Hagen. Der Arbeitsplatz von Alexander Gaidies aus Hagen befindet sich dort, wo andere Menschen nie hinkommen: auf Türmen, Kraftwerken und Windrädern.
Als Alexander Gaidies (30) an dem 125 Meter hohen ARAG-Tower in Düsseldorf hing, bekam er es mit der Angst zu tun. Es war sein erster Arbeitseinsatz als Industriekletterer, sein Vorgesetzter hatte ihn ohne weitere Sentimentalitäten hinauf geschickt. Gaidies sah nach unten, wo auf dem Mörsenbroicher Ei die Autos wie Ameisen umherflitzten. Doch Gaidies hörte nur den Wind. Dann riss er sich zusammen, führte seinen Auftrag, die Fenster zu reinigen, aus und kehrte zum Erdboden zurück.
Heute verspürt Alexander Gaidies keine Angst mehr, wenn er an einem Gebäude empor klettert. „Ich habe mich an die Höhe gewöhnt“, sagt der Hagener, der nach zehn Jahren in Diensten eines Berliner Unternehmens die Firma Maiga gegründet und sich selbstständig gemacht hat.
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Sein Arbeitsplatz ist dort, wo andere Menschen nie hinkommen: auf Hochhäusern, auf Türmen, auf Kraftwerken, auf Bürogebäuden, auf Windkrafträdern. Gaidies wird gerufen – und er wird oft gerufen, die Auftragsbücher der jungen Firma sind voll –, wenn herkömmliche Zugänge versagen. Wenn Mut, Kraft und vor allem Kreativität gefragt sind.
Im Inneren eines Brennkessels
Auf dem Kühlturm des Steinkohlekraftwerks in Duisburg-Walsum hat er in 180 Metern Höhe Beton saniert. Er klettert an Fassaden empor oder lässt sich vom Dach hinab, um an seinen Einsatzpunkt zu gelangen.
Manchmal befindet sich sein Arbeitsplatz im Inneren der riesigen Brennkessel von Kohlekraftwerken, die regelmäßig gereinigt werden müssen, damit sie effizient bleiben. Dort muss er die festgebackene Asche mit Hammer und Meißel von den Wänden lösen und die Rußablagerungen mit Lanzen aufbrechen und abschlagen. Die Arbeit in den konvexen Riesenschornsteinen ist anstrengend, grob und dreckig, aber wenn sie Männer wie Gaidies nicht machen, dann macht sie keiner. „Wir werden gerufen, wenn andere nicht mehr weiterkommen.“
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Zum Aufgabenspektrum eines Industriekletterers gehören Montagen, Reparaturen, Spezialreinigungen und Sicherheitsdienste. So musste Alexander Gaidies in Witten dafür sorgen, dass das Christkind, als es bei der Eröffnung des Weihnachtsmarktes einen leuchtenden Stern vom Dach des Rathauses hinabließ, nicht hinunter fiel.
Immer doppelt gesichert
Doch der gelernte Dachdecker ist stets auch um die eigene Sicherheit besorgt, denn sein Leben hängt davon ab, dass alle Gurte und Seile wie vorgeschrieben verankert sind. „Vor jedem Arbeitseinsatz überprüfe ich deshalb die Ausrüstung“, sagt Gaidies. Er ist immer doppelt gesichert – sollte das Seil, in dem er hängt und arbeitet, tatsächlich reißen, würde er von einem Notfallseil aufgefangen. „Aber das ist Gott sei Dank noch nie passiert“, betont Gaidies, dass er auf eine solche Erfahrung auch in Zukunft gern verzichten möchte.
Die Gründung der eigenen Firma hat dem Leben von Alexander Gaidies neuen Sinn verliehen. Nicht, dass sich die Art seiner Tätigkeit verändert hätte, auch als angestellter Industriekletterer und zuletzt sogar Aufsicht führender Höhenarbeiter hatte er an Hochhäusern, Türmen und Kraftwerken zu tun. „Doch ich war todunglücklich, ich merkte, dass ich nicht weiterkam.“ Die Selbstständigkeit dagegen sei ein Projekt seines Herzens, etwas Erfüllendes. Wenn die Aufträge weiter so hereinpurzeln, will er bald die ersten festen Mitarbeiter einstellen.
Können wird stets überprüft
Alexander Gaidies gehört mit seinem Unternehmen zum Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken, der Richtlinien zur Ausbildung und Arbeitssicherheit festlegt.
Industriekletterer müssen eine vom Fachverband anerkannte Ausbildung absolvieren. Auch Alexander Gaidies muss sich einer jährlichen Wiederholungsprüfung unterziehen.
Der junge Unternehmer befindet sich ganz im Existenzgründerrhythmus. Als er sich jetzt einmal einen freien Tag eingeräumt hatte, wurde er um 4 Uhr wach und wusste nicht, was er machen wollte. Gaidies ging zum Frühschwimmen ins Westfalenbad. Auf freie Tage kann er derzeit gut verzichten.