Hagen. . Methadon sei keine Wunderwaffe gegen Krebs, erklärt ein Bündnis aus Hagener Apothekern und Ärzten. Immer mehr Patienten fordern Methadon.

  • Viele krebskranke Patienten würden Methadon zur Bekämpfung ihres Leidens verlangen.
  • Der Andrang auf die schmerzstillende Substanz ist durch Fernsehberichte ausgelöst worden.
  • Bündnis aus Apothekern und Ärzten warnt vor Umgang und verweist auf die Forschungslage

Hagener Ärzte und Apotheker mahnen zur Vorsicht: Viele krebskranke Patienten würden Methadon zur Bekämpfung ihres Leidens verlangen. Der Andrang auf die schmerzstillende Substanz, die vor allem als Ersatz in der Therapie von Drogenabhängigen bekannt ist, ist durch Fernsehberichte ausgelöst worden. Tenor darin: Methadon sei eine Wunderwaffe gegen Krebs.

Methadonlösung in einer Flasche.
Methadonlösung in einer Flasche.

In Hagen rät ein Bündnis aus Apothekern und Ärzten zu größter Vorsicht und schildert die Gefahren. Die Forschungslage sei viel zu dünn. Doch die bisherigen Regeln der Wissenschaft sind in diesem Fall außer Kraft gesetzt. Viele Patienten verlangen Methadon.

„Seit einiger Zeit erleben wir eine spürbare Zunahme der Verordnungen über Methadon-Rezepturen, von einer wachsenden Zahl unterschiedlicher Verordner. Obwohl es sich außerhalb der Substitutionsmedizin um ein nicht unproblematisches Arzneimittel handelt, das nur von erfahrenen Ärzten eingesetzt werden sollte“, sagt Dr. Christian Fehske, Chef der Rathaus-Apotheke. Vorschnelle Fernsehberichte, die den Stand der Studien nicht sorgsam genug eingeordnet hätten, hätten in der Öffentlichkeit den Eindruck entstehen lassen, dass Methadon die neue Krebs-Wunderwaffe sei und nur deshalb nicht weiter von der Pharmaindu­strie erforscht werde, weil sich damit nicht genug Geld verdienen lasse.

Mögliche Wechselwirkungen

Apotheker Fehske widerspricht. Es sei wichtig zu wissen, dass Methadon auch Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln haben könne. Für bestimmte Patienten sei es nicht geeignet. Wenn es von unerfahrenen Therapeuten überdosiert werde, könne es schlimmstenfalls zu unbeabsichtigten Todesfällen kommen.

Allgemeinmediziner Hilscher bleibt bei Haltung

Gleicher Meinung wie Fehske – und Unterzeichner einer gemeinsamen Stellungnahme – sind Karla Caspers (Allgemein- und Palliativmedizinerin), Dr. Hans-Walter Lindemann (Onkologe und Palliativmediziner), Ute Queckenstedt (Internistin und Palliativmedizinerin), Vanessa Voß (Apothekerin), Dorothea Weber (Fachapothekerin Allgemeinpharmazie), Dr. Susanne Weiss (Internistin und Palliativmedizinerin) und der Mann, der das Thema deutschlandweit ins Rollen gebracht hat: der Allgemein- und Palliativmediziner Dr. Hans-Jörg Hilscher aus Iserlohn. „Wir haben mit Herrn Hilscher auch einen der stärksten Verfechter der möglichen Tumorwirksamkeit von Methadon gewinnen können, das Papier mit zu unterzeichnen, was aus unserer Sicht den Ernst der Lage des öffentlichen Missverständnisses der Berichterstattung unterstreicht“, betont Christian Fehske.

Kein Ersatz für eine Chemotherapie

Dr. Jörg Hilscher aus Iserlohn, der in gewisser Weise verantwortlich für die plötzliche bundesweite Debatte ist, hat tatsächlich mit unterzeichnet, bleibt aber auf WP-Nachfrage bei seiner generellen Haltung: „Methadon stillt Schmerzen, verbessert das Wohlbefinden und verhindert die Abwehrreaktionen von Tumorzellen“, sagt Hilscher, „so kann die Chemotherapie besser wirken.“ Zumindest in Tierexperimenten hätte schon nachgewiesen werden können, dass Methadon Krebszellen bekämpfen und sterblich machen könne. Hilscher sagt im Gespräch mit der WP nicht, dass Methadon die Chemotherapie ersetzen solle.

Druck auf Hausärzte ausgeübt

„In Hagen beobachten wir, dass Patienten zum Teil so lange Druck auf ihre Hausärzte ausüben, bis sie Methadon für an Krebs erkrankte Angehörige verordnet bekommen. Wir beobachten tatsächlich auch bereits eine Zunahme der Verschreibungszahlen und vor allem auch der Anzahl von Ärzten, die es neuerdings verordnen“, sagt Apotheker Christian Fehske.

Eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie habe ergeben, dass etwa 83 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Ärzte oft oder sehr oft von Patienten auf Methadon angesprochen werden, während nur ein Prozent es oft von sich aus verordnen, um die Wirksamkeit von (Chemo-)Therapien zu verstärken.

>> Erklärung der Apother und Ärzte im Wortlaut

„Methadon wird als „Wundermittel gegen Krebs“ missverstanden und erste Patienten gefährden ihre Gesundheit, indem sie aufgrund unrealistischer Erwartungshaltungen sichere und wirksame Krebs-Therapien ablehnen, oder aber Ärzte zur Verschreibung drängen, die nicht auf den Einsatz von Methadon spezialisiert sind. Außerhalb der Substitutionsbehandlungen wird Methadon auch in Hagen schon lange mit gutem Erfolg in der Schmerztherapie eingesetzt, vor allem in der Palliativmedizin bei sehr starken Schmerzen im Zusammenhang mit Krebserkrankungen und Neuropathien. Es ist in der Hand erfahrener Therapeuten für geeignete Patienten ein geschätztes und wertvolles Schmerzmittel.

Methadon ist aber kein Krebsmedikament und es wäre ausgesprochen töricht und gefährlich, bewährte Therapien abzusetzen oder nicht zu beginnen, nur weil Methadon vielleicht einmal ein Krebsmedikament sein könnte. Auch eine Kombination von Methadon mit erprobten Krebstherapien bedarf immer einer sorgfältigen Abwägung möglicher Risiken und Nachteile durch den behandelnden Arzt, denn der Einsatz ist nur in bestimmten Fällen und in Kenntnis einiger Besonderheiten u. a. bei der Dosierung sinnvoll und sicher.

Vielversprechende frühe Forschungsergebnisse wie die in der Berichterstattung zu Methadon hervorgehobenen werden weltweit jeden Tag zu vielen Stoffen veröffentlicht. Vor einer verantwortungsvollen Anwendung als Arzneimittel am Menschen müssen sie jedoch stets einer sorgfältigen Prüfung durch Studien unterzogen werden. Solche Studien zur Erforschung neuer Medikamente wurden und werden auch in Hagen unter den üblichen hohen Sicherheitsstandards durchgeführt, auch ohne Beteiligung von Pharmaunternehmen, und solche Studien zum Einsatz von Methadon bei bestimmten Krebstherapien durchzuführen, begrüßen wir ausdrücklich.

Es ist bedauerlich und gefährlich, dass falsch verstandene Berichte zum Einsatz von Methadon ungerechtfertigte Erwartungen an bislang noch nicht ausreichend erforschte Einsatzgebiete geweckt haben.“