Hagen. Es grenzt an ein Wunder: Ex-Förderschüler Ömer aus Hagen macht eine ganz normale Ausbildung. Der Verein Fit for Future hat ihn unterstützt.

Sie würfelt, sie zieht, sie lächelt. „Einen hab ich schon im Häuschen“, sagt Elisabeth Nolte. Dabei sind viele im Wohn- und Pflegezentrum St. Hedwig der Caritas nicht im, sondern aus dem Häuschen, seit Ömer hier arbeitet. Der 22-Jährige hat das Mensch-Ärgere-Dicht-nicht-Spiel auf den großen Tisch gestellt. Jetzt ist er am Zug.

Fachpraktiker Personenbezogene Dienstleistungen – ein Wortungetüm, das Ömer schnell über die Lippen kommt. Denn hinter dieser Bezeichnung für einen ganz neuen Ausbildungsberuf steckt sein Traum: mit Menschen arbeiten, Menschen unterstützen, Menschen helfen.

Ein Wunder der Willenskraft

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Dass sich dieser Traum erfüllt, ist ein kleines Wunder. Eines, das auf der Unterstützung durch den Verein Fit for Future und auf Ömers unbändiger Willenskraft beruht: „Das muss man sich bei mir wie eine Treppe vorstellen“, sagt er, „mein erste Ziel war, nicht dauerhaft in der Behindertenwerkstatt arbeiten zu müssen. Das zweite war, eine richtige Ausbildungsstelle zu finden. Das dritte ist, diese Ausbildung auch abzuschließen.“

Ömer liest den Gästen Lothar Gropengießer und Hermann-Walter Fischer (rechts) aus einem Buch vor.
Ömer liest den Gästen Lothar Gropengießer und Hermann-Walter Fischer (rechts) aus einem Buch vor. © Michael Kleinrensing

Ömer kann das schaffen. Und Georg Berger, der für den Verein Fit for Future den ehemaligen Förderschüler auf seinem Weg in das Berufsleben begleitet, ist sich sicher: „Ömer wird das auch schaffen. Ich kenne niemanden, der so ehrgeizig ist. Er gibt immer 200 Prozent. Er will seine Ziele erreichen - unbedingt. Diese Ausbildungsstelle hat er nicht aus Mitleid bekommen, sondern weil er in seiner Praktikumszeit überzeugt hat und weil er das Herz am rechten Fleck trägt.“

Ein Kämpfer vom ersten Lebenstag an

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Ömer ist ehrgeizig, er ist ein Kämpfer. Und das schon, seitdem er auf dieser Welt ist. Eine schwere Stoffwechselerkrankung, die unmittelbar nach seiner Geburt diagnostiziert wurde, führte dazu, dass er zwei Jahre lang die Klinik nicht verlassen durfte. Niemand wusste, wie er sich entwickeln würde. Einige Ärzte sagten ihm ein kurzes Leben im Rollstuhl voraus, machten seinen Eltern keine Hoffnung.

Heute ist er 22 Jahre alt, ein junger Mann mitten im Leben. Ömer, der noch bei seinen Eltern in Hohenlimburg wohnt, sitzt nicht im Rollstuhl. Ömer steht, Ömer geht. Aber: Eine Fehlstellung der Füße ist der Grund dafür, dass er sich vier schweren Operationen unterzieht. „Er hat das auf sich genommen, weil er den festen Willen hatte, eine normale Arbeitsstelle zu finden“, sagt Georg Berger.

Rückschlag auf dem Weg in das Berufsleben

Seit 2011 im Einsatz für Jugendliche

Im Juni 2011 wurde der Hagener Verein „Fit for future“ gegründet. Er will jungen Menschen mit Lernbehinderungen und vielfältigen sozialen Problemen helfen, fit für ihre Zukunft zu werden.

Dazu hat der Verein in Hagen eine Beratungsstelle eingerichtet, in der montags bis freitags Mitarbeiter persönlich mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sie befindet sich in der Rathausstraße 39.

Neu ist seit 2016 am Donnerstagmorgen ein Informationsangebot im Bereich Überschuldung/Strafrecht. Die Beratung ist kostenlos und richtet sich nicht nur an Ratsuchende aus Hagen, sondern an alle jungen Menschen aus der Region.

Die Suche aber ist für Ömer, der Praktika in der Behindertenwerkstatt („Das war nichts, nur Schrauben sortieren den ganzen Tag“) absolviert, mit Rückschlägen verbunden. Er arbeitete zur Probe in einem Supermarkt, in einem Möbelhaus und in einem Baumarkt. Er hinterließ einen glänzenden Eindruck, wollte Verkäufer werden. „Nach meiner letzten Operation hat die Heilung aber viel länger gedauert als erwartet“, sagt Ömer, „im Verkauf hätte ich acht Stunden am Tag stehen müssen. Die Belastung war für mich zu groß.“

Das Lesen will Ömer noch üben, damit ihn die Gäste der Tagespflege besser verstehen.
Das Lesen will Ömer noch üben, damit ihn die Gäste der Tagespflege besser verstehen. © Michael Kleinrensing

Rumsitzen, warten, nur hoffen – das ist nicht sein Ding. „Ömer hat mich angerufen und gesagt: Herr Berger, ich will doch was tun“, erinnert sich Georg Berger. Also kümmert sich der Verein erneut um den jungen Mann, der mit seiner Schwerbehinderung ohne Unterstützung schnell durch die sozialen Netze gefallen wäre. „Die Agentur für Arbeit ist mit im Boot, die Caritas und die Berufsschule. Das alles war ein ziemlicher bürokratischer Aufwand. Aber jetzt kann Ömer eine sogenannte Rehabilitations-Ausbildung machen und hat danach eine glänzende Perspektive auf dem Arbeitsmarkt. Der Notstand im Betreuungs- und Pflegebereich ist groß. Ömer ist gut, in dem was er tut. Und neben Deutsch spricht er noch Türkisch.“

Traumjob in einem tollen Team

Zwei Tage in der Woche arbeitet Ömer jetzt in der Tagespflege (Betreuung und Hauswirtschaft), zwei Tage besucht er die Berufsschule und an einem Tag bekommt er Förder- und Stützunterricht bei der Caritas. „Es gibt schon ein paar Herausforderungen. Zum Beispiel trainiere ich oft das Lesen, damit mich unsere Gäste besser verstehen, wenn ich ihnen etwas vorlese“, sagt Ömer, „aber hier arbeiten zu können – damit hat sich für mich ein Traum erfüllt. Die Menschen sind nett, wir haben ein tolles Team.“

Wer den Verein Fit for Future unterstützen möchte - die WP hat im Rahmen der Weihnachtsaktion ein Spendenkonto eingerichtet: IBAN 71 450 500 010 100 180 000, Verwendungszweck „Fit for Future“. Spender, die eine Spendenquittung erhalten möchten, müssen das Stichwort WP-Weihnachtsaktion und ihre Adresse auf dem Überweisungsträger vermerken.