sagt Kirsten Henschel über ihre Organisation: „Aus unserem Kinderdorf sind tausende von Menschen erwachsen, die nun Hand in Hand in den Projekten arbeiten.“
Stationen für Trinkwasser
Nach dem Erdbeben lebten rund 1,3 Millionen Haitianer in Notunterkünften. Viele konnten in mobilen nph-Kliniken mit einfachen medizinischen Maßnahmen betreut werden. Aus der Katastrophe wuchsen neue Aktivitäten und Angebote für die haitianische Bevölkerung. „Weil unsere Projekte nicht am Schreibtisch in einer fernen Zentrale entstehen, sondern vor Ort und im Dialog mit der Community, entfalten sie langfristige Wirkung“, so Kirsten Henschel.
Die zerstörten Straßenschulen in den Armenvierteln zum Beispiel seien heute erdbebenfest wieder aufgebaut: „33 Grundschulen bilden ein solides Netz von Bildungseinrichtungen für die Ärmsten.“ Zudem entständen derzeit Trinkwasserstationen an Schulen, die auch die Bevölkerung in den umliegenden Vierteln mit Wasser versorgen.
Bitterarmes Land
Die nph-Aktivitäten in Haiti forderten eine Beteiligung der Betroffenen ein, beispielsweise in Form symbolischer Beträge für Behandlungen, fährt die Hagenerin fort: „Zahlreiche Ansätze fokussieren darauf, eigenes Einkommen zu generieren.“ Im Ausbildungs- und Produktionsstandort „Francisville“ lernten junge Menschen Berufe. Die Produkte, darunter Lebensmittel und Baustoffe sowie Dienstleistungen und der Bau von Solaranlagen, verkaufe das Team auch an externe Abnehmer.
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Bei aller Zufriedenheit darüber, dass die Projekte fruchtbar und nützlich für die haitianische Bevölkerung seien, dürfe man nicht vergessen, wie arm das Land sei. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten veröffentlichte in einem aktuellen Bdericht Besorgnis erregende Zahlen: Waren 2019 noch 2,6 Millionen Haitianer auf humanitäre Hilfe angewiesen, werden es 2020 bereits 4,6 Millionen sein.
Große Finanzierungslücke
„In Haiti herrscht zehn Jahre nach dem großen Erdbeben eine vergessene und damit unterfinanzierte Krise“, sagt Kirsten Henschel. Im globalen Vergleich gehöre der kleine Karibikstaat, der Teil der Insel Hispaniola und Nachbarstaat der Dominikanischen Republik ist, zu den Ländern mit der größten Finanzierungslücke im humanitären Bereich. Ende 2019 waren weniger als ein Drittel der geschätzten Finanzierungsbedarfe des laufenden Jahres gedeckt.
Als ärmstes Land der westlichen Welt steht Haiti auf Platz acht der verletzlichsten Länder, hinter Somalia, Tschad, Eritrea, Zentralafrikanischer Republik, Demokratischer Republik Kongo, Sudan und Niger. „Es gibt also viel zu tun im kleinen Haiti.“