Hohenlimburg/Letmathe. Sie ist eine Frau, die sich ausschließlich in den Dienst anderer Menschen stellt. In der Telefonseelsorge und in Südafrika.
Am 17. April 1986 greift Gabriele Schiebel zum Telefonhörer und ruft die Telefonseelsorge in Hagen an. Eine Schülerin von ihr hat sich das Leben genommen. Schiebel ist hilflos. Machtlos. Sprachlos. „Ich wollte die Worte lernen, mit denen ich so eine Tragödie künftig verhindern kann“, sagt Schiebel. Für alles, was danach geschah, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die 73-Jährige gestern mit dem höchsten Bürger-Orden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet – mit dem Bundesverdienstkreuz. Eine Frau, die ihr Leben ohne Wenn und Aber, mit Haut und Haar, Tag und Nacht in den Dienst anderer Menschen stellt.
Die einstige Berufsschullehrerin Gabriele Schiebel, die auf der Stadtgrenze zwischen Hohenlimburg und Letmathe lebt, hat die Hagener Telefonseelsorge in den vergangenen 33 Jahren geprägt. Über 1000 Anrufer, über 3500 Stunden Telefondienst, über 10.000 Mails. Schiebel hat Leben gerettet, Beziehungen gekittet, Menschen aufgerichtet, Leid geteilt und Lösungen angeboten. Sie tat es für Menschen, die sie nicht kannte, aber mit denen sie über den Telefonhörer eine Beziehung aufbaute. Sie tat es ehrenamtlich. Und sie tat es für sich. „Ich wollte mich selbst kennenlernen“, sagte sie in ihrer Dankesrede gestern im Restaurant Schlesierland in Henkhausen.
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Schiebel sagt, dass man selbst den Abgrund unter sich öffnen müsste, um bereit zu sein, in die Seelen anderer Menschen blicken und hören zu können. „Diese Aufgabe bei der Telefonseelsorge hat mich betroffen gemacht, sie hat mich auch krank gemacht, aber vor allem hat sie mich unendlich erfüllt“, sagt sie.
Projekt in Südafrika
Doch Thomas Gemke, Landrat des Märkischen Kreises, heftete ihr die stolze Verdienstmedaille nicht nur für ihr Wirken bei der Telefonseelsorge an. Denn Schiebel ist zusätzlich auf einer Mission, die schwieriger nicht sein könnte. 2014 reiste sie nach Südafrika und ging in die Townships von Kapstadt. In eine Gegend, wo Menschen in Blechhütten wie auf einer Müllhalde leben und Kinder für ihr Leben zur Armut verdammt sind. Schiebel machte das betroffen. Und sie reagierte. Sie gründete mit ihrer Lebenspartnerin Angelika Ippendorf den Verein „Noluthando“, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, vernachlässigte Kinder aus den Townships zwischen sechs Monaten und drei Jahren zu fördern. Und zwar, indem der Verein dafür sorgt, dass Erzieherinnen genau für diesen Förder-Gang in die Townships ausgebildet werden. Fünf Jahre später gehen die ersten Kinder des Projekts in eine südafrikanische Vorschule. Und ein Township-Mädchen namens Tanja hat es mit der Unterstützung von Noluthando auf eine Privatschule geschafft. Ein bildungstechnischer Kraftakt, der den Verein 300 bis 500 Euro pro Monat kostet.
Das Team des Vereins, das Schiebel durch ihr mutiges Vorangehen mitzieht, hat diesem Mädchen und anderen Kindern einen Schlüssel in die Hand gegeben, mit dem es aus ihrer Welt in eine neue und bessere hineintreten können: die Bildung.
„Wenn ich sterbe, will ich von meiner Wolke auf das Mädchen Tanja blicken. Darauf, wie es eine Uni betritt und dadurch geschafft hat, was ihr sonst nie möglich gewesen wäre“, sagt Schiebel.