Hohenlimburg. Was drei Hohenlimburger über Leben an der Stromtrasse und Ängste vor dem Ausbau erzählen. Und was das Bundesamt für Strahlenschutz dazu sagt

Je nach Wetter ist das Knistern mal lauter, mal leiser. Aber hörbar sind die Leitungen immer. Kaum 50 Meter trennen die Stromtrassen am Kirchenberg von dem Wohnhaus von Michael und Andrea Kruppke. Seit zwölf Jahren wohnt das Ehepaar mit seinen Kindern nun an der Trasse. Anfangs war die Lage des Hauses kaum Thema. „Aber dann hieß es, die Hochspannungsleitung wird ausgebaut“, erinnert sich Andrea Kruppke zurück. „Da wohnten wir gerade ein paar Jahre hier.“ Für die junge Familie eine Nachricht, die viel verändert hat.

Michael Kruppke hatte schon in Kindheitstagen an der Trasse gewohnt. „Wir haben mit der Hochspannung gelebt“, sagt er, „und haben es auch nicht als bedenklich empfunden. Wir kannten das.“

Sorge vor der Strahlung

Diese Sorglosigkeit ist mittlerweile jedoch verschwunden. Auf rund 70 Meter Höhe könnte der Strommast, auf den er vom Wohnzimmer aus blicken kann, wachsen. Eine Trasse mit Platz für mehr als 30 einzelne Leiterseile, durch die zum Teil rund 380.000 Volt fließt, statt 220.000 Volt wie bisher. Kruppke sorgt sich um die Folgen, die ein solcher Ausbau der Trasse vor seinem Haus haben könnte. Um möglichen Wertverlust des Grundstücks und besonders um die zusätzliche Strahlenbelastung.

Michael und Andrea Kruppke wohnen in Sichtweite zu den Stromleitungen, kaum fünfzig Meter entfernt.
Michael und Andrea Kruppke wohnen in Sichtweite zu den Stromleitungen, kaum fünfzig Meter entfernt. © Westfalenpost | Marcel Krombusch

„Wir reden hier jetzt nicht von Masten, die ein halbes Jahr stehen und dann demontiert werden. Das geht über Generationen“, sagt Kruppke und sorgt sich vor allem um die Folgen für sich und seine Familie. „Wie die Gesundheit der Menschen mit diesem Ausbau von Stromtrassen in ganz Deutschland bewusst gefährdet wird, das finde ich erschreckend.“

Und es sind Gedanken wie diese, die ihn zum Einsatz bei „No Monstertrasse“ motivieren – einer Bürgerinitiative, die sich gegen die Ausbau-Pläne stellt. „No Monstertrasse“ – dieser Losung sollten viel mehr Hohenlimburger folgen als bisher, findet Michael Kruppke. „Es braucht Solidarität unter den Menschen, dann können wir etwas erreichen.“

Sicherheit bei Gewitter

Auch Nachbarin Ute Kwiatkowski ist bei „No Monstertrasse“ engagiert. Sie lebt seit rund 30 Jahren mit der Stromtrasse hinter ihrem Haus. Diese war lange kein „Monster“, sondern ein Beschützer. „Mein Schwiegervater hat damals befürwortet, dass die erste Trasse kommt“, erinnert sich Kwiatkowski zurück. „Er sagte immer: Wenn dieses Teil da ist, kann bei Gewitter der Blitz nicht in unser Haus einschlagen.“

Aber diese Zeiten seien vorbei, der Wissensstand heute ein anderer. Gegen die bestehende Trasse habe sie nichts, sagt Kwiatkowski. Aber gegen die Pläne zum Ausbau schon. „Allein der Gedanke, dass bald ein viel größerer Strommast direkt vor meinem Wohnzimmer steht – da könnte ich ausrasten. Und Angst habe ich, fürchterliche Angst.“

Ute Kwiatkowski wohnt seit rund 30 Jahren direkt neben einer der 220kv-Stromleitungen. In den ersten Jahren galten die Stromtrassen als Beschützer, erzählt sie.
Ute Kwiatkowski wohnt seit rund 30 Jahren direkt neben einer der 220kv-Stromleitungen. In den ersten Jahren galten die Stromtrassen als Beschützer, erzählt sie. © Westfalenpost | Marcel Krombusch

Auch die Strahlenbelastung ist in dem Zusammenhang für Kwiatkowski ein wichtiges Thema. Weil die Kinderzimmer direkt an die Trasse grenzten, habe sie einst deren Wände unter der Tapete mit Draht verkleidet, „wie einen Faraday’schen Käfig“. Sie wollte nicht, dass ihre Kinder den Strahlen mehr als nötig ausgesetzt werden. „Ich setzte nicht Kinder in die Welt, um sie zu schädigen“, sagt sie. „Und wenn ich jetzt nicht gegen den Trassen-Ausbau protestiere, könnte ich das Haus nicht mit gutem Wissen vererben.“

Was das Bundesamt für Strahlenschutz zu den Sorgen sagt

Jede Stromleitung erzeugt elektrische Felder – aber wie gefährlich ist für Menschen die Strahlung, die von Hochspannungsleitungen wie in Hohenlimburg abgeht? Nachgefragt beim Bundesamt für Strahlenschutz in Berlin (BfS): Oberhalb bestimmter Schwellenwerte können die erzeugten Magnetfelder Nerven und Muskeln reizen, heißt es aus dem Bundesamt. Deshalb dürften die so verursachten Magnetfelder in Wohngebieten den gesetzlich festgelegten Grenzwert von 100 Mikrotesla nicht überschreiten. „Unterhalb dieses Grenzwerts sind keine gesundheitlichen Wirkungen wissenschaftlich nachgewiesen“, so Nicole Meßmer, Pressereferentin im BfS. Studienergebnisse ließen darüber hinaus ein geringfügig erhöhtes Risiko vermuten, bereits bei Werten von etwa 0,3 bis 0,4 Mikrotesla an Leukämie im Kindesalter zu erkranken.

Hierzu laufe aber noch die Forschung, sichere Beweise für einen Zusammenhang zwischen Stromleitung und Erkrankung gebe es nicht. Elektrische Felder könnten zudem durch leitfähige Materialien sehr gut abgeschirmt werden, so die Sprecherin des BfS. Ein „Faraday’scher Käfig“ schirmt derweil zwar schwache elektrische Felder sowie hochfrequente elektromagnetische Felder, etwa des Mobilfunks, ab. Jedoch seien Magnetfelder nur schwer und mit speziellen Materialien wie „Mu-Metallen“ abzuschirmen. Der beste Weg, sich vor der Strahlung von Magnetfeldern zu schützen, sei Abstand. Ein Zimmer mit direkter Sicht zur Leitung könne höhere Strahlenwerte aufweisen als ein Zimmer an einer der Stromleitung angewandten Seite. Messbar ist die heimische Strahlung etwa mit Teslameter und Gaussmeter.

Mit einer Laternen-Demo will die Initiative „No Monstertrasse“ am 21. November erneut für ihre Sache werben. Die Protestaktion startet um 18 Uhr an der Rundturnhalle und endet am Paul-Gerhardt–Haus. Dort schließt sich ab 19 Uhr eine Info-Veranstaltung zum Thema Trassen-Ausbau an.