Hagen. Um mehr Zeit mit ihrem peruanischen Lebensgefährten verbringen zu können, legte Lehrerin Ute Schuller ein Sabbatjahr ein und zog nach Cuzco.
Am Tag der Wintersonnenwende fanden sich Ute Schuller (60) und Eloy (67) auf der Festung Saqsaywaman oberhalb von Cuzco ein. Als um 5.30 Uhr hinter dem einzigen Wäldchen im Umkreis die Sonne aufging – „Tayta Inti“ sagen die Inka, Vater Sonne – erglühte die kahle Landschaft ringsum unter ihren Strahlen. In einer mit Sandelholz gefüllten Tonschale zündete Eloy einige Kokablätter an, deren Rauch die Teilnehmer der Zeremonie reinigen sollte, und Eloys Freund Luigi Castro, der Quechua, die im Hochland der Anden noch gebräuchliche Sprache der alten Inka, beherrscht, murmelte einige Worte, die Ute Schuller nicht verstand. Nichtsdestotrotz fühlte sie sich in der Folge noch enger mit Eloy verbunden.
Es war keine Hochzeit, die die Lehrerin aus Hagen in Peru mit ihrem Lebensgefährten vollzog, aber doch ein spiritueller Ritus nach alter Inka-Tradition. Ein Ritus, der zusammen bringen sollte, was zusammen gehört. „Ja, ich verstehe mich besser denn je mit Eloy“, berichtet Ute Schuller: „Jeden Tag haben wir uns mehr verstanden und akzeptiert.“
Berühmte Stadt in den Anden
Vor einem Jahr, im Hagener Hochsommer, hatte sie ihren Wintermantel unter den Arm geklemmt und den Flieger nach Peru bestiegen, um 22 Stunden später in Cuzco, der berühmten, zum Weltkulturerbe gehörenden Inka-Stadt in den Anden, zu landen. Aber Ute Schuller reiste nicht nach Peru, um die historischen Stätten zu besichtigen. In Cuzco wurde sie von Eloy in die Arme geschlossen, ihrem peruanischen Lebensgefährten, den sie vor zehn Jahren in Hagen kennengelernt hatte. „Er ist meine große Liebe“, sagt Ute Schuller.
Dass die Lehrerin ein ganzes Jahr bei ihrem Partner im Hochland der Anden verbringen durfte, wurde möglich durch das sogenannte Sabbatjahr, das Beamten in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit gibt, bei fortlaufenden, aber reduzierten Bezügen ein Jahr lang aus dem Beruf auszusteigen. Ute Schuller unterrichtete zwei Jahre lang für nur zwei Drittel ihres Gehalts, bezog dieses Einkommen dafür aber auch während ihrer einjährigen Auszeit.
Kulthandlung beim Sonnenaufgang
Die Kulthandlung beim Sonnenaufgang war natürlich ein ganz besonderer Moment für Ute Schuller und Eloy. Doch unter dem Strich noch beglückender war die Erkenntnis, dass die aus vollkommen unterschiedlichen Kulturkreisen stammenden Menschen wunderbar zusammen passen. Während die Lehrerin aus Hagen ihren Tagesablauf einem gewissen Plan unterwirft, lässt Eloy als typischer Vertreter seines Volkes die Dinge am liebsten auf sich zukommen. So gehe ein Inka auch mal zum Bahnhof ohne zu wissen, um wieviel Uhr der Zug fahre, berichtet Ute Schuller: „Aber wer nicht plant, der hat auch nicht diesen ewigen Stress wie wir hier in Deutschland“, beinhaltet Toleranz für sie auch die Fähigkeit, dem Anderssein positive Aspekte abzugewinnen.
Die Pension, in der Eloy Rucksacktouristen, die sich auf den Weg in die berühmte Ruinenstadt Machu Picchu machen, beherbergte, liegt unweit oberhalb der Innenstadt von Cuzco. Das Paar machte es sich zur Gewohnheit, abends einen Spaziergang über den berühmten zentralen Platz (plaza de armas), der von der imposanten Jesuitenkirche dominiert wird, zu unternehmen und am ungemein lebendigen kulturellen Angebot der ehemaligen Hauptstadt des Inka-Reiches teilzunehmen. „Ich habe mich in einem Malkursus an der Kunstakademie eingeschrieben“, berichtet Ute Schuller. Sie genoss die Zeit ohne Verpflichtungen, denn Eloy sorgte dafür, dass alle Aufgaben in der Pension erledigt waren.
Frühstück im Wintermantel
Morgens frühstückten die beiden auf der Terrasse der Pension – Ute Schuller des Öfteren im mitgebrachten Wintermantel, denn auf 3400 Metern Meereshöhe kann es auch bei strahlendem Sonnenschein empfindlich kalt sein. Entschädigt wurde sie mit dem Panorama der Stadt und dem Blick auf den über 6000 Meter hohen, schneebedeckten Ausangate. Täglich nahm sie Kokatee zu sich: „der putscht auf und enthält Vitamine und Mineralien. Außerdem dämpft er den Hunger und hilft gegen die Höhenkrankheit.“ Dennoch bereitete Ute Schuller bis zum letzten Tag ihres Aufenthaltes in Cuzco die Höhe Probleme, vor allem das Bergaufgehen war anstrengend bis hin zur Atemnot.
Und doch denkt sie voller Genugtuung an ihr Sabbatjahr zurück. An den Vollmond, wenn er hinter dem Asuangate stand. An die Sonne auf der Haut. An die Religiosität der Inka, die sowohl mit ihrem überlieferten als auch dem katholischen Glauben leben. An Vater Sonne und Mutter Erde. So sagen die Inka.
Im Herbst wird Eloy sie in Hagen besuchen, und erst in den Sommerferien 2020 wird Ute Schuller wieder zu ihm nach Cuzco fliegen können. Bis dahin werden sie über den Videotelefondienst Skype miteinander kommunizieren. Es ist schwer, wenn ein Ozean und ein Hochgebirge zwischen einer Liebe liegen, aber die Beziehung zwischen Ute Schuller und Eloy hat in den vergangenen Jahren darunter nicht gelitten und wird es wohl auch in Zukunft nicht. Den Segen von Tayta Inti hat sie jedenfalls.