Hagen. „Fit for Future“ profitiert von der Weihnachtsaktion der WP-Redaktion Hagen. Der Verein setzt sich für Jugendliche mit einer Lernbehinderung ein.

Es gibt so viele Fälle, die Georg Berger durch den Kopf schwirren. Darunter sind tragische, darunter sind hoffnungsvolle. Fälle von Jugendlichen, die es geschafft haben. Denen der Verein „Fit For Future“, der 2019 von der Weihnachtsaktion der WP-Redaktion Hagen profitiert, bei Bewerbungen geholfen hat, die Arbeitgeber überzeugen konnten, die eine Lehrstelle gefunden haben.

Aber es schwirren ihm immer wieder auch Fälle von Jugendlichen durch den Kopf, bei denen man gemeinhin denken mag: „Da sind sie doch selber schuld.“ Niemand aber von jenen, die es irgendwann schaffen, zum Telefonhörer zu greifen oder an die Tür des Vereins „Fit for Future“ an der Rembergstraße zu klopfen, so findet Georg Berger, ist selber schuld.

Zunehmende Eigenverantwortung überfordert Behinderte

Hilfe für 420 Jugendliche und junge Erwachsene

Die WP-Stadtredaktion sammelt im Rahmen der WP-Weihnachtsaktion in diesem Jahr Geld für den Verein „Fit for Future“.

Der Verein ist aus einem Arbeitskreis hervorgegangen, der seit 2008 junge Menschen mit Lernbehinderung unterstützt. Beteiligt daran waren Lehrer aus Förderschulen, Sozialarbeiter, Mitarbeiter des Jobcenters, der Agentur für Arbeit, des Fachbereichs Jugend und Soziales der Stadt.

Den Beteiligten wurde klar, dass es neben einem funktionierendem Netzwerk noch individueller Hilfe für Betroffene braucht. So wurde 2011 der Verein „Fit for Future“ gegründet. Die Beratungsstelle wurde im Februar 2012 eröffnet.

Der Verein hilft Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Lernbehinderung und psychischen Störungen bei der Suche von Lehrstellen und Arbeitsplätzen, bei finanziellen Problemen, bei der Wohnungssuche, bei psychischen Erkrankungen, bei Gewalterfahrungen, bei der Beantragung von Leistungen.

Allein im Jahr 2019 hat sich der Verein um insgesamt 420 Jugendliche und junge Erwachsene gekümmert.

Er, der Sozialarbeiter bei der Caritas und Vorsitzende des Vereins, mag das beurteilen können. „Es sind lernbehinderte Jugendliche oder junge Erwachsene“, sagt Georg Berger, „junge Menschen, die häufig Förderschulen besucht haben, die plötzlich vor dem Tor zur Erwachsenenwelt stehen, denen die eigenen Eltern aus unterschiedlichsten Gründen nicht helfen und die durch alle Raster unseres Sozialsystems fallen. Die Eigenverantwortung steigt, aber Behinderte sind damit schlicht und einfach überfordert.“

Dann erzählt Georg Berger die Geschichte eines jungen Mannes – lernbehindert, psychisch erkrankt –, der sich selbst bei einer Zeitarbeitsfirma eine Stelle besorgt hatte, der nicht klar kam, der wieder kündigte und plötzlich vor dem Nichts stand. „So etwas ist kaum zu glauben – aber die staatlichen Leistungen wurden auf Null gekürzt“, sagt Berger, „es wurde kein Essen mehr bezahlt, keine Miete, keine Krankenversicherung. All das hat man ihm von Amtswegen auch mitgeteilt – verstanden hat er es aber nicht. Ohne Unterstützung unseres Vereins wäre der junge Mann völlig hilflos gewesen.“

Entscheidungen nach Aktenlage

Drei Monate habe dieser Zustand angehalten, weil der junge Mann „selbstverschuldet ein Arbeitsverhältnis aufgegeben habe“, sagt Berger. „Für die Lernbehinderung, für die psychische Erkrankung hat sich niemand interessiert. Es wurde am Schreibtisch nach Aktenlage korrekt entschieden. Aber so etwas empfinde ich trotzdem als in hohem Maße ungerecht. Die Menschen, um die wir uns kümmern, sind ängstlich. Sie machen zu, trauen sich nicht, in einem Amt persönlich vorzusprechen. Sie mögen einen Anspruch haben, aber sie können ihn allein nicht durchsetzen. Irgendwann geben sie ihre eigenen Rechte einfach auf.“

Nur mit Mühe, viel Einsatz und nach unzähligen Telefonaten und Briefen sei es gelungen, dem jungen Mann zu seinem Recht zu verhelfen. „Wir haben zunächst Lebensmittelgutscheine erwirken können“, sagt Georg Berger. „Wir haben den Vermieter kontaktiert, der den Mann dann einige Zeit kostenlos wohnen ließ, Enervie hat immerhin die Versorgung sichergestellt.“

„Fit for Future“ bietet Hilfe und Beratung

Dahinter steckt eine Systematik, die den Ehrenamtlichen von „Fit for Future“ immer wieder begegnet. „Der Sozialstaat und seine Systeme sind ja im Grunde gut“, sagt Georg Berger, „aber im Gegensatz zu früher gibt es keine klassische Amtshilfe mehr. Es gibt niemanden, der einen dabei unterstützt, ein Formular zu verstehen. Man bekommt es in die Hand gedrückt verbunden mit der Aufforderung, es auszufüllen und wieder abzugeben. Wer berechtigte Leistungen in Anspruch nehmen möchte, der muss sich selbst kümmern.“

Diese Hürde aber ist für viele Lernbehinderte hoch, viel zu hoch. „Bei einigen handelt es sich um Legastheniker, sie können kaum lesen oder schreiben“, sagt Georg Berger, „wie sollen sie da einen Brief verstehen, der im feinsten Behördendeutsch verfasst ist. Es gibt nicht wenige, die komplett überfordert sind, die solche Schreiben einfach horten oder gleich wegschmeißen.“

Unterstützung bei der Suche nach einer Lehrstelle

Und wer nicht einmal schreiben kann und für das Lesen einer DIN-A-4-Seite Stunden braucht, der kann sich auch nicht auf dem Arbeitsmarkt um eine Stelle bewerben. Auf einem Arbeitsmarkt, auf dem es immer hektischer, immer schneller zugeht. „Es gibt immer wieder Jugendliche, die mit unserer Unterstützung eine Stelle gefunden haben und dann nach einem halben Jahr wieder vor unserer Tür stehen“, sagt Georg Berger.

Auch wenn es manchmal Rückschläge geben mag: „Jede Minute, die wir investieren können, ist kostbar“, sagt Georg Berger mit voller Überzeugung, „jede Minute ist es wert und keine verschwendete Zeit.“ Denn jede Minute kann einem jungen Menschen eine neue Perspektive eröffnen.

Wer für die Weihnachtsaktion der WP-Stadtredaktion Hagen spenden möchte: DE 71450500010100180000.