Hagen. 32 Jahre war Hans Walter Lindemann für die katholische Krankenhaus GmbH in Hagen tätig. Nun ist der Chefarzt im Ruhestand. Aber nicht so ganz.
Hans Walter Lindemann (65) ist als Chefarzt der Klinik für Hämatologie und Onkologie des St.-Josefs-Hospitals in den Ruhestand getreten. Seit 1987 war er für die katholische Krankenhaus GmbH in Hagen tätig. Aber Dr. Lindemann ist nicht wirklich Rentner.
Ist Ihnen der Abschied schwer gefallen?
Ja, wenngleich ich festgestellt habe, dass ich nicht mehr so leistungsfähig bin wie vor zehn Jahren. Von daher war es der richtige Zeitpunkt. Ich hatte ja eine verantwortungsvolle Tätigkeit und bin Menschen in schwierigen Situationen begegnet, die von einem Arzt erwarten, dass er sie gesund macht oder zumindest hilft. Den Job als Chefarzt kann man nicht halbherzig betreiben, sondern nur mit voller Kraft und Konzentration. Da darf man sich keinen Fehler erlauben.
Seit dem Jahr 2008 Chefarzt
Dr. Hans-Walter Lindemann wurde 1954 in Herford geboren. Der Mediziner ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Söhnen.
Lindemann studierte Medizin an der Universität in Bonn und begann seine ärztliche Tätigkeit im Jahr 1981 als Assistenzarzt im Marienhospital Herne. Nach der Facharztprüfung wurde er 1987 Oberarzt am St.-Marienhospital Hagen.
Lindemann ist Facharzt für Hämatologie und Onkologie, Intensivmedizin, Palliativmedizin, Hämostaseologie und Labormedizin. 2008 wurde er Chefarzt der Abteilung Hämatologie und Onkologie.
Seine Hobbies sind Reisen und Fotografieren.
Ist es nicht schwierig, von einem Tag zum anderen ins Rentnerdasein herunterzuschalten?
Es war schon eine große Belastung, ich habe bis zuletzt ja auch Rufbereitschaft gehabt, immer im Wechsel mit meiner Oberärztin. Der Beruf hat mich viele Wochenenden und viele Überstunden gekostet – wieviele, erzähle ich lieber nicht. Aber so ist das in diesem Job. Ich bin dankbar, dass meine Frau es so toll mitgetragen hat.
Was hat Ihnen das Renommee als Chefarzt bedeutet?
Es ist die ärztliche Tätigkeit, die im Vordergrund steht, und die Persönlichkeit, die man als Arzt einbringt und mit der man den Patienten und Mitarbeitern gegenübertritt. Zuerst kommt der Patient, das war immer mein Credo.
Aber auch in einer Klinik gibt es doch so etwas wie Routine.
Sicher, doch es ist ein Unterschied, ob ein Patient mit einer Blinddarmentzündung vor einem steht oder jemand mit einer schweren Erkrankung, von der er glaubt, sie sei sein Todesurteil. Man gewinnt viel Routine, doch der Umgang mit den Patienten ist nie Routine. Es ist immer ein anderer Mensch mit seinen Sorgen und Nöten, der vor einem steht.
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Hatten Sie eine Strategie für das Übermitteln schwerwiegender Diagnosen?
Ich habe versucht Hoffnung zu geben, aber keine falschen Erwartungen zu wecken. Und ich habe mir, bevor ich ein Gespräch mit einer schlimmen Nachricht zu führen hatte, vorher überlegt, welche Fragen ich möglicherweise provozieren kann, auf ich die dann wiederum antworten könnte. Wichtig ist, dass der Patient mit der Diagnose zurechtkommt. Ich habe nie mit Statistiken argumentiert, so nach dem Motto: Bei Ihrer Krankheit beträgt die Überlebenswahrscheinlichkeit 50 Prozent. So etwas zerstört einen Menschen.
Warum haben Sie sich überhaupt der Hämatologie und Onkologie zugewandt?
Ich habe als Assistenzarzt ein Jahr in der onkologischen Ambulanz in Herne gearbeitet. Ich habe Menschen in Krisensituationen kennengelernt, die, wenn man ihnen offen begegnete, sehr dankbar waren. Das hat mich mitgerissen. Aber ich bin natürlich auch allen anderen Tätigkeiten eines Internisten begegnet: Dialyse, Herzkatheter, Darmspiegelung, Hirngefäßdarstellung und was sonst noch dazu gehört.
Berge, Meer, Klassik und Ausdauer
Berge oder Meer?
Beides. Vor allem, um neue Länder und Leute kennenzulernen.
Klassik oder Pop?
Klassik. In den letzten Monaten auch in Hamburg und nächstes Jahr zum Beethovenjahr nach Bonn.
Ausdauer- oder Kraftsport – was ist gesünder?
Ausdauersport. Empfohlen werden dreimal 30 Minuten in der Woche. Ich bevorzuge dabei Gartenarbeit und auch das Fahrradfahren.
Sie sind weiterhin verantwortlich für die Transfusionsmedizin am St.-Josefs-Hospital. So ganz können Sie doch nicht loslassen, oder?
Die Geschäftsführung hat mich gebeten, diese Aufgabe wahrzunehmen, da sich bislang niemand dafür gefunden hat. Ich arbeite zehn Stunden pro Woche. Nach 32 Jahren im Haus ist mir die Klinik ans Herz gewachsen, wir haben ein tolles Team von Ärzten und Schwestern. Arzt zu sein war für mich das Richtige, ich glaube, ich kann sagen, ich hatte ein erfülltes Berufsleben. Ich habe es geliebt, das kann man nicht ablegen.
Bilden Sie sich auch noch fort?
Ja, als „Rentner“ habe ich bisher an zwei Veranstaltungen teilgenommen, am deutschen Hämatologen-Kongress und an einer Studiensitzung über Lymphome.
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Was weiß man heute über die Entstehung von Krebs?
Es gibt Erkenntnisansätze über Stoffwechselvorgänge, die eine Erkrankung begünstigen. Ein Teil der Leukämien kann zum Beispiel durch Alterungsvorgänge in den Zellen ausgelöst werden. Es gibt bereits Medikamente, die diese Alterung aufhalten, aber leider nur für einige Monate oder Jahre. Ich hoffe, ich erlebe es noch, dass auch langfristig wirksame Medikamente entwickelt werden.